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-Heide

Die rote Heideblume blüht,

Rings ist die Luft von Düsten schwer.
Schmieg dich hinein, sprich keinen Laut,
Was willst du mehr?

Wart, wart, ein Jugendzauber steigt
Aus all dem roten Blütenmeer;

Trink aus dem Kelch, soviel du magst,
Er wird nicht leer.

Das Märchenland, es schließt sich auf
Und öffnet seinen bunten Schrein.

Die roten Glocken läuten schon —

Zieh ein, zieh ein!

Martha Iochumscn

Aufblick

Du sahst mich an mit einem langen Blick,
Scheu aufgeschreckt aus schmerzlichen Gefühlen;
Die Liebe ward dir ein zerbrochues Glück,

Ein Mädchen-Traum, mit dem Verworfne spielen.

Daß du erschaudernd wachgeworden bist.

Ließ mich dein Blick bis in die Seele spüren —
Da Hab ich bebend deine Hand geküßt
Und fühlte dich und kann dich nie verlieren.

Franz Evers

Stiller Alpcnfee

In des Frühherbsts blauen Wundertagen
Ward mir hier ein Wandertag beschieden.

Herz, mein Herz, hier sanftige dein Schlagen,
Tauche nieder in den Landschaftsfrieden.

Staunend steht ringsum des Tanns Gewimmel,
Ob sich nie das Rätsel ihm entsiegelt:

Soll er aufwärts schaun zum wahren Himmel,
Abwärts in den See, drin er sich spiegelt?

Heilige Ruhe! Wenn hier Menschen wohnen,
Komme ihre Lebenslust zu Jahren!

Denn der Himmel soll sie dafür lohnen.

Daß sie diesen Frieden so bewahren.

Nur dort oben will ein Wölkchen blitzend,
Niederschweben ans der Matte Nasen:

Und ich finde mich, die Lippen spitzend,

Um sie aus dem Bilde fortzublasen. . .

Hugo Salus

Wenn alle Türen dann ...

Wenn alle Türen dann geschlossen sind,

Und meine Wege sich ins Dunkle wenden.

Und ich mit blinden Augen klagend geh'.
Tastend mit graun-erfüllten Händen . . .

Wird daun hier oben noch die Sonne sein,
Und Frühling noch und noch der Vögel Singen?
klnd wird viel glückbetörten Herzen noch
Weiter die Sehnsucht durch die Nächte klingen?

O töricht Herz, du willst den Mittelpunkt
Des Lebens ganz in deinen Pulsen sehen!

Ach, tausend Größre raffte schon der Tod,

Und tausend Größre werden nach dir gehen.

Vielleicht, — daß irgendwo ein blasses Wort
Noch einmal stumme Zeichen von dir gibt. . .
Vielleicht, — daß einmal eine Träne stießt
Von Einer, die dich sehr geliebt. . .

Hanns Holzschuher

— Hubort Wilm —

Der nasse Achter

Von M. Roda Roda

Die beide!: Herren schleuderten die waizner-
gasse entlang. Der Schmächtige mit den Hänge-
schultern hatte den widerwillig gekrümmten Arm
des andern untergefaßt, vor dem gelben Haus
neben der Kirche blieben sie stehen. Der wider-
willig gekrümmte Arm sank.

„Gehst Du hinauf?" fragte der Bankdirektor
den verschämten vornehmen Freund.

,,Ia. Ich verbring meine Abende immer im
Kasino." — Die Lider fielen ihm schlaff über die
Augen, nur ein kalter, hochmütiger Spalt blieb
offen. Auch der genügte, den: Bankdirektor den
tiefen Abgrund zu beleuchten, der zwischen ihnen
gähnte. Ein Mitglied des Adligen Kasinos und

— ein Bankdirektor!

„Gib acht, daß man Dich nicht blankzupft!"
sagte der Direktor. — Das war eine unzarte An-
spielung aus ein eben gewährtes Darlehen. —
„Komm und trink lieber eine Flasche Sekt
mit mir."

,'Ich danke," antwortete der vornehme kühl,
„meine Freunde erwartei: mich."

Der vornehme schritt durch den Torweg davon,
an einem salutierenden, imposanten portier vorbei

— die Treppe empor. Ein Auserwählter. Und
ließ den Bankdirektor draußen mit dem nieder-
drückenden Gefühl des Ausgeschlossenen.

„Töff, töff," schrie das Auto des Bankiers.
Es war ihm nachgeschlichen.

„Hepp, hepp," hörte er heraus, wurde zornig
und jagte den Lhauffeur nach Haus. — Und in
Gedanken verloren ging er weiter, wie hatte er
nur leben können, ohne je ans Kasino zu denken?
war man vollwertig, wenn man nicht Kasino-
mitglied war? wenn man sich am Tor des
gelben Dauses verabschieden mußte?

Der Bankdirektor räusperte sich und spuckte
entschlossen aus die Pflastersteine. So räusperte
er sich, so spuckte er jedesmal, wenn er sich ent-
schlossen hatte, ein neues Unternehmen zu be-
ginnen.

Gott, ihm war ja immer noch gelungen, was
er gewollt hatte. Ohne sonderliche Mühe. Als
hätte jemand die Wege vor ihm glatt gewalzt.
Entfernungen, die schwindelnd weit schienen —
vom Lehrjungen bis zum Geldmagnaten — die
hatte er durchmessen, ohne sich recht bewußt zu
werden, wie einen Spaziergang.

Immer waren gerade Menschen bei der Hand
und Situationen, die ihn hoben. Angeordnet und
bestellt von einer höhern Macht. Hünen waren
gestorben, Schwerkranke genesen — Krisen ans-
gebrochen, Orkane vorübergegangen — gerade

wie es ihm in den Kram paßte. — Daran dachte
er voll froher Zuversicht. *

Einige Monate später. Der Herr Bankdirektor
war auf dem Gut des Ministers zum Souper
gewesen. Am Abend fuhr er auf die kleine
Station — ihm zur Rechten der Großstiefncff.
Seiner Exzellenz. — Da lächelte er. Komisch, daß
ihn die Sache mit dem Adligen Kasino überhaupt
hatte jemals erregen können. Das Parlament
war aufgelöst, die Neuwahlen ausgeschrieben. Für
sein gutes Bankgeld wird man diesen jungen
Herrn da zum Abgeordnete!: wählen. Zweifellos.
Ebenso zweifellos wird man ihn, den Bankier
ins Kasino wählen — auf die Befürwortung des
Onkels und des Neffen. — Uebrigens — er
schwärmte für die verfassungspartei. Da war
noch Ehrlichkeit, Mark, Ueberzeugung — und
vor allem Eleganz. Die besten Kreise gehören
zur Verfassungspartei. Dreizehn Grafen, ein
Herzog und zwei Fürsten — alle mit ganzem
Kerzen dabei. Natürlich ohne übertriebene Be-
tonung des Verfassungsstandpunktes.

Sie waren dreißig Minuten zu früh gekommen.
Außerdem hatte der Schnellzug die gewohnten
zehn Minuten Verspätung. Der Wartesaal war
einsam, schlecht beleuchtet und schmutzig. Man
brachte ihnen Tee, der nach Ejeu, und Rum, der
nach Spiritus roch.

Der Graf sagte nichts — aus Blasiertheit —
und der Bankier in seiner gehobenen Stimmung
bemerkte es gar nicht.

Ja, er war an Erfolge gewohnt. Das Schicksal
hatte ihn verhätschelt. Er war einer der Soldaten
auf dem Kampfplatz des Lebens, die mit dem
Marschallstab im Tornister zur Welt gekommen
sind. Aber er hatte auch verstanden, den Marschalb
stab beizeiten hervorzuholen, und gebot einem Heer
von Beamten und Dienern. Er konnte zufrieden
sein, stolz auf seiner Mutter Sohn.

verloren sah er einem kleinen Jungen zu,
der hereingekommen war, um den Wartesaal zu
fegen. Der Junge hielt einen alten, rostigen
Trichter in der Hand und preßte den Zeigefinger
in die Oeffnung. Mit der freien Linken zog er
die Stühle beiseite — dann ließ er das Wasser
aus dem Trichter rieseln und malte lauter nasse
Achter über die Diele, damit es beim Ausfegen
nicht staube.

„Merkwürdig," sagte der Bankier. „Macht
man das noch immer so? wie vor vierzig Jahren.
— Du glaubst nicht, wie grausam das ist, wenn
man so einen kleinen Jungen um vier Uhr früh
aus dem Bett zieht, damit er mit Besen und
Trichter . .."

Der Graf blickte auf — und dem andern
geradeaus durch das Monokel in die Augen. Es
war ein scharfer Blick, der dem Bankier die Worte
in die Gurgel zurückstieß.

„... und malt nasse Achter .. . nasse Achter. .*
stammelte der Bankier — unfähig, seine Ge-
dankenkette aufzuhalten, und schon bewußt der
Angehörigkeit.

„wirklich interessant," näselte der Graf.

Der Bankier sprach rasch von Politik und
Parlament.

Als der Zug einfuhr, gingen sie hinaus. Der
Bankier drückte dem schläfrigen Jungen, der ihn
so rührsam an die eigene Jugend erinnert hatte,
heimlich einen Gulden in die Pfote.

Auf dem Flur des Schlafwagens fand der
Graf einen alten Freund, den Niki Prankenflorff,
begrüßte ihn voll Freude und stellte sofort fest,
daß bei Niki noch ein Schlafplatz frei war. ~
Den Bankier brachte der Schaffner zwei Eoup6-
türen weiter unter. — Sie rauchten noch zu dritt
ein paar Zigaretten und gingen schlafen.

Der Bankier trat in sein Abteil. Der un-
bekannte Herr, mit dem er's teilen sollte, stand
über seine Reisetasche gebückt, und suchte das
Nachthemd.

„Guten Abend!" sagte der Bankier höflich
und reserviert.

Der andre sah nicht auf und antwortete auch
nicht. — Darauf zog sich der Bankier aus.
hängte seine Kleider auf und legte Uhr und
Brieftasche unters Kiffen.
Register
Hanns Holzschuher: Wenn alle Türen dann...
Franz Evers: Aufblick
Martha Jochumsen: Heide
Hugo Salus: Stiller Alpensee
M. Roda Roda: Der nasse Achter
Hubert Wilm: Vignette
 
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