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La Lucertola Eduard Okun (Anticoli)

Der Silberahorn

Poseidon schlief; das Meer lag spiegelglatt.
Nur, wo Selenes Silberschuh die Flut
Mit flüchtigen Sohlen rührte, war ein Flimmern
Und floß vom Horizont zum Strande her.
Die Wogen unsrer Seelen schäumten auf:
Mond! Meer! Klare Unendlichkeit!

Und da nun jeder Mund zu schwärmen anhob,
Sahst du, du rätselhaftes, bleiches Mädchen,
Mit seherischen Augen auf das Flimmern
Der weißen Wellen in dem Streifen

Mondscheins

Und schautest weit über den Rand des Meeres
Und sprachst, uns allen unklar: „Seht

die Wellen,

Sie flimmern wie des Silberahorns Blätter,
Wenn sie derZephir rührt!" Und sahst mich an,
Du rätselhaftes, schönes, bleiches Mädchen...

Heut aber, da ich fern von jenem Meer
In meiner Heimat bin, — sie ist dir fremd,
Du Blüte aus dem Süden —, Mondenschein
Liegt flimmernd auf den Bäumen

meines Gartens,
Mit einem Mal seh ich dein dunkles Auge
Vom Strande eines weiten, fernen Meers
Herüberglänzen bis zu meinem Garten,
Darin des Silberahorns Blätter flimmern,
Des Silberahorns Blätter, seltsam, seltsam!
Die wie des Meeres kleine Wellen schimmern.
Und wie ich mich besinnen will und staune,
Da fühl' ich einen rätselhaften Gruß
Von fernen, fernen, bleichen Lippen her
Zu meines. Silberahorns Blättern wehn
Und fühl' dich nah und weiß: Du denkst an mich!

Hugo Salus

Ein Geheimnis

von Lonrad Lappt

Um eilien Tag war ich zu spät gekommen,
trotzdem ich beit nächsten Lxpreßzug benützt batte,
vor wenigen Stunden hatten sie meinen armen
Freund hinausgetragen auf den heiligen Acker
der Toten. Mir blieb der letzte, schwere Gang mit
dem Freunde erspart, der plötzlich von tückischer
Rraukheit dahiugerafft worden war. Nun stand

mir aber der noch schwerere Gang bevor: zu seiner
unglücklichen Frau und dem kleinen Söhucheu.

Als ich mich der Villa näherte, als ich den
Garten durchschritt, mein Blick die Blumenbeete
streifte, die er selbst gepflegt, als ich an dem
lauschigen Plätzchen vorbei mußte, wo wir so
vergnügte Stunden verlacht und verscherzt, bebte
mein Körper. Es war nicht möglich, daß er
nicht mehr sein könne, daß er heransgerissen sei
aus all dem sonnigen Leben, aus den jungen,
liebenden Armen seines Weibes, aus deit zarten,
zärtlichen Arinen seines Rindes — unmöglich!

Ich legte meine zitternde Hand auf die elektrische
Rlingel. Ihr Schall weckte mich aus meinein
tiefen Ernst. Jetzt war der Moment gekommen,
wo ich der trostlosen Frau gegenüber treten mußte,
was soll ich ihr sagen? 'Gibt es überhaupt ein
Wort, das jetzt Sinn hat? — —

„Die gnädige Frau erwartet Sie," sagt das
Mädchen und öffnet die Tür zum Arbeitszimmer
tneines Freundes. Ich nehme noch einmal tiefen
Atem und trete ein. Beim Fenster steht die Frau,
in dem Hellen, freundlichen Morgenkleid, das sie
trug, als wir das letzte Mal mit ihm zusammen
in der Laube saßen, am Schreibtisch arbeitet still
der kleine Rnabe. — So fand ich ja oft Mutter
und Rind. — Nichts weist auf eine Veränderung
hin. Einen Augenblick kommt es mir vor, als
hätte ich den Tod des Freundes nur geträumt,
— aber ich habe ja noch das Telegramm in der
Tasche, das schreckliche Telegrainin!

Larlo bemerkt mich zuerst. Mit seinem freu-
digen: „Mama, Mama, Onkel Ernst!" stürzt er
auf mich zu und schmiegt sich eng an mich.
Bevor ich mich noch zu ihm niederbeugen und
mein „arines, armes Rind" stammeln kann, das
mir schon auf der Zunge liegt, steht auch schon
die Mutter vor ntir, reicht mir über ihr Rind
hinweg ihre müde Hand, und während ihr un-
säglich trauriger Blick fest auf mir ruht, sagt
sie mit dem scheinbar heitersten Ton: „Oh, schön,
daß Sie kommet:!" — dann legt sie den Finger
an den Mund und bedeutet mir Schweigen, —
„Schade, daß meii: Mann verreist ist, auf längere
Zeit — Sie wissen doch?"

Ich begreife sofort, Larlo weiß nichts, weiß
noch nicht, daß seilt Vater tot ist!-

Dann erzählt mir die Frau weiter, von der
Rrankheit ihres Maitnes, wie sie ihn iit das Sana-
torium brachtet:, von der Operation, wie der
Rranke scheinbar genas, und — daß ihn nun die
Aerzte nach dem Süden geschickt haben, zur Er-
holung. Das Rind steht tteben meinem Sessel und
hält meine Hand. wie seine Mutter aber von der
Reise des Vaters spricht, läßt er mich los und geht
lattgsam uttd matt zum Schreibtisch zurück. —
„Auch Larlo war krank, lag lange in seinem
Bettchen und hat Papa nicht mehr gesehei:. Nun

tnuß er noch sehr geschont werden, damit er recht
frisch ist, wenn Papa —" l)\ev kann die Arme
nicht weiter sprechet:, der Schmerz überwältigt sie,
und eiligst verläßt sie das Zitnmer, mich mit
einem letzten Blick bittend, bei dem Rinde zu
bleiben.

— Tiefe Stille —

Nach einer weile rufe ich Larlo zu mir. Ich
gebe mir alle Mühe, mit ihm unbefangen zu
plaudern. Er erzählt von der Schule, wie viel
er versäumt hat, was er nachholen muß, „denn,
weißt Du," sagt er, „ich muß jetzt sehr fleißig
sein und Mami Freude machen." „Ja, ja, meilt
Rind, aber lerne nur jetzt noch nicht zu viel,
damit Du nicht wieder krattk wirst, Deiner Mutter
neue Sorge machst uttd auch Papa-"

Da übergießt tiefe Röte des Rindes Gesicht.
Mit seinen mageren Aertnchen umfaßt er meinen
Hals, legt seilten Mund dicht an mein Ohr und
flüstert kaum vernehinbar: „Onkel, ich — ich
weiß ein Geheimnis." —

Dann schließt er mit seinen: kleinen Händchen
meinen Muitd, blickt mich ernst, todtraurig, bittend
an, und große, große Tränen rollen langsam über
des kleiitett Melden wattge. —-

Himmlische Liebe

Das ist die Quelle, wo das Einhorn trinkt.
Durch Mondenflöre konuut's auf

weichen Pfaden;

Von seinem Huf die grüne Erde klingt,
Mit leisem Lied die Königin zu laden.

Und eine Flamme blinkt um Busch und Bnnm:
Ein Mädchen naht, von Schleiern rot umflogen,
Das schwingt sich auf und ist,

ein goldener Traum,
Tief in die Nacht, die Sommernacht gezogen.

Woher, wohin? Du keusche Königin,

Auch ich war einmal unter deinen Pagen
Und tausend lange Jahre sind dahin,

Daß ich die Farben deines Reichs getragen.

Doch tausend Jahre sind ein kurzer Tag
Für Reu und Leid und für die neue Stunde
O Weiferin zu seligem Leben, sag,

Wo ich in dir von dieser Welt gesunde!

Victor Hardung
Register
Eduard Okun: La Lucertola
Conrad Cappi: Ein Geheimnis
Victor Hardung: Himmlische Liebe
Hugo Salus: Der Silberahorn
 
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