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Der neue Plutarcb

211« dev Expräsident von Venezuela in des
Klinik lag. trat eine« Morgens der Pros
Israel an das Lager des Patienten:

Hai

sch

Ein Interview

Im Interesse unserer Leser lassen wir Keinen
großen Mann uninterviewt, — auch den Henker
nicht, der von Wien nach Prag geschickt worden
war. Nach seiner Wiedcrankunft in Wien er-
klärte er unserem Vertreter:

„Lieber Herr, es ist heute kein Vergnügen,
Henker zu sein! Es gibt wohl keinen Beruf,
der so sehr darniederliegt wie der meinige. Die
Geschäfte gehen schlecht, sehr schlecht. So mancher
andere Mann, der auch während des ganzen
Wahres schwer uni seine Existenz Kämpfen muß,
at wenigstens in der Weihnachtszeit einen Aus
chwung des Geschäfts zu verzeichnen; wir
Henker haben auch kein Weihnachtsgeschäft.
Und der Staat, der es doch so gut könnte, hilft
uns nicht. Er brauchte ja bloß mehr Todes-
urteile aussprechen zu lassen; wir wollen doch auch
leben l Das Standrecht in Prag war ein Licht-
strahl in unserem trüben Dasein; ich hatte den
Strick schon gewetzt und glaubte, ich würde von
früh bis zum Abend mit der rechten Hand das
Richtbeil, mit der Linken den Galgen schwingen.
Ja, prost Mahlzeit! Wie kam's? Lieber Herr,
ich bin ein Deutscher, und kaum hatten die
Ezcchen dies erfahren, als sie mich boy-
kottterten. Sie gaben die Parole aus, kein
Ezeche solle sich von einem Deutschen hinrichten
lassen: lieber wollten sie der Polizei varieren.
Und so mußte ich unverrichteter Sache heim-
fahren. Ach, lieber Herr, Sie wissen nicht, wie
web Arbeitslosigkeit tut. Erbarmen Sie sich
doch! Wenn Sie sich vielleicht aus Gnade und
Barmherzigkeit nur ein einziges Mal von mir
hinrichten lassen wollten, so würde ich Ihnen
das nie vergessen."

Vas russische Schwert

„Brüder, mit dem Schwert kan» ich doch
keinen Rr.cg anfangen, da hilft selbst Schleife»
nicht mehr !"

Neue Ll'ebcssprache

In Paris sind die Schönheitspflästerchen wieder
Mode geworden: doch gilt jetzt die Beschränkung auf
ein einziges für besonders chik, das zwischen den
Schnltern getragen wird, und zwar sind Halb-
monde und kreisrunde Fleckchen am beliebtesten.

Hinterrücks im Gartengrase
Schleich' ich leise niich ans Liebcheii,
Spähend, welche Mondenphase
Heute schmück' ihr Schultergrübchen V

Ist's das letzte Viertel, wehe,

Weiß ich abgekühlt die Traute —

Traurig wcnd' ich mich, und gehe
Lautlos, eh' sie mich erschaute.

Erstes Viertel läßt mich wagen,

Ihren Augen mich zu zeigen,

Läßt mich hoffen, läßt mich sagen.

Was so laug' ich nmßt' verschweigen!

Doch des Vollmonds ganze Rundung
Spricht: „Ich will mich dir ergeben..."

Und in seliger Gesundung
Setz' ich einen Kuß daneben!

MnHMnt’i'»*»

„Runftkenner" des Reichstags

„Angela Jank, komischer Name! VornAngelo,
hinten Jank, vorn italienisch, hinten deutsch!
Soll ganz tüchtiger Maler sein, wohl verstanden,
Kunstmaler, nicht Stubenmaler. Mag ja sein,
aber unzurechnungsfähig ist er doch! Die Reichs-
tagswände hat er ausgemalt. Na, man muß
sagen, alles, genau wie bestellt; Lieferung genau
ordergemäß; aber unzurechnungsfähig ist der
Kerl doch I Wie konnte er solchen Mist malen,
wie die Reichstagskommission bei ihm bestellt
bat? Vom Künstler verlangt man doch, daß er
klüger ist wie die Reichstagskommission. Mußte
er nicht voraussehen, daß das Sujet nachträg-
lich nicht paffen würde? Und wenn der Kerl
schon Sedan malen wollte, hätte er doch wenig-
stens die Soldaten weglassen können. Stellt
der Mensch einen deutschen Soldaten in den
Vordergrund, der eine französische Fahne in den
Rinnstein senkt! In den Rinnstein! Unglaublich!
Herunter mit solcher Rinnsteinkunst!"

„Er,chrecken Sie nicht, Hcrr Castro, der
Dredit soll Ihne» abgcschnitten werde»!
Darf ich Sic chloroformieren 7"

Sport ist Mord

Der Mainzer Domkapitular vr. Bendix, der
das Kunstgeschäft Viktor v. Zabern aus den
Domhäusern herausgebracht hat, weil in den
Schaufenstern Nummern der „Jugend" ausge-
stellt waren, und der die modernen durchbrochenen
Blusen den Schlupfwinkel der Fleischeslust ge-
nannt hat, hat jetzt von der Kanzel den Sport
unt folgenden Worten gegeißelt: „Da lassen die
Eltern am Sonntag ihre Kinder hinausziehen
mit Rodel und Ski, mit Rudern tollen sie durch
die Welt und treiben andere dergleichen Tor-
heiten."

Torheiten nannte der milde, stets verzeihende
Domherr diese Taten, die in Wirklichkeit Ver-
brechen und Greueltaten sind. Man sage nicht,
daß solcher Sport die Gesundheit befördere. Der
Mühseligen und Beladenen, der Kranken und
Siechen nimmt sich der Herr an; darum soll
jeder frcmme Christ danach streben, diese himm-
lische Gnade zu verdienen und krank und siech
zu werden, denn der Kranken ist das Himmel-
reich, die Gesunden aber sind die Knechte des
Satans! — Darum fort mit allen Dingen, die
die Gesundheit des sündigen Leibes befördern
Je stärker der Leib ist, desto mehr neigt er zu
fleischlichen Lüsten, an die der Kranke und
Schwache nicht denken kann!

Kli<l (>

Arbeitslosenzählung

»Trösten wir uns, Aujust. Sojar Majestät
is ja jetzt z»m Nichtstun verdammt!"

Rleiderordnung im Reichstag

(Das Janksche Reichstagsbild wurde besonders
auch aus dem Grunde angegriffen, weil Kaiser
Wilhelm einen einfachen alte» Militärmantel trägt.)

0r. Arendt und Dr, pfciffcr: „wenn
Sie bei uns bleiben wollen, Majestät, müffcn
Sic sich schon zuerst vom Zcugfcldwcbcl Anton
v.Werner die ,erste Garnitur' geben lassen'"
Index
[nicht signierter Beitrag]: "Kunstkenner" des Reichstags
[nicht signierter Beitrag]: Arbeitslosenzählung
[nicht signierter Beitrag]: Ein Interview
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Das russische Schwert
Monogrammist Frosch: Kleiderverordnung im Reichstag
Julius v. Szeremley: Münchner Gespräch
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
Frido: Sport ist Mord
Sassafrass: Neue Liebessprache
Monogrammist Frosch: Ablösung vor!
 
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