Nr. 2
JUGEND
1909
Kur unterwarf und ihm dann befahl: „Ziehen
Sie sich jetzt schleunigst an — wir müssen heute
unbedingt zu Cedernfett & So."
Im Auto suchte August Wilhelm Kuhlen-
kamp den verlorenen Schlaf nachzuholen. Wie
im Traume fühlte er dann, wie er in einem
Lift in die Höhe glitt, wie ein grünlicher Diener
eine Tür öffnete, und wie er endlich einem
kleinen dicken Herrn vorgestellt wurde, den der
Manager mit „Cedernfett" anredete. Wie aus
einem närrischen Katerdusel drangen die Stimmen
des Managers und des kleinen dicken Herrn in
seine Ohren:
„Sic wünschen?" —
„Ein Imponicrkabinett!!" —
„Für diesen Herrn?" —
„Für diesen Herrn!" —
„Die Grundzüge seines Charakters sind niir
bereits klar — geben Sie mir aber bitte doch
noch ein paar Stichworte!" —
„Gutmütig — etwas dämlich — Nordwcst-
deutschland — Erdgeruch — Heide — Unend-
lichkeit — westfälische Wurst — starke Knochen
— guter Appetit —! Determiniert wird der
Mann durch einen Münchner Aufenthalt, der
ihm ein Bierherz und ewigen Optimismus ein-
brachte, die Beide in Nihilismus enden..
„Für einen Charakter dieser Art haben wir
zur Zeit etwas Reizendes aus Lager —" tönte
die Stimme des Herrn Cedernfett, „wollen die
Herren die Güte haben, mir zu folgen!"
Und sie schritten durch lange Gänge. . .
„Die Schneiderateliers — die Schmiedewerk-
statt für Theaterwaffen — die Malerateliers —
die Probierkabinette —" erläuterte Herr Cedern-
fett im Vorbeigehen, und Kuhlenkamp folgte —
verduselt und nichtsahnend.
„Hier sehen die Herren eins meiner berühmten
Imponierkabinette; diese geniale Erfindung
kommt wie keine andere den Bedürfnissen un-
serer Zeit entgegen. Sehen Sie, dieses haben
wir für den berühmten Dramatiker N. geliefert."
Und Herr Cedernfett öffnete eine kleine Tür.
Sie sahen in ein einfaches Gemach mit einer
Verkleidung aus Kienholz. Auf den Borden,
die rings herum liefen, stand Lausitzer Tonge-
schirr; um einen Tisch aus Tannenholz standen
vier primitive Holzstühle, und auf dem Tische
dampfte eine irdene Schüssel mit Kartoffelklößen.
„Der Dampf ist meine neueste Erfindung,"
sagte Cedernfett mit bescheidenem Stolze, „die
Schüssel wird fortwährend auf elektrischem Wege
geheizt. Kann man die schlichte Größe dieses
Mannes besser zur Geltung bringen als es hier
geschieht? Fühlt man nicht seine fortwährende
Verwandtschaft mit dem Volke durch diese ewig
rauchende Schüssel?" —
Darauf öffnete Herr Cedernfett ein zweites
Gemach. Dessen Wände waren mit einem klein-
musterigen, rot und grünkarrierten Wollenstoff
bespannt, wie ihn die Bauernmädchen zu Unter-
röcken verwenden. Aus dem üppig geschweiften,
vergoldeten Rokokoschreibtisch standen Gläser
mit Spiritus, in dem Embryos herumschwammen.
Die Augenhöhlen eines Totenschädels dienten
als Tintenfässer, und sein Gebiß war zum Feder-
halterständer ausgenutzt. Von der Decke herab
schwebte der Rumpf einer weiblichen Mumie,
und an die Wände waren die Gipsmasken von
tödlich Verunglückten genagelt. Oben an der
Decke saßen einige Geckos und starrten mit
ihren großen Kugelaugen herab. Vor jedem
der beiden Fenster aber hing je eine geschliffene
Kugel aus Kristall, in das eine grünliche Substanz
eingelassen war, und da die Fenster nierenförmig
ausgeschnitten waren, so schien es, wenn man
sich an den Raum gewöhnt hatte, ~~ so weit
gewöhnen bei solchem Raum möglich ist — als
wenn zwei Augen eines riesigen Tieres fort-
während auf die Insassen gerichtet waren.
„Nicht wahr, das ist eine hübsche Idee!" —
sagte Cedernfett, — „das gehört dem dämo-
nischen Dichter 2).. .."
„Alsdann — und hier sehen Sie das Ka-
binett des großen Naturdichters und Alpen-
steigers Z. . . ."
And Cedernfett öffnete eine dritte Türe.
Dieses Kabinett war wie eine Alpenhütte ein-
gerichtet. Zwei ungemachte Betten mit bunten
Kattunüberzügen standen in den beiden dunklen
Ecken. An den Blockhauswänden hingen Pfeifen,
Eispickel, Rucksäcke und schmutzige Lederhosen.
Aus dem Herd kochte eine Erbswurst. Es stank
überzeugend nach Schlafdunst, Enzian und Essen.
Drückte man auf einen Knopf, so sing ein un-
sichtbares Grammophon an zu jodeln.
„Nach diesen Leistungen bin ich denn doch
gespannt, was Sie meinem Schützling zugedacht
haben," bemerkte Chluwitzky.
„Etwas ganzApartes! "schmunzelte Cedernfett.
Er öffnete abermals eine Türe.
Sie traten in ein enges Gemach.
Unter dem breiten Atelierfenster, das die
Vordcrwand restlos einnahm, stand ein Feld-
bett, auf dem nur eine einzige, mißfarbene
haarene Decke lag. Fast der ganze übrige
Raum war von einer Blechwanne okkupiert,
die in den Boden eingelassen war. Daneben
mar ein Boxball eingespannt, und um sic herum
lagen schwere Gewichte und Turnkeulen. In der
Hinteren Ecke ruhte auf einem Bocke ein Bier-
faß, in einer anderen Ecke standen unzählige,
dickbauchige Boxbeutelslaschen. Am Fuße des
Bettes war ein kleines Tischchen mit einem
Aufnahmephonographen aufgestellt, der sich leise
knarrend drehte.
„Nun, was sagen Sie?" sprach Herr Cedern-
fett August Wilhelm Kuhlenkamp an. „Sie
müssen die Herren von der Presse natürlich in
Badehosen empfangen. Sie erklären diesen
Herren, daß sie zugleich Müllern und dichten.
Darin beruht Ihre Originalität. Das ist die
besondere Note, die Sie alsdann vor anderen
Literaten auszeichnct. Passen Sie auf, in drei
Tagen sind Sie populär! Dann können Sie an
Vorschüssen fordern, so viel Sie wollen."
„Was! In diese Irrenhauszelle soll ich mich
setzen?" schrie der Dichter Kuhlenkamp in hef-
tigster Angst — „in dieser Irrenhauszelle soll
ich vielleicht sogar auch noch arbeiten? — Was
verlangen Sie denn eigentlich noch alles von
mir?"
„Das wird sich alles mit der Zeit machen,"
beruhigte Cedernfett auf das Liebenswürdigste.
„Jedes Zeitalter formt sich eben seine Dichter!"
„Ich will aber nicht!" brüllte August Wilhelm
Kuhlenkamp —
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß er
etwas dämlich ist," warf der Manager ein.
„O, auch darüber kommen wir weg," sagte
Cedernfett.
Als der Dramatiker Kuhlenkamp ein paar
Stunden später im Restaurant saß und ein un-
geheures Mittagessen vertilgte, dachte er, er
wäre wirklich über die Sache weggekommen,
ja, er zweifelte sogar, ob das Ganze etwas
anderes gewesen wäre, als die Ausgeburt eines
törichten Katertraumes.
Am übernächsten Tage aber las er in
allen Zeitungen fettgedruckt: Interview mit
August Wilhelm Kuhlenkamp, dem Dra-
matiker der Zukunft. „— And überall
wurde er als entzückender junger athletischer
Mann geschildert, der zugleich müllerte und
dichtete. Man nannte das Kunst, die sich aus
der Vollkraft und Exaltation des Körpers los-
ringt, und nur einige gehässige Individuen
sprachen verächtlich von Muskeldramatikk"
Kuhlenkamp lief entrüstet zu seinem Manager.
„Was wollen Sie denn eigentlich," sagte dieser
ganz ruhig, „ich habe Ihre künstlerischen Ge-
fühle geschont und Sie nicht persönlich belästigt.
Ich habe die Idee für Sie gekauft und einen
Turner gemietet, der Ihnen ähnlich sieht. Der
hat die Presse für Sie empfangen müssen. Sie
sind ein undankbarer Mensch! Aebrigens —
was kümmern Sie sich um das Geschäftliche?
Das ist meine Sache! — Dichten Sie gefälligst!
. Zu etwas Anderem sind Sie ja doch nicht zu
gebrauchen!"
Und damit war die literarische Prägung
August Wilhelm Kuhlenkamps vollzogen.
Friedrich
Schwcsterlei»
Schwesterlein, was Hab ich Angst um dich,
Deine heißen Augen schrecken mich.
Ach, sie hängen gern an Glanz und Schein,
Schwesterlein, was wird das Ende sein?
Schwesterlem, ach, einmal bist du fort
Ohne Kuß und ohne Abschiedswort;
Zog der Glanz dich in die weite Welt,
Vis an ihm dein kurzer Traum zerschellt.
Schwesterlein, dann kehrst du blaß
und krank,
Bietet keiner Speise dir und Trank,
Ich allein steh weinend vor dem Haus:
Schwesterlein, du müdes, ruh dich aus!
Leo Heller
Wahres Gcschichtcben
Lin Leutnant und ein Gymnasialassistent
sprechen von ihrer Arbeitsleistung und der schlechten
Bezahlung dafür durch den Staat. „Na wissen
Sie," sagt der Assistent, „für die viele geistige
Arbeit, die unsereiner zu leisten hat, müßte die
Bezahlung doch eine bessere sein als die für einen
Leutnant, der doch keine Aniversitätsbildung hat
und nur körperliche Erziehung der jungen Leute
ausübt!"
„Reden Sie man bloß keenen tlZnatsch," er-
widert der Leuttiant, „Sie sind zweimal im Examen
durchjerasselt, behalten Ihr halbes Leben die
Alaffe und quasseln den armen Aerls jeden
Tag mev5a, rnensas vor; det kann een Unter-
off'zier ooch lernen. Dazu brauchen Se hoffentlich
ooch keinen Ieistesaufwand! Aber für 2,70 Alark
Ichalt ist es eijentlich jerade jenug bei uns je-
arbeitet, wenn man det Morgens ufffteht und
bloß seine Uniform anlegt!"
— Otto Kayser, Breslau —
JUGEND
1909
Kur unterwarf und ihm dann befahl: „Ziehen
Sie sich jetzt schleunigst an — wir müssen heute
unbedingt zu Cedernfett & So."
Im Auto suchte August Wilhelm Kuhlen-
kamp den verlorenen Schlaf nachzuholen. Wie
im Traume fühlte er dann, wie er in einem
Lift in die Höhe glitt, wie ein grünlicher Diener
eine Tür öffnete, und wie er endlich einem
kleinen dicken Herrn vorgestellt wurde, den der
Manager mit „Cedernfett" anredete. Wie aus
einem närrischen Katerdusel drangen die Stimmen
des Managers und des kleinen dicken Herrn in
seine Ohren:
„Sic wünschen?" —
„Ein Imponicrkabinett!!" —
„Für diesen Herrn?" —
„Für diesen Herrn!" —
„Die Grundzüge seines Charakters sind niir
bereits klar — geben Sie mir aber bitte doch
noch ein paar Stichworte!" —
„Gutmütig — etwas dämlich — Nordwcst-
deutschland — Erdgeruch — Heide — Unend-
lichkeit — westfälische Wurst — starke Knochen
— guter Appetit —! Determiniert wird der
Mann durch einen Münchner Aufenthalt, der
ihm ein Bierherz und ewigen Optimismus ein-
brachte, die Beide in Nihilismus enden..
„Für einen Charakter dieser Art haben wir
zur Zeit etwas Reizendes aus Lager —" tönte
die Stimme des Herrn Cedernfett, „wollen die
Herren die Güte haben, mir zu folgen!"
Und sie schritten durch lange Gänge. . .
„Die Schneiderateliers — die Schmiedewerk-
statt für Theaterwaffen — die Malerateliers —
die Probierkabinette —" erläuterte Herr Cedern-
fett im Vorbeigehen, und Kuhlenkamp folgte —
verduselt und nichtsahnend.
„Hier sehen die Herren eins meiner berühmten
Imponierkabinette; diese geniale Erfindung
kommt wie keine andere den Bedürfnissen un-
serer Zeit entgegen. Sehen Sie, dieses haben
wir für den berühmten Dramatiker N. geliefert."
Und Herr Cedernfett öffnete eine kleine Tür.
Sie sahen in ein einfaches Gemach mit einer
Verkleidung aus Kienholz. Auf den Borden,
die rings herum liefen, stand Lausitzer Tonge-
schirr; um einen Tisch aus Tannenholz standen
vier primitive Holzstühle, und auf dem Tische
dampfte eine irdene Schüssel mit Kartoffelklößen.
„Der Dampf ist meine neueste Erfindung,"
sagte Cedernfett mit bescheidenem Stolze, „die
Schüssel wird fortwährend auf elektrischem Wege
geheizt. Kann man die schlichte Größe dieses
Mannes besser zur Geltung bringen als es hier
geschieht? Fühlt man nicht seine fortwährende
Verwandtschaft mit dem Volke durch diese ewig
rauchende Schüssel?" —
Darauf öffnete Herr Cedernfett ein zweites
Gemach. Dessen Wände waren mit einem klein-
musterigen, rot und grünkarrierten Wollenstoff
bespannt, wie ihn die Bauernmädchen zu Unter-
röcken verwenden. Aus dem üppig geschweiften,
vergoldeten Rokokoschreibtisch standen Gläser
mit Spiritus, in dem Embryos herumschwammen.
Die Augenhöhlen eines Totenschädels dienten
als Tintenfässer, und sein Gebiß war zum Feder-
halterständer ausgenutzt. Von der Decke herab
schwebte der Rumpf einer weiblichen Mumie,
und an die Wände waren die Gipsmasken von
tödlich Verunglückten genagelt. Oben an der
Decke saßen einige Geckos und starrten mit
ihren großen Kugelaugen herab. Vor jedem
der beiden Fenster aber hing je eine geschliffene
Kugel aus Kristall, in das eine grünliche Substanz
eingelassen war, und da die Fenster nierenförmig
ausgeschnitten waren, so schien es, wenn man
sich an den Raum gewöhnt hatte, ~~ so weit
gewöhnen bei solchem Raum möglich ist — als
wenn zwei Augen eines riesigen Tieres fort-
während auf die Insassen gerichtet waren.
„Nicht wahr, das ist eine hübsche Idee!" —
sagte Cedernfett, — „das gehört dem dämo-
nischen Dichter 2).. .."
„Alsdann — und hier sehen Sie das Ka-
binett des großen Naturdichters und Alpen-
steigers Z. . . ."
And Cedernfett öffnete eine dritte Türe.
Dieses Kabinett war wie eine Alpenhütte ein-
gerichtet. Zwei ungemachte Betten mit bunten
Kattunüberzügen standen in den beiden dunklen
Ecken. An den Blockhauswänden hingen Pfeifen,
Eispickel, Rucksäcke und schmutzige Lederhosen.
Aus dem Herd kochte eine Erbswurst. Es stank
überzeugend nach Schlafdunst, Enzian und Essen.
Drückte man auf einen Knopf, so sing ein un-
sichtbares Grammophon an zu jodeln.
„Nach diesen Leistungen bin ich denn doch
gespannt, was Sie meinem Schützling zugedacht
haben," bemerkte Chluwitzky.
„Etwas ganzApartes! "schmunzelte Cedernfett.
Er öffnete abermals eine Türe.
Sie traten in ein enges Gemach.
Unter dem breiten Atelierfenster, das die
Vordcrwand restlos einnahm, stand ein Feld-
bett, auf dem nur eine einzige, mißfarbene
haarene Decke lag. Fast der ganze übrige
Raum war von einer Blechwanne okkupiert,
die in den Boden eingelassen war. Daneben
mar ein Boxball eingespannt, und um sic herum
lagen schwere Gewichte und Turnkeulen. In der
Hinteren Ecke ruhte auf einem Bocke ein Bier-
faß, in einer anderen Ecke standen unzählige,
dickbauchige Boxbeutelslaschen. Am Fuße des
Bettes war ein kleines Tischchen mit einem
Aufnahmephonographen aufgestellt, der sich leise
knarrend drehte.
„Nun, was sagen Sie?" sprach Herr Cedern-
fett August Wilhelm Kuhlenkamp an. „Sie
müssen die Herren von der Presse natürlich in
Badehosen empfangen. Sie erklären diesen
Herren, daß sie zugleich Müllern und dichten.
Darin beruht Ihre Originalität. Das ist die
besondere Note, die Sie alsdann vor anderen
Literaten auszeichnct. Passen Sie auf, in drei
Tagen sind Sie populär! Dann können Sie an
Vorschüssen fordern, so viel Sie wollen."
„Was! In diese Irrenhauszelle soll ich mich
setzen?" schrie der Dichter Kuhlenkamp in hef-
tigster Angst — „in dieser Irrenhauszelle soll
ich vielleicht sogar auch noch arbeiten? — Was
verlangen Sie denn eigentlich noch alles von
mir?"
„Das wird sich alles mit der Zeit machen,"
beruhigte Cedernfett auf das Liebenswürdigste.
„Jedes Zeitalter formt sich eben seine Dichter!"
„Ich will aber nicht!" brüllte August Wilhelm
Kuhlenkamp —
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß er
etwas dämlich ist," warf der Manager ein.
„O, auch darüber kommen wir weg," sagte
Cedernfett.
Als der Dramatiker Kuhlenkamp ein paar
Stunden später im Restaurant saß und ein un-
geheures Mittagessen vertilgte, dachte er, er
wäre wirklich über die Sache weggekommen,
ja, er zweifelte sogar, ob das Ganze etwas
anderes gewesen wäre, als die Ausgeburt eines
törichten Katertraumes.
Am übernächsten Tage aber las er in
allen Zeitungen fettgedruckt: Interview mit
August Wilhelm Kuhlenkamp, dem Dra-
matiker der Zukunft. „— And überall
wurde er als entzückender junger athletischer
Mann geschildert, der zugleich müllerte und
dichtete. Man nannte das Kunst, die sich aus
der Vollkraft und Exaltation des Körpers los-
ringt, und nur einige gehässige Individuen
sprachen verächtlich von Muskeldramatikk"
Kuhlenkamp lief entrüstet zu seinem Manager.
„Was wollen Sie denn eigentlich," sagte dieser
ganz ruhig, „ich habe Ihre künstlerischen Ge-
fühle geschont und Sie nicht persönlich belästigt.
Ich habe die Idee für Sie gekauft und einen
Turner gemietet, der Ihnen ähnlich sieht. Der
hat die Presse für Sie empfangen müssen. Sie
sind ein undankbarer Mensch! Aebrigens —
was kümmern Sie sich um das Geschäftliche?
Das ist meine Sache! — Dichten Sie gefälligst!
. Zu etwas Anderem sind Sie ja doch nicht zu
gebrauchen!"
Und damit war die literarische Prägung
August Wilhelm Kuhlenkamps vollzogen.
Friedrich
Schwcsterlei»
Schwesterlein, was Hab ich Angst um dich,
Deine heißen Augen schrecken mich.
Ach, sie hängen gern an Glanz und Schein,
Schwesterlein, was wird das Ende sein?
Schwesterlem, ach, einmal bist du fort
Ohne Kuß und ohne Abschiedswort;
Zog der Glanz dich in die weite Welt,
Vis an ihm dein kurzer Traum zerschellt.
Schwesterlein, dann kehrst du blaß
und krank,
Bietet keiner Speise dir und Trank,
Ich allein steh weinend vor dem Haus:
Schwesterlein, du müdes, ruh dich aus!
Leo Heller
Wahres Gcschichtcben
Lin Leutnant und ein Gymnasialassistent
sprechen von ihrer Arbeitsleistung und der schlechten
Bezahlung dafür durch den Staat. „Na wissen
Sie," sagt der Assistent, „für die viele geistige
Arbeit, die unsereiner zu leisten hat, müßte die
Bezahlung doch eine bessere sein als die für einen
Leutnant, der doch keine Aniversitätsbildung hat
und nur körperliche Erziehung der jungen Leute
ausübt!"
„Reden Sie man bloß keenen tlZnatsch," er-
widert der Leuttiant, „Sie sind zweimal im Examen
durchjerasselt, behalten Ihr halbes Leben die
Alaffe und quasseln den armen Aerls jeden
Tag mev5a, rnensas vor; det kann een Unter-
off'zier ooch lernen. Dazu brauchen Se hoffentlich
ooch keinen Ieistesaufwand! Aber für 2,70 Alark
Ichalt ist es eijentlich jerade jenug bei uns je-
arbeitet, wenn man det Morgens ufffteht und
bloß seine Uniform anlegt!"
— Otto Kayser, Breslau —