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„Vivat academia!“

(Zum Prozeß Mittler gegen „Bayer. Kurier".)

Dö kohlschwarz'n Maulwurf'

Kriagt ma überall z' fühl'n,

Den akademischen Boden
Duan s' am meisten durchwllhl'n!

Zum Kolleghör'n genügt
Nimmer d' Inskription,

Dös muaß der Bischof erlaub'n
Oder aa sei' Spion!

Die einzige Wissenschaft
Is die Theologie,

Alles andere san Allotria,

Kreuzschlagaradi!

Und der Staat macht der Kirch'n —
Dös is do' a Schand' —

Ergeben und geduldig
Dabei Ministrant!

Krokodil

#

3n Potsdam

Schloßxortier: „Fort dal was wünschen
Sie?"

Lastro: „Könnte ich nicht hier einen guten
Rriegsxlan gegen bjolland kriegen?"

»

Die taubenblütigen Tschechen

Im Prager Stadtrat versprach der Bürger-
meister vr. Grosch, alle Hebel in Bewegung zu
setzen, damit der Bummel und das Farbentragen
überhaupt verboten würden. Auch wolle er
das Ausland über Prag aufklären, das; die Deut-
schen allein die Störenfriede seien. Das Auf-
treten der Studenten müsse die tauben-
blütigen Tschechen aufregen. —

Wir sind in der beneidenswerten Lage, aus
den in Vorbereitung befindlichen tschechischen
Erklärungen an das Ausland folgende
wichtige Daten mitteilen zu können: „Es ist eine
elende Verleumdung, daß sich die Tschechen über
die farbentragenden deutschen Studenten irgend-
wie aufregen. Sämtliche Tschechen leiden viel-
mehr an Farbenblindheit. Nur der allge-
meinen Verzweiflung über diese nationale tschech-
ische Krankheit und einer daraus resultierenden
psychologischen Störung des Sensoriums ist es
zuzuschreiben, daß der schwerheimgesuchte Sohn
der Wenzelskrone mitunter in eine patholog-
ische Raserei gegen alles Farbige gerät. — Für
die taubenblütige Sanftmut des tschechischen
Mobs dürfte es schließlich wohl keinen vollgült-
igeren Beweis geben, als diesen: Wenn der Mob
einen deutschen Studenten halb tot geschlagen
hat, so wird er sich niemals weigern, denselben
zur Verkürzung seiner Qualen auch noch un-
verzüglich standrechtlich hängen zu lassen!"

Aus einem Schulaufsatz:

Der Fürst von Montenegro hat hunderttausend
Einwohner.

*

Kemesis

„Ganz recht geschieht mir! wie ich heut

das Pilsener Bier trunken Hab, Hab i mir ge-
sagt: Pilsener Bier ist tschechisches Bier und
wer das trinkt, verdient Prügel, — und da
Hab ich f auch schon!"

Her neue Plutarcb

Dem französischen Oberbefehlshaber in Ma-
rokko, General Lpautey, wurde einer von den
fünfzig Deserteuren der Fremdenlegion vorge-
führt. — „Nerl, warum hast Du das getan!?"
— „Ich Hab' mir gedacht, Herr General, wegen
Meuterei komm' ich ins Zuchthaus, und da
Hab' ich's dann besser."

*

Die Walküre*)

(Dritter Aufzug. — Dresdner Bearbeitung.)

Sieglinde-Rrull:

Rette mich Maid!

Rette die Mutter!

(Gelt da guckst du,

Daß ich nicht knie,
knirschendes Knochengerüst?)

Brünnhilde-wittich:

® fliehe denn eilig
Und fliehe allein!

(Rrull, Du krächzende Kröte,
wart' nur, wie Dich die Wittich
In der Pause verpulvert!)

Ich bleibe zurück,

Biete mich lvotan's Rache!

(kniest Du jetzt, knolliger Knirps?
Sonst hol' ich den Knüttel!)

An mir Zögr' ich

Den Zürnenden hier,

während Du seinem Rasen entrinnst.

Sieglinde-Rrull:

(Rutsch mir den Rücken lang,

Wittich, Du wüstes Weib!)
wohin soll ich mich wenden?

(Daß ich Dir nicht Dein dämliches Antlitz
Zerkratze! Kriege die Kränk'!)

Brünnhilde -wittich:

wer von Euch Schwestern
Schweifte nach Gsten?

(So, jetzt versohl ich Dich, Satan!)

(Sie gibt Sieglinde einen Knuff)

Sieglinde-Rrull

(tritt Brünnhilde auf die Hühneraugen):

Hier hast Du die Antwort,
hämischer Hausdi ach!
Versohlst Du Sieglinden,
Verbims ich Brünnhilden!)

(Der Intendant betritt feine Loge. Es war die
höchste Zeit.)

° Karl chen

*) Im Dresdner Hoftheater kam es während des
dritten Aktes der „Walküre" auf offener Bühne zu einem
erregten Wortwechsel zwischen Frau Wittich (Brünn-
hilde) und Frau Krull (Sieglinde), weil Frau Krull
vor der mit ihr Verfeindeten nicht den vorgeschriebenen
Kniefall machte.

*

Offiziöse Wahrheit

Es ging jetzt ganz gut, seitdem der Hof-
bericht vor seiner Veröffentlichung dem literar-
ischen Bureau des preußischen Staatsministe-
riums und dem Preßdezernenten des Aus-
wärtigen Amts zur Zensur vorgelegt wurde.

So war im Sommer 1909 auch folgender
Hofbericht zur Zensur gegeben worden:

„Seine Majestät haben heute die Fahrt in
die dänischen Gewässer angetreten. Das Ziel
der diesjährigen Erholungsreise ist das Nordkap."

Das Staatsministerium hatte Bedenken, weil
sich in Nord-Schleswig die alldänischen Bestre-
bungen wieder sehr breit machten. Das Mini-

sterium machte aus den dänischen Gewässern die
Gewässer des Mittelmeers und aus Nordkap
Korfu. —

Das Auswärtige Amt beaustandete dies.
Das Mittelmeer eigne sich bei den unklaren
politischen Verhältnissen des Orients nicht zu
einer Kaiserreise und eine Reise nach Korfu
widerspreche der von Bülow proklamierten Spar-
samkeit; das Amt machte deshalb aus den Ge-
wässern des Mittelmeeres dänische Gewässer
und aus Korfu Nordkap.

Zwischen dem Reichskanzler und dem preus-
sischen Ministerpräsidenten drohte ein ernster
Konflikt auszubrechen, der einem von beiden
das Portefeuille gekostet hätte; glücklicherweise
vermittelte der preußische Minister der Aus-
wärtigen Angelegenheiten zwischen den beiden
Gegnern. Es kam ein Kompromiß zustande,
indem man die mittlere Linie zwischen den dä-
nischen Gewässern und dem Mittelmeer wählte.
Der Hofbericht wurde in folgender Form ver-
öffentlicht:

„Seine Majestät haben heute die Fahrt nach
den Potsdamer Gewässern angetreten. Das Ziel
der diesjährigen Erholungsreise ist Wannsee."

Inzwischen dampfte der Kaiser nach dem
Nordkap. Frido

*

Tante Lily

(Lin pariser Chanson)

Frau Steinheil erfand eine „Tante LilY", der
sie angeblich die Zeit opfern mußte, die sie in
Wahrheit mit galanten Abenteuern ausfüllte. Diese
mystische Tante Lily ist schnell in Paris eine popu-
läre Scherzfigur geworden.

Ich bin kein Freund von alten Tanten,
Sie waren wirklich nie mein Fall.

Sie spielen stets die Gouvernanten
Und spionieren überall.

Doch eine alte Tante nehme
Ich aus, der ich Verehrung schwör':

Oh, Tante Lily, gue je t'aime,

()ue je t'aäore cle Wut man eoeur!

Mein Weibchen ist gar eifersüchtig.
Nehm' ich des Abends Stock und Hut,
Gleich inquiriert sie streng und wichtig:
„Wo gehst Du hin, Du Tunichtgut?"

— „Zu Tante Lily!" — „Oh, dann gräme
Ich keineswegs mich! Grüß' sie sehr!"

. . . Oh, Tante Lily, gue je t'aime,

()us je t'aüore cle taut mon eoeur!

Süß schwelgend schon im Vorgenusse,

Das Stückchen drehend höchst kokett,

Sitz' hoch ich auf dem Omnibusse
Der Linie: lVloulin cle Ouilette.

Daß ich die Ungeduld bezähme.

Pfeif' ich gefühlvoll vor mich her:

Oh. Tante Lily, gue je t'uime,

<)ue je t'aciore cle Wut mon eoeur!

Die reizendste der Tänzerinnen,

Die kleine Lily wartet mein.

Bald sitzen bei Maxim wir drinnen.

In schlanken Gläsern perlt der Wein.

Indeß ich sie beim Köpfchen nehme,

Hauch' ich, daß sie, nur sie — es hör':

Oh, Tantchen Lily, gue je t'aime,
Que je t’adore de tout mon eoeur!

Biin

Die neue Ramarilla wichst heimlich bas
Hof-Parkett, damit Bülow zu Fall kommt.
Der schlaue Ranzler geht seit einiger Zeit vor-
sichtshalber auf allen Vieren!
Register
Bim: Tante Lily
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Die neue Kamarilla
Monogrammist Frosch: Nemesis
[nicht signierter Beitrag]: Aus einem Schulaufsatz
[nicht signierter Beitrag]: In Potsdam
[nicht signierter Beitrag]: Die taubenblütigen Tschechen
Krokodil: Vivat academia!
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Frido: Offiziöse Wahrheit
Karlchen: Die Walküre
 
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