Y
Icfjtei' sich wieder in die Kissen zurück. Es war
nichts. Wie sollten sich auch weibliche Karne-
valsmasken in sein ehrbares Zimmer verirren'?!
Oder doch'? — Der Geruch — der feine,
süße, rosenschwere Parfümgeruch blieb. Er
schnüffelte wieder, und dabei machte er die pein-
liche Entdeckung, daß dieser Geruch seiner Be-
schäftigung mit dem Einfluß der sinnlichen Wahr-
nehmungen (Geruch, Geschmack, Gesicht, Gehör)
aus die durch Erinnerungsvorstellungen hervor-
gernfenen Idcenassociationen bei Knaben im
Alter von 12 bis 14 Jahren nicht günstig war.
Aber er zwang sich zum Lese», als er plötzlich
durch ein leises Klopfen gestört wurde. Er
horchte auf. Kein Zweifel — es klopfte jemand
an seine Tür, und zwar an die Verbindungstür,
die zum Nachbarzimmer führte. Und ehe er sich
noch von seinem Erstaunen über diesen außer-
ordentlichen und merkwürdigen Vorfall erholt
hatte, ja ehe er nur etwas fragen oder etwa
gar Herein! rufen konnte, wurde die Tür von
außen geöffnet, und herein schlüpfte, lachenden
Mundes, mit appetitlich entblößtem Halse und
süßesten Beinchen, das Rokokofräulein. Sie trug
jetzt eine kleine Sammetmaske über Augen und
Nase. Den Zeigefinger der Rechten aber legte
sic warnend über die schmalen roten Lippen
und leise flüsterte sie: „Pst — nichts verraten!"
Sie sah wunderhübsch aus, das bemerkte
der moralische Oberlehrer auf den ersten Blick.
Aber,, sonst war er ziemlich fassungslos und
begriffsstutzig. Er genierte sich fürchterlich. Er
— ein Erzieher der Zugend, lag im Bett und
cmp,ing eine Dame! — Eine junge Dame! -
Eine Dame so recht zum Anbeißen niedlich!
Es war entsetzlich unpassend. Und plötzlich kam
chm schaudernd zum Bewußtsein, daß er sein
Nachtgewand die ganze Woche nicht gewechselt
hatte, und — er faßte sich mit jähem Schreck
nach dem Halse — richtig — der Kragenknopf
fehlte auch schon seit drei Tagen. Mit unge-
schickten, zittrigen Fingern bemühte er sich ver-
geblich, die Toga seines Schlafes so zusammen-
zuhalten, daß sie nicht allzuviel von seinen ada-
mitischen Forme» verriet. Er war so bestürzt
und verwirrt, daß er sogar einen schüchternen
Versuch machte, aufzustehen, ohne zu bedenken,
daß das die Gefühle einer Dame doch vielleicht
noch mehr verletzen mußte, als feine bisherige
Haltung. Und in der Tat rief die Kleine halb
erschrocken und halb tröstend: „Nein, bitte,
bleiben Sie. Es ist besser so. Sie genieren
mich gar nicht."
Und Lotterhos kroch gehorsam unter seine
Decke zurück, im Herzen die bange Frage wäl-
zend, was aus diesem verfänglichen und doch
nicht gerade unangenehmen Abenteuer noch wer-
den würde. Dabei hatte er wohl gehört, daß
ihr Stimmchen silberhell klang, aber das holde
Lächeln, das ihren Mäuschenmund umspielte,
wenn sie sprach, war nun gar zum Verzwer-
feln nett.
Und sie sprach weiter, während er sic wortlos
anstarrte wie das Wunder aus dem Fabellande.
„Entschuldigen Sie, Herr Oberlehrer, daß
ich zu so ungewöhnlicher Stunde bei Ihnen em
dringe. Aber ich hatte so große Sehnsucht.
Der also Angeredete wurde rot. Trotz seiner
1ö Jahre rot, wie einer seiner Sekundaner. Gr
wollte etwas erwidern, etwas Verbindliches von.
schmeichelhaft, Ehre und Freude. Aber er ver-
mochte es durchaus nicht. „
, „Der Karneval langweilt wich zum Sterben,
fuhr die Schöne so recht hilflos jämmerlich fort.
„Immer dieselben Albernheiten! Ich sehne mich
«ach einem ernsteil, klugen, gemütvollen Manne.
Des Oberlehrers Erröten nahm in beängsti-
gender Weise zu. Er fühlte deutlich, daß er
etwas erwidern mußte. Und so sagte er denn,
indem er mit der Rechten krampfhaft den fehlen-
den Hemdenknopf zu verdecken suchte, tlesslnntg
und vieldeutig:
Die Kleine schien das als auffordernde Zu-
stimmung zu nehmen. Sie trat näher und segle
«ch ohne langes Bedenken auf den Rand o.s
Mnlersonnwenlle am Feuchteck
51
W. Hely (Rosenheini)
Icfjtei' sich wieder in die Kissen zurück. Es war
nichts. Wie sollten sich auch weibliche Karne-
valsmasken in sein ehrbares Zimmer verirren'?!
Oder doch'? — Der Geruch — der feine,
süße, rosenschwere Parfümgeruch blieb. Er
schnüffelte wieder, und dabei machte er die pein-
liche Entdeckung, daß dieser Geruch seiner Be-
schäftigung mit dem Einfluß der sinnlichen Wahr-
nehmungen (Geruch, Geschmack, Gesicht, Gehör)
aus die durch Erinnerungsvorstellungen hervor-
gernfenen Idcenassociationen bei Knaben im
Alter von 12 bis 14 Jahren nicht günstig war.
Aber er zwang sich zum Lese», als er plötzlich
durch ein leises Klopfen gestört wurde. Er
horchte auf. Kein Zweifel — es klopfte jemand
an seine Tür, und zwar an die Verbindungstür,
die zum Nachbarzimmer führte. Und ehe er sich
noch von seinem Erstaunen über diesen außer-
ordentlichen und merkwürdigen Vorfall erholt
hatte, ja ehe er nur etwas fragen oder etwa
gar Herein! rufen konnte, wurde die Tür von
außen geöffnet, und herein schlüpfte, lachenden
Mundes, mit appetitlich entblößtem Halse und
süßesten Beinchen, das Rokokofräulein. Sie trug
jetzt eine kleine Sammetmaske über Augen und
Nase. Den Zeigefinger der Rechten aber legte
sic warnend über die schmalen roten Lippen
und leise flüsterte sie: „Pst — nichts verraten!"
Sie sah wunderhübsch aus, das bemerkte
der moralische Oberlehrer auf den ersten Blick.
Aber,, sonst war er ziemlich fassungslos und
begriffsstutzig. Er genierte sich fürchterlich. Er
— ein Erzieher der Zugend, lag im Bett und
cmp,ing eine Dame! — Eine junge Dame! -
Eine Dame so recht zum Anbeißen niedlich!
Es war entsetzlich unpassend. Und plötzlich kam
chm schaudernd zum Bewußtsein, daß er sein
Nachtgewand die ganze Woche nicht gewechselt
hatte, und — er faßte sich mit jähem Schreck
nach dem Halse — richtig — der Kragenknopf
fehlte auch schon seit drei Tagen. Mit unge-
schickten, zittrigen Fingern bemühte er sich ver-
geblich, die Toga seines Schlafes so zusammen-
zuhalten, daß sie nicht allzuviel von seinen ada-
mitischen Forme» verriet. Er war so bestürzt
und verwirrt, daß er sogar einen schüchternen
Versuch machte, aufzustehen, ohne zu bedenken,
daß das die Gefühle einer Dame doch vielleicht
noch mehr verletzen mußte, als feine bisherige
Haltung. Und in der Tat rief die Kleine halb
erschrocken und halb tröstend: „Nein, bitte,
bleiben Sie. Es ist besser so. Sie genieren
mich gar nicht."
Und Lotterhos kroch gehorsam unter seine
Decke zurück, im Herzen die bange Frage wäl-
zend, was aus diesem verfänglichen und doch
nicht gerade unangenehmen Abenteuer noch wer-
den würde. Dabei hatte er wohl gehört, daß
ihr Stimmchen silberhell klang, aber das holde
Lächeln, das ihren Mäuschenmund umspielte,
wenn sie sprach, war nun gar zum Verzwer-
feln nett.
Und sie sprach weiter, während er sic wortlos
anstarrte wie das Wunder aus dem Fabellande.
„Entschuldigen Sie, Herr Oberlehrer, daß
ich zu so ungewöhnlicher Stunde bei Ihnen em
dringe. Aber ich hatte so große Sehnsucht.
Der also Angeredete wurde rot. Trotz seiner
1ö Jahre rot, wie einer seiner Sekundaner. Gr
wollte etwas erwidern, etwas Verbindliches von.
schmeichelhaft, Ehre und Freude. Aber er ver-
mochte es durchaus nicht. „
, „Der Karneval langweilt wich zum Sterben,
fuhr die Schöne so recht hilflos jämmerlich fort.
„Immer dieselben Albernheiten! Ich sehne mich
«ach einem ernsteil, klugen, gemütvollen Manne.
Des Oberlehrers Erröten nahm in beängsti-
gender Weise zu. Er fühlte deutlich, daß er
etwas erwidern mußte. Und so sagte er denn,
indem er mit der Rechten krampfhaft den fehlen-
den Hemdenknopf zu verdecken suchte, tlesslnntg
und vieldeutig:
Die Kleine schien das als auffordernde Zu-
stimmung zu nehmen. Sie trat näher und segle
«ch ohne langes Bedenken auf den Rand o.s
Mnlersonnwenlle am Feuchteck
51
W. Hely (Rosenheini)