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Nr. 52

JUGEND

1908

und auf einen Einbrecher zu warten. Das feine
Silberftimmchen der Standuhr auf dem Marmor-
Kamin rief elf mal. Erft elf Uhr! Noch eine
ganze Stunde! Wie langsam die Zeit dahin-
schlich! Das feine Silberftimmchen der Stand-
uhr rief zwölf mal. Aber Nina vernahm es
wie ans der Ferne. Der Champagner, den sie
mit Charlie bei Martin zum Abendessen getrunken
hatte, tat seine Schuldigkeit. Schöne, junge
und tugendhafte Operettensängerinnen brauchen
nicht lange, um einzuschlafen. Das feine Silber-
ftimmchen der Standuhr rief wiederum — nur
ein mal. Halb eins.

Plötzlich fuhr Nina aus ihrem Halbschlaf
auf. Was war Das? Wie ein dumpfes Ge-
räusch hatte es geklungen. Als ob irgend et-
was im Zimmer umgefallen wäre. Ah — richtig,
der Einbrecher. Und jetzt vernahm sie ein neues
Geräusch, wie wenn Jemand ganz leise etwas
hinstellte, irgendwo.

„Ah — da sind Sie," flüsterte Nina. „Darf
ich das Licht andrehen?"

„Bitte schön," erwiderte ebenso leise eine
Männerstimme.

Sie drehte an dem Knopf für das elektrische
Licht neben dem Bett. Zm Augenblick ergoß
sich von dem Kronleuchter eine Lichtflut über
das Zimmer. Und in dieser Lichtflut stand —
nicht Hartmann. Ein Anderer stand da —
zwischen dem Fußende des Betts und der Kom-
mode, einen gewöhnlichen schwarzen Derbyhut
auf dem Kopf, fast elegant gekleidet, untersetzt
— mit einem roten gesunden und angenehmen
Gesicht, mit einem schwarzen Schnurrbart.

„Guten Abend — oder vielmehr Morgen!"
sagte der Mann leise mit einem freundlichen
Lächeln.

„Wer sind Sie?" fragte Nina. Sie saß
aufgerichtet im Bett, ganz blaß.

„Ich bin der Vertreter von Fred Hartman,
meinem Freunde. Er ist erkrankt, ganz plötzlich,
an seinem alten Magenllbel. So bat er mich,
den Einbrecher für ihn zu spielen. Er hat mir
Alles gesagt, so wie Sie es mit ihm und Herrn
Meyer verbredet haben. Ich heiße King —
Samuel King, Elektriker. Die zwanzig Dollars
für die Vorstellung (er lachte vergnügt)
wollen Fred und ich teilen, Fräulein
Wells. Aber wollen Sie nicht Ihrer
Zofe klingeln, damit Sie die gewünschte
Zeugin haben — wegen der Polizei
und der Reporter? Natürlich, wenn
Ihre Zofe kommt, die ja von nichts
weiß, richte ich einen Revolver auf sie.

Das macht einen wundervollen — ah,
da ist sie schon!" Im selben Augen-
blick, als Hannah in der Tür aus
dem Nebenzimmer erschien und einen
Schrei ausstieß, hatte er einen Revolver
auf sie gerichtet.

„Ruhe — keinen Ton!" gebot er
mit einer Stimme, die hart und
schneidend wie die eines richtigen Ein-
brechers klang. „Und nicht von der
Stelle rühren!"

Das war völlig gemäß der Ver-
abredung.

Im Gesicht der armen Hannah
wich das Schwarz einem häßlichen
Grau, ihre Augen rollten angstvoll
hin und her.

„Und auch Sie, Madame," sagte
er im selben Ton zu Nina, „machen
keinerlei Versuch, um Hilfe zu rufen,
so lieb Ihnen Ihr Leben ist. Ich
gehe jetzt zu dieser Tür hinaus, durch
die ich gekommen bin." Er zwinkerte
ihr schelmisch mit einem Auge zu.

Nina hatte sich beruhigt und ihre
Fassung wieder gewonnen. Hart-
mans Freund machte die Sache tadel-
los. —

„O Gott . . . o Gott!" sagte sie also und
rang die Hände. „Schießen Sie nicht. Nehmen
Sie lieber alles, was Sie wollen ... meine ganzen
Schmucksachen, nur schonen Sie mich!"

„Keine Angst, Madame! Unnötig schieße ich
nicht. Ich bin ein Einbrecher von Feingefühl...
zumal schönen und jungen Operettensängerinnen
gegenüber. Guten Morgen!"

Genau so hatte sie's mit Hartman verabredet.

Er lüftete seinen Hut und war hinaus.

Gleich darauf war Nina aus dem Bett und
verriegelte die Tür.

„Hannah . . . rasch . . . wir rufen um Hilfe!"

Sie stürzten an das Fenster, öffneten es,
riefen gellend um Hilfe. Im Hause, auf der
Straße wurde es laut. Männer kamen gelaufen.
Eine Polizisten-Pfeife kreischte durch die Nacht.
Unten wurde die Klingel gerissen, an der Tür
gerüttelt.

„Rasch . . . Hannah, hinunter und öffnen!"

Wenige Sekunden später stürzten drei Poli-
zisten und mehrere Nachbarn in dürftiger Klei-
dung ins Zimmer. Nina lag halb ohnmächtig
(nach Vorschrift) im Schaukelstuhl. Ein Polizist
besprengte ihr Gesicht mit Wasser und rüttelte sie.

„Was ist geschehen, Madame? Was ist ge-
schehen?"

Sie kam zu sich.

„Einbrecher . . . meine Schmucksachen... die
kostbaren Perlen der Lola Montez, die ihr der
König von. . . von . . . von Bayern geschenkt
hat. . . ich sterbe... ich sterbe."

Die offene Kommode, der offene Schmuck-
kasten sagte alles.

„Er hat uns mit dem Tode bedroht!" heulte
Hannah hysterisch. „Mit einem Revolver!"

„Wie sah er aus?"

Hannah beschrieb ihn, und was sie vergaß,
lieferte Nina. Zwei Polizisten stürzten wieder
davon. Als sich Nina und die Zofe endlich
beruhigt hatten, entfernte sich der letzte Polizist
mit Ausdrücken des Bedauerns und dem Ver-
sprechen, daß die Polizei Alles tun werde, um
des Einbrechers habhaft zu werden. Die Nach-
barn sprachen noch einige tröstende Worte und
zogen sich ebenfalls zurück.

Und nun erst bemerkte Nina, daß auch der
Schrank offen stand. Sie griff hinein. Der
Schmuck fehlte wirklich. Da fiel sie in Ohn-
macht -in eine nicht gespiene, gang echte

Ohnmacht.-

Den armen Hartman fanden sie nicht weit
von Ninas Wohnung auf einem leeren Bau-
platz, geknebelt. Seine Schwatzhaftigkeit hatte
sich böse gerächt.

Liebe Isugenä!

Es war in einer süddeutschen Universitätsstadt.
Schon bedenklich spät ging ich mit einem Freunde,
der etwas schwer geladen hatte, nach kjause.
Ulein Bekannter machte einen furchtbaren Urach,
was mir insofern recht unangenehm war, als
hinter uns ein Schutzmann auftauchte, der schon
Anstalten zum offiziellen Einschreiten machte. In
der höchsten Not kam ich aus einen verzweifelten
Ausweg. Mit laut vernehmbarer Stimme schrie
ich meinen Nachbar an: „Durfte ich Hoheit
darauf aufmerksam machen, daß jetzt ein Rinnstein
kommt." Mein Freund brüllte ruhig weiter —
aber der Schutzmann verschwand.

ck

Die Marineoffiziere sind meistens sprachge-
wandt, jedoch in der Erregung hapert es manch-
mal. — Es ist Ball an Bord in einem ameri-
kanischen Hafen, die Damen sind hübsch und man
hat viel getanzt. Einzelne paare sitzeil in lau-
schigeil Ecken, zwischen den friedlich geschmückten
8,8 cm Kanonen. Da hört man in einer plötz-
lichen stille die stimme des jüngsten Leutnants
„Please, give me a kiss behind the eight comma
eight gun!"

ö O *

Im Examen wird ein Kandidat nach der
congregatio librorum prohibitorum gefragt. Da
er katholisch war, hatte er sche'.nt's noch nie etwas
vom Index gehört, und übersetzte mm recht und
billig: Die congregatio libroEum pEohibitorum:
eine Bereinigung zwecks Verhütung des
Empfailgs inlehelicher Kinder.

*

Das Kavallerie-Regiment übt das
Durchqueren eines Stromes. Da es
nicht recht gelingt, wird ein Trompeter
an das andere Ufer geschickt, der das
„Futter sign al" bläst. Im nächsten
Moment schon sind alle Pferde im Master
Mld bald ist das Regiment anl anderen
Ufer.

Mir hatten im Seminar die erste
Psychologiestullde. Schon lange hatte!!
wir uns gefreut auf die (Offenbarungen,
die wir da zu erleben hofftell.

„Meille Damell," eiöffnete der Pro-
fessor den Unterricht, „wir haben nun
Psychologie. Psychologie heißt Seelen-
lehre. Aber wenn wir Seelenlehre
haben, müssen wir auch wissen, ob der
Mensch eine Seele hat. Hat der Mensch
eine Seele?"

Mir strengten uilsere J8jahrige Meis-
hcit mit Begeisterullg für und wider ail.

Aber der Professor schlug uns alle
mit seiner Fortsetzung: „Das ist alles
recht schön, was sie da Vorbringen, aber
ich will es ihneil sagen: Der Mensch
hat eine Seele: Denil wenn wir eine
Seelelllehre haben, muß es auch eine
Seele geben."

Die „NeujMsgans" des ReKruten 1 IIeubner

„Geschenkt ward nischt, ich were Ihn' awer die Gans bezahl'» -

was soll s'n kost'n?" — „Zwanz'g Fännge, Herr Feldwäw'l-"

„Hier hast de enne Mark — bring' m'r noch viere mit!"

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Index
Friedrich (Fritz) Heubner: Die "Neujahrsgans" des Rekruten
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
 
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