Gammelpolitik
Der Präsident des Konsistoriums Lurtius
ist nun schon zum zweiten Mal bei der Einladung
zu dem Kaiserdiner übergangen worden, weil er
sich durch Herausgabe der Memoiren des Fürsten
Chlodwig von Hohenlohe die kaiserliche Ungnade
zugezogen hat. Da Lurtius nur in der besten
Absicht und aus Patriotismus gehandelt hat, so
ist es durchaus billig, daß die Nation ihm seinen
Schaden ersetzt. Er ist nun schon um zwei gute
Mittagbrote gekommen. Deshalb sollen durch eine
Nationalspende die Mittel aufgebracht werden, um
ihn für diese beiden Mittagbrote zu entschädigen.
In ganz Deutschland sollen Sammlungen einge-
leitet werden; die gespendeten Gelder werden von
einem Kuratorium in Berlin verwaltet, dessen
Mitglieder vom Kaiser ernannt werden. An den-
jenigen Tagen, an denen der Kaiser in Straßburg
ein Diner gibt, weist das Kuratorium auf den
schriftlichen Antrag des p. Lurtius die Reichs-
bankstelle in Straßburg an, ihm die Rechnung
für ein in einer dortigen Restauration einzu-
nehmendes Mittagsmahl bis zur pöhe von 5,66 M.
einschließlich der Getränke zu erstatten. Die nicht
verwendeten Beträge der Nationalstiftung werden
dem Fonds zur Wiederherstellung des Doms von
Metz zugeführt. Frido
Le sultan est mort, vive le sultan!
Mit dem Sultan Abdul Asis haben die Fran-
zosen sich in die Nesseln gesetzt; sie haben ihn so
lange siegen lassen, bis er ganz unten durch ist;
und seinen Gegner Mulay Hafid haben sie so
viele Niederlagen erleiden lassen, bis er der
alleinige Herrscher von Marokko ist. Was nun
tun? Der verhaßte Mulay Hafid muß mohl oder
übel anerkannt werden, aber das ist höchst fatal.
Da ist ein Teil der französischen Presse auf die
Idee gekommen, ihn unter Bedingungen
anzuerkennen.
Das ist eine gute Idee. Als solche Bedingungen
werden folgende vorgeschlagen:
1. Mulay Hafid übernimmt die Staats- und
die Privatschulden seines Vorgängers, verzinst sie
mit 10°/„ und zahlt sie auf Verlangen jederzeit
in der doppelten Höhe des Nennbetrages zurück.
2. Mulay Hasid erkennt die Algecirasakte an
und verpflichtet sich bei den Mächten, allen seinen
Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Er-
richtung von Hafenbauten, die Einrichtung der
Polizei und des Heeres Frankreich übertragen
wird. Dafür sollen alle marokkanischen Ein-
nahnren der französischen Republik überwiesen
werden, während die Ausgaben von den anderen
Signatarmächten zu bestreiten sind.
3. Mulay Hasid erkennt den Präsidenten der
französischen Republik als seinen Souverän an.
Er macht vor ihm Kotau und verpflichtet sich,
auf ihn Lobeshymnen zu singen, dagegen auf die
Häupter der übrigen Signatarmächte zu pfeifen.
Unter diesen Bedingungen will Frankreich
Mulay Hafid als Sultan anerkennen.
Der neue ZZlutarch
Ein Straßburger Ehepaar unterhielt sich
über die 2lnwesenheit des Kaisers. „Daß
Majestät an der Tafel so wenig gegessen
haben! ?" bemerkte die Frau.
Die Goldfische im Kongobecken
Leopold: Ich kann beim besten willen
nichts mehr herausfischen-
„Nein Wunder, Majestät hat ja noch den
Lurtius im Magen!"
— da habt's ihr's, liebe Landeskinder, werdet
damit glücklich!"
(Zeichnungen von A. Weisgerber)
Der Azcekenkönig Günther
Dem Aztekenkönig Günther
Sei dies Liedchen dediziert.
Von den Künsten viel verstund er,
Drum hat er sie protegiert.
Daß die Burgen nicht verfallen,
Hielt er treue wacht im Land.
Und den Künstlern ließ vor allen
Aus Prinzip er freie Hand.
Jüngst ward im Aztekenlande
Eine Oper dargestellt:
In altindischem Gewände
Strahlten Lhor, Ballett und Held.
2lch, das Textbuch war ein Wunder
An Geschmack auf Schritt und Tritt,
Denn der gute König Günther
Half beim Dichten huldvollst mit.
Die Musik war, ohne Brüsten,
wunderherrlich in der Tat,
Denn es half dem Komponisten
König Günthers weiser Rat.
Die Szenierung muß ich rühmen
Und der Kleider feinen Schnitt,
Denn es half bei den Kostümen
König Günther selber mit.
Ist's ein Wunder, daß im Lande
Günther hochgefeiert wurd'?
Dennoch hat die Künstlerbande
Heimlich hie und da geknurrt.
Sie bekritelten verwegen
König Günthers Kunstgeschmack —
Ach, was sind doch die Azteken
Für ein undankbares pack!
Karlchen
*
Modernes Martyrium
Mit Bewunderung und Rührung lesen wir
von den (Dualen, denen sich die christlichen Mär-
tyrer für ihren Glauben unterwarfen. Aber die
ideale Mpferfreudigkeit ist auch in unserer heutigen
materiellen Zeit nicht erstorben; das lehrt uns
Prag. Dort hat der verwaltungsrat der Wasser-
werke eine Röhrenlieferung einer französischen
Firma übertragen, obwohl diese 350 000 Kr. mehr
forderte als die vereinigten Oesterreichischen Röhren-
werke in Witkowitz, die es für drei Millionen Kr.
machen wollten. Aber die erstere Firma ist fran-
zösisch, die letzere deutsch. Die Lzechen lassen sich
also ihren begeisterten Deutschenhaß 350000 Kr.
kosten; ist das nicht ein Martyrium? Zwischen
den czechischen Verwaltungsräten und den christ-
lichen Märtyrern ist freilich ein kleiner, kaum
merkbarer Unterschied: Die christlichen Märtyrer
duldeten mit dem eigenen Leibe, die czechi-
schen Märtyrer dulden mit freindem Gelde;
aber der Heroismus ist der gleiche. Die Lzechen
wollen die französische Firma bitten, ihre Forderung
von z 350 000 Kr. auf fünf Millionen zu erhöhen;
sie wollen den Franzosen nicht 350 000, sondern
zwei Millionen Kr. mehr geben als den fff
Deutschen, damit diese sich ordentlich ärgern.
Die materiell gesinnten Deutschen haben natür-
lich für den idealen Opfermut der Lzechen kein
Verständnis: sie hängen nur am Gelde. Aber
der Lzeche zuckt die Achseln und sagt: Es ist
meinem Vater schon ganz recht, daß ich mir die
Hände erfroren habe; warum hat er mir nicht
diejenigen Handschuhe gekauft, die mir gefielen?
Nepomuk
*
Hrmer Bebel!
Frecher nur wird ihre Schnute!
Der Parteigeist ist verhunzt!
Ohne Wirkung bleibt die Knute,
Und der „Vorwärts" bellt umsunst!
„Hört man hier nicht mehr auf Bebeln,
Bin dem Süden ich egal,
will ich mal die Herrn vermöbeln
Drüben über dem Kanal!"
Und den englischen Proleten
Schrieb er im Kommandoton:
Eure Fahrt ist nicht vonnöten,
Bleibt nur hübsch in 2llbion!
Doch darauf ertönt ein dreistes:
Nein, die Fahrt wird ausgeführt!
Armer Bebel! Deines Geistes
Hauch wird nirgends mehr verspürt!
Beda
*
Der neue Plutarch
„was, bei dem letzten Kunstdiebstahl war
auch von Ihnen ein Bild dabei?!" fragte
eine Dame einen Münchner Maler.
„Ja, aber die Kerls haben's den andern
Tag wieder zurückgeschickt!"
Der Präsident des Konsistoriums Lurtius
ist nun schon zum zweiten Mal bei der Einladung
zu dem Kaiserdiner übergangen worden, weil er
sich durch Herausgabe der Memoiren des Fürsten
Chlodwig von Hohenlohe die kaiserliche Ungnade
zugezogen hat. Da Lurtius nur in der besten
Absicht und aus Patriotismus gehandelt hat, so
ist es durchaus billig, daß die Nation ihm seinen
Schaden ersetzt. Er ist nun schon um zwei gute
Mittagbrote gekommen. Deshalb sollen durch eine
Nationalspende die Mittel aufgebracht werden, um
ihn für diese beiden Mittagbrote zu entschädigen.
In ganz Deutschland sollen Sammlungen einge-
leitet werden; die gespendeten Gelder werden von
einem Kuratorium in Berlin verwaltet, dessen
Mitglieder vom Kaiser ernannt werden. An den-
jenigen Tagen, an denen der Kaiser in Straßburg
ein Diner gibt, weist das Kuratorium auf den
schriftlichen Antrag des p. Lurtius die Reichs-
bankstelle in Straßburg an, ihm die Rechnung
für ein in einer dortigen Restauration einzu-
nehmendes Mittagsmahl bis zur pöhe von 5,66 M.
einschließlich der Getränke zu erstatten. Die nicht
verwendeten Beträge der Nationalstiftung werden
dem Fonds zur Wiederherstellung des Doms von
Metz zugeführt. Frido
Le sultan est mort, vive le sultan!
Mit dem Sultan Abdul Asis haben die Fran-
zosen sich in die Nesseln gesetzt; sie haben ihn so
lange siegen lassen, bis er ganz unten durch ist;
und seinen Gegner Mulay Hafid haben sie so
viele Niederlagen erleiden lassen, bis er der
alleinige Herrscher von Marokko ist. Was nun
tun? Der verhaßte Mulay Hafid muß mohl oder
übel anerkannt werden, aber das ist höchst fatal.
Da ist ein Teil der französischen Presse auf die
Idee gekommen, ihn unter Bedingungen
anzuerkennen.
Das ist eine gute Idee. Als solche Bedingungen
werden folgende vorgeschlagen:
1. Mulay Hafid übernimmt die Staats- und
die Privatschulden seines Vorgängers, verzinst sie
mit 10°/„ und zahlt sie auf Verlangen jederzeit
in der doppelten Höhe des Nennbetrages zurück.
2. Mulay Hasid erkennt die Algecirasakte an
und verpflichtet sich bei den Mächten, allen seinen
Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Er-
richtung von Hafenbauten, die Einrichtung der
Polizei und des Heeres Frankreich übertragen
wird. Dafür sollen alle marokkanischen Ein-
nahnren der französischen Republik überwiesen
werden, während die Ausgaben von den anderen
Signatarmächten zu bestreiten sind.
3. Mulay Hasid erkennt den Präsidenten der
französischen Republik als seinen Souverän an.
Er macht vor ihm Kotau und verpflichtet sich,
auf ihn Lobeshymnen zu singen, dagegen auf die
Häupter der übrigen Signatarmächte zu pfeifen.
Unter diesen Bedingungen will Frankreich
Mulay Hafid als Sultan anerkennen.
Der neue ZZlutarch
Ein Straßburger Ehepaar unterhielt sich
über die 2lnwesenheit des Kaisers. „Daß
Majestät an der Tafel so wenig gegessen
haben! ?" bemerkte die Frau.
Die Goldfische im Kongobecken
Leopold: Ich kann beim besten willen
nichts mehr herausfischen-
„Nein Wunder, Majestät hat ja noch den
Lurtius im Magen!"
— da habt's ihr's, liebe Landeskinder, werdet
damit glücklich!"
(Zeichnungen von A. Weisgerber)
Der Azcekenkönig Günther
Dem Aztekenkönig Günther
Sei dies Liedchen dediziert.
Von den Künsten viel verstund er,
Drum hat er sie protegiert.
Daß die Burgen nicht verfallen,
Hielt er treue wacht im Land.
Und den Künstlern ließ vor allen
Aus Prinzip er freie Hand.
Jüngst ward im Aztekenlande
Eine Oper dargestellt:
In altindischem Gewände
Strahlten Lhor, Ballett und Held.
2lch, das Textbuch war ein Wunder
An Geschmack auf Schritt und Tritt,
Denn der gute König Günther
Half beim Dichten huldvollst mit.
Die Musik war, ohne Brüsten,
wunderherrlich in der Tat,
Denn es half dem Komponisten
König Günthers weiser Rat.
Die Szenierung muß ich rühmen
Und der Kleider feinen Schnitt,
Denn es half bei den Kostümen
König Günther selber mit.
Ist's ein Wunder, daß im Lande
Günther hochgefeiert wurd'?
Dennoch hat die Künstlerbande
Heimlich hie und da geknurrt.
Sie bekritelten verwegen
König Günthers Kunstgeschmack —
Ach, was sind doch die Azteken
Für ein undankbares pack!
Karlchen
*
Modernes Martyrium
Mit Bewunderung und Rührung lesen wir
von den (Dualen, denen sich die christlichen Mär-
tyrer für ihren Glauben unterwarfen. Aber die
ideale Mpferfreudigkeit ist auch in unserer heutigen
materiellen Zeit nicht erstorben; das lehrt uns
Prag. Dort hat der verwaltungsrat der Wasser-
werke eine Röhrenlieferung einer französischen
Firma übertragen, obwohl diese 350 000 Kr. mehr
forderte als die vereinigten Oesterreichischen Röhren-
werke in Witkowitz, die es für drei Millionen Kr.
machen wollten. Aber die erstere Firma ist fran-
zösisch, die letzere deutsch. Die Lzechen lassen sich
also ihren begeisterten Deutschenhaß 350000 Kr.
kosten; ist das nicht ein Martyrium? Zwischen
den czechischen Verwaltungsräten und den christ-
lichen Märtyrern ist freilich ein kleiner, kaum
merkbarer Unterschied: Die christlichen Märtyrer
duldeten mit dem eigenen Leibe, die czechi-
schen Märtyrer dulden mit freindem Gelde;
aber der Heroismus ist der gleiche. Die Lzechen
wollen die französische Firma bitten, ihre Forderung
von z 350 000 Kr. auf fünf Millionen zu erhöhen;
sie wollen den Franzosen nicht 350 000, sondern
zwei Millionen Kr. mehr geben als den fff
Deutschen, damit diese sich ordentlich ärgern.
Die materiell gesinnten Deutschen haben natür-
lich für den idealen Opfermut der Lzechen kein
Verständnis: sie hängen nur am Gelde. Aber
der Lzeche zuckt die Achseln und sagt: Es ist
meinem Vater schon ganz recht, daß ich mir die
Hände erfroren habe; warum hat er mir nicht
diejenigen Handschuhe gekauft, die mir gefielen?
Nepomuk
*
Hrmer Bebel!
Frecher nur wird ihre Schnute!
Der Parteigeist ist verhunzt!
Ohne Wirkung bleibt die Knute,
Und der „Vorwärts" bellt umsunst!
„Hört man hier nicht mehr auf Bebeln,
Bin dem Süden ich egal,
will ich mal die Herrn vermöbeln
Drüben über dem Kanal!"
Und den englischen Proleten
Schrieb er im Kommandoton:
Eure Fahrt ist nicht vonnöten,
Bleibt nur hübsch in 2llbion!
Doch darauf ertönt ein dreistes:
Nein, die Fahrt wird ausgeführt!
Armer Bebel! Deines Geistes
Hauch wird nirgends mehr verspürt!
Beda
*
Der neue Plutarch
„was, bei dem letzten Kunstdiebstahl war
auch von Ihnen ein Bild dabei?!" fragte
eine Dame einen Münchner Maler.
„Ja, aber die Kerls haben's den andern
Tag wieder zurückgeschickt!"
[nicht signierter Beitrag]: Le sultan est mort, vive le sultan!
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Frido: Sammelpolitik
Nepomuk: Modernes Martyrium
Karlchen: Der Atztekenkönig Gunther
Albert Weisgerber: Die Goldfische im Kongobecken
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Beda: Armer Bebel!
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Frido: Sammelpolitik
Nepomuk: Modernes Martyrium
Karlchen: Der Atztekenkönig Gunther
Albert Weisgerber: Die Goldfische im Kongobecken
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Beda: Armer Bebel!