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Da schlich ein tiefes, wehes Zagen
Dem Menschensohn ins Herz hinein:

Ob tausend stolze Dome ragen —

Ich Hab umsonst das Kreuz getragen,

Ein stärkrer Gott muß Retter sein. . .

Alfred Huggenberger

Besserung

Hei, wie das trippelt und tastet und späht,

Ausgreist und mustert in fiebernder Eile,

Bis dann ein jedes Menschlein steht
Stolz überschauend vor seinem Teile!

Und von der Beute, der bunten, entzückt
Jauchzen die kleinen Herren und Damen:

Aber am meisten sind sie beglückt,

Weil sie auch alle gleich viel bekamen!

Freut euch nur wacker im zaubrischen Bann
Silberumwobenen, strahlenden Baumes —

Lustig und hell, solange sie kann,

Leuchte die Liebe des Gleichheitstraumes!

Noch beschenkt euch das Christkind ja,

Jedem dasselbe Plaisier zu bereiten —

Später beschert euch der Himmelpapa,

Und der hat seine Eigenheiten.

Hanns von Gumppenberg

Aenni

Jm Stall zu Bethlehem

Wilhelm Busch f

Das tote Wort

Der Heiland ging auf stillen Wegen,
Sein Werk auf Erden zu besehn.

Da flammten Lichter allerwegen
Und Glockenklang quoll ihm entgegen:
Du siehst Dein Korn in Blüten stehn!

Doch als er kam nach wenig Tagen
Da war der Kerzen Glanz verblaßt,

Der Hochmut fuhr aus goldnem Wagen,
Und bleiche Lippen hört' er klagen:
Wann lindert Liebe unsre Last?

Und Eisenhämmer hört' er dröhnen,

Sah Völker starr in Waffen stehn.

Die warnen sollten und versöhnen,

Die schienen selbst ihn zu verhöhnen,
Nicht einer wollte dienend gehn.

Aenni, der kleinen Aenni ist es schon zweimal im Leben gut
gegangen und zweimal herzlich schlecht.

Schlecht zum erstenmal, als der Tod kam und ihr die Mutter
raubte. Die Stille des Trauerhauses legte sich wie eine kalte Hand
auf das kleine Plappermäulchen.

Als dann Papa die neue Mutter heimbrachte, eine sehr lustige,
junge Mutter, da ging im Kinderzimmer die Sonne wieder auf.
Mama — ihren Lebensweg hatte der klapprige Patron noch nicht
gekreuzt — darum war sie so herzensfroh, wie Lerchen, die noch
keinen Herbst kennen, wie Rosen, die den Reif nicht ahnen. Sie
spielte mit Aenni die Sommertage lang unter den Bäumen im Park,
und wenn Papas Wagen nahte, liefen Mutter und Tochter ihm
miteinander entgegen.

Um Weihnachten waren sie zu dritt: Aenni, Mama und ein
klein-winziges Brüderchen. Und nun erst recht glücklich.

Im Sommer darauf war Aenni Mamas große Tochter. Das
Bübchen lag auf einer Decke im Rasen — Aenni durfte es betreuen
und mit ihm spielen. Sie holte Blumen und gab sie beit, nimmer-
müden Fingerchen Bubis zum Zerpflücken, sie summte mit ihrem
Mückeustimmchen endlose Schlaflieder und wehrte die Fliegen ab.
Mama sah den beiden jung und fröhlich zu.

Gerade, als Aennis Lachen anfing, frei zu klingen, gerade, als
der Schatten schwinden wollte, der in ihre Sonnentage gefallen
war, da schoß der Sensenmann um die Ecke — eilig und heimtückisch,
als hätt' er lang gelauert — nahm das Bübchen in seine Arme und
verschwand damit. Und nahm auch Aennis Glück, ihre sonnigen
Tage mit. Als hätte er lang gelauert.

Mama hatte mit Aenni gelacht, und nun, da die Kleine auch
gern mit ihr geweint hätte — nun mochte Mama Aennis blonde
Locken nicht sehen und nicht die blauen Augen, die sie so sehr an
Bubi gemahnten.

Aenni saß einsam in der Kinderstube und wartete, was ihr
das Leben noch Böses bringen würde.

Eines Tages erfuhr sie es; sie sollte weg vom Haus — in das
Institut der Fräulein Schellrich.

Am Abend vor der Reise, als ihr das Kindermädchen die Strümpfe
abzog, da sagte das Kindermädchen: „Warte nur, Aenni, wenn
die Mama statt des Brüderchens ein andres Baby bekommt, dann
darfst Du wieder heim."

Und als die dachten, daß Aenni schon schliefe, da sprach das
Mädchen zu Bubis Kinderfrau: „So ein armes, kleines Mädel!"

„Gott, die ist nicht arm, die kriegt einmal eklig viel Geld,"
antwortete die Kinderfrau hämisch. Sie ärgerte sich, weil sie
entlassen wurde. Mama konnte auch sie nicht mehr sehen.

Aenni wußte nicht, wie ihr geschehen — da war sie im Institut,
bei den Fräulein Schellrich.

Im ersten und zweiten Stock die Schulsäle und im dritten des
schmalen, düstern Hauses die Schlafzimmer. Ein paar Wochen
Register
Roda Roda: Aenni
Alfred Huggenberger: Das tote Wort
Hanns Theodor Karl Wilhelm Frh. v. Gumppenberg: Bescherung
Wilhelm Busch: Im Stall zu Bethlehem
 
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