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Völker schöne Valentin hatte den letzten Reisestaub von sich

gespült und den neuen blauen Sommeranzug angetan,
den er in München gekauft hatte. Er saß, wundervoll müde
und hungrig, auf der Terrasse des Hotels zur Kaiserin
Elisabeth und dabei war ihm sehr behaglich zu Mute. Wie
Einem, der ein tüchtig Stück Arbeit hinter sich und vieles
Schöne vor sich hat. In der Tiefe dehnte sich der blitzende
See aus und dahinter stand die Bergkette so seltsam duftig
und durchsichtig — wie aus Glas geschnitten und matt ge-
schliffen. Oben auf der Benediktenwand sah er mit bloßem
Auge das Kreuz funkeln.

Ja, die Heimat! Sie war doch schöner als alles Andere
da draußen. Schöner als Südseenächte und ostindische
Urwaldspracht. So was, wie diese silbernen Abende am
Starnberger See, gab's auf der ganzen Welt nicht wieder!

Der schöne Valentin dehnte sich im Sessel und über-
dachte befriedigt, was alles er in den letzten vierundzwanzig
Stunden geleistet hatte. Er war nach wochenlanger Fahrt
auf einem recht mittelmäßigen Dampfer in Hamburg an-
gekommen, hatte in aller Eile dafür gesorgt, daß die Kisten
mit seinen kostbaren Sammlungen nach Hause geschickt
würden, hatte gleich Anschluß nach Berlin gefunden und
war mit dem nächsten guten Schnellzug nach München
gefahren.

Hier hatte er zunächst seinem äußeren Menschen die
nötige Sorgfalt angedeihen, den wilden Reisevollbart zu
einem weltmännischen Spitzbärtchen zusammenstutzen lassen,

Kleider gekauft und hierauf ein paar Besuche bei Fach-
kollegen und Vorgesetzten gemacht, die den verdienstvollen
jungen Forscher mit Freuden und Achtung ausgenommen
hatten. Dann war er nach dem Bahnhof geeilt und süd-
wärts gedampft. Er war bei Mühltal mit den anderen
aufgesprungen und hatte mit dem unvermeidlichen „Ach,
wie schön" mit den anderen das grüne Buchenwipfelmeer
des stillen Tales bewundert, war in Starnberg wieder ans
Fenster geeilt, um festzustellen, daß man das Gebirge sähe

— ganz so, wie es sein muß, wenn gut Wetter werden soll —
und nun saß er auf der Hotelterrasse in Feldafing und
speiste mit einem Appetit, den auch die zärtlichste Liebes-
sehnsucht nicht mindern konnte.

Der Körper verlangte sein Recht nach vierundzwanzig-
stündigem Hungern; in seiner Hast, nach Hause zu kommen,
hatte er kaum hier und da auf einer Station ein klägliches
Schinkenbrötchen zu sich genommen. Und sein Gefühl
sträubte sich dagegen, als Hungriger zur Tischzeit bei Käthe
vorzusprechen und den Eindruck, den er, der schöne Valentin,
zu machen wünschte, durch unästhetisches Kauen und Schlucken
zu verderben.

Nun war er aber satt. Er zog eine gute Zigarre heraus

— und steckte sie wieder ein: nein! Der erste Kuß nach
dritthalb Jahren sollte nicht nach Tabak schmecken! Auch
nicht nach dem wackeren roten Jngelheimer da — er nahm
ein Kügelchen Cachou. Und dann sah er den Mond über
den Hügeln hinter Ammerland heraussteigen, fragte nach

Ad/I^a

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Fritz Frh. v. Ostini: Ein Sommer-Nachts-Traum
Adolf Münzer: Illustration zum Text "Ein Sommer-Nachts-Traum"
 
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