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Der Gang aufs Eis

Jos. Wackerle (München)

Sausend und surrend in wechselndem Ringel
Schwingt sich das Jungvolk selbzweit und selbdritt—
Herz, du mein rüstiges, lüstiges Dingel,

Tatest und drehtest du heute nicht mit?

Jettchen und Nettchen, ihr flotten und flinken,
Laßt ihr die Schüler noch immer nicht los?
Seht ihr den Meister nicht warten und winken,
Ist euch das wirklich so tuttmamschos'?

Jettchen! mein Herz, es pocht wie ein Hammer!
Nettchen, ich komme! nun wird mir's zu dumm ..
Plötzlich von hinten mit knöcherner Klammer
Hängt mir's am Arme und reißt mich herum!

Base Ludmilla, die alte Nunkunkel,

Die mir schon lange die Ehe verspricht,

Hat mich erspäht — mit süßem Gemunkel
Schaut sie beglückt mir ins Angesicht!

Und mit dem mächtigen Großmuttermuffe,

Der von abscheulichen Wollwülsten starrt,

Holt sie nun aus zu dem zärtlichsten Puffe:
„Schäker, ich weiß schon, auf wen Du geharrt!

Komm, laß' uns schlittern da drüben, wo's frei ist,
Und wo die Seele der Seele sich freut —
Denn dieser Jugend Gehetz und Geschrei ist
Nichts für uns reife, vernünftige Leut'!"

Sassafrass

und wir üben alles hübsch ein, wie auf der
Bühne. Es wird ein Hauptspaß werden! Ein-
verstanden?"

„Nun gut... ich bin dabei. Ich sehe ein, daß
etwas Außergewöhnliches getan werden muß ...
wegen dieser Garrison. Und ich verlasse mich
auf Ihre Geschicklichkeit."

„Das können Sie . . . das können Sie!"
Er reichte ihr die Hand und verschwand.

Dem Nasen-Meyer ging alles nach Wunsch.
Er fand einen armen Statisten, den der Spaß köst-
lich dünkte und der sich für zwanzig Dollars bereit
erklärte, den Einbrecher zu mimen. Mit diesem
Statisten ging Nasen-Meyer am Donnerstag
Mittag zur schönen Nina.

__ „Hier ist unser Einbrecher," sagte er fröhlich.
„Fred Hartman heißt er, Statist . . . aber zur
Zeit ohne Stellung."

Hartman war ein schlanker junger Mann,
blond, von deutscher Herkunft offenbar, und
sehr lustig. Er gedachte, es einmal zu einem
„Stern" als Komiker zu bringen, sagte er.
Wenn Fräulein Wells vielleicht ihn irgendwo
empfeblen könnte... das versprach die schöne
Nina. Sie begriff, daß Fred die Gefälligkeit ge-
hörig ausschlachten wollte. Dann gingen sie ihren
Einakter (wie Meyer es nannte) genau durch.

Er hatte auch einen packenden Titel für den
Einakter: Der Einbruch bei der schönen Nina.

„Wie gefällt Ihnen der Titel?"

„Reizend, ganz reizend," erwiderte Nina.

Hartman sollte sich am Sonnabend den Haus-
schlüssel holen, damit er ungehindert ins Haus ge-
langen könne, sowie den Schlüssel zur Wohnung.
Beide Schlüssel mußte er im Schlafzimmer auf
die Kommode legen, damit sie nicht etwa bei
ihm gefunden würden. Dann mußte sie, sobald
er entdeckt war, ihrer schwarzen Zofe Hannah
klingeln, damit eine Zeugin des Vorfalls vor-
handen sei. Doch sollte Hannah nicht einge-
weiht werden. Er mußte inzwischen die Kom-
mode öffnen, alle Schubfächer durchwühlen und
die Schmucksachen aus dem schwarzen Ebenholz-
kästchen nehmen ... die in Wahrheit schon von
Nina herausgenommen und in dem Schrank
nebenbei verborgen worden waren. Alles andere
war seine Sache. Dann spielten sie das durch.
Es klappte wunderbar. Die drei vergnügten
sich herrlich.

„O wie prickelnd!" rief Nina in eitel Ent-
zücken. Jedes von ihnen verpflichtete sich,
strengstes Stillschweigen zu bewahren.

Nur Hartman hielt sein Versprechen nicht.
Noch am selben Nachmittag, als er mit seinem

Freunde Harrison Schenk in einer Broadway-
Kneipe saß, nahe dem „Imperial-Theatre", er-
zählte er ihm die Geschichte (unter dem Siegel
der Verschwiegenheit) und die Beiden hielten
sich die Seiten vor Lachen.

„Das kann Dein Glück werden," sagte
Schenk zum Abschied, „wenn sich Nina Wells
für Dich interessiert-"

Es war Sonntag Nacht. Die schöne Nirm
war schon gegen 10 Uhr nach Hause gekommen
(da sie Sonntag nicht zu spielen hatte) und hatte
ihrer Zofe Hannah gesagt, sie gedenke frühzeitig
zu Bett zu gehen. Hannah half ihr beim Aus-
kleiden und brachte ihr auf ihren Wunsch das
mattblaue Nachtgewand, das reizendste von allen.
Sie erwartete ja einen jungen netten Einbrecher
und andere Gäste, also mußte sie sich schön
machen. Dann schickte sie Hannah zu Bett. Sie
öffnete ihre Kommode und tat ihre Schmucksachen
in den Schrank nebenbei und schlüpfte ins Bett.
Erst wollte sie auf Hartman im erleuchteten
Zimmer warten, im Bette lesend. Dann aber
beschloß sie, den Einbruch so echt wie möglich
zu genießen. Sie drehte an dem Knopf für das
elektrische Licht neben dem Bett und das Zimmer
war stockdunkel. Wie aufregend das nun war
— wie himmlisch aufregend, so im Bett zu liegen
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Joseph Wackerle: Illustration zum Text "Der Gang aufs Eis"
Sassafrass: Der Gang aufs Eis
 
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