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Der Wein der Dcrliebren

(Le vin des amants)

Nach Baudelaire

Geliebte, wie leuchtet der Himmel heut!
Mich dünkt, auf einem Flügelpferde
Gleite» wir lustig über die Erde.

Die Glaser geben ein feines Geläut!

Wie Engel schweben wir durch das All,
Verschlungen durch ein rosiges Band,
Weit hinaus durch den blauen Kristall
In ein schimmerndes Märchenland.

Und die fächelnden Sommerwinde
Tragen uns heimlich ganz gelinde
Wiegend durch die seligen Räunie.

Und so schwimmen wir, ich und du,
Unserer süßen Heimat zu,

2» das goldene Land meiner Träume!

Adolf Schirmer

Die Sonne und die Heiligen

von Gerda Schwarz

Ganz sachte kam die Sonne in die alte Kirche
gehuscht. — Sie lief durch die vielen Kapellen
und Gänge, bis sie am Mittag den heiligen
Liborius erreicht hatte. Da ließ sie ihre goldenen
Haare lang herabwallen und reckte ihre feinen
Glieder. Und auf einmal saß sie auf dem braunen
Nacken des armen Heiligen und strich mit weichen,
warmen Fingercheu über seine eingefallenen Backen
und den großen Bischofshut.

Dem guten Liborius geschah dies nun zwar
jeden Tag, ausgenommen wenn es regnete, aber
es ärgerte ihn doch jedesmal von neuem. Gr sah
die junge Sonne schon immer von weitem komme,!,
— zuerst ruhte sie sich auf der schönen heiligen
Katharina aus, die auf der Neben-Säule gerade
wie er selbst auf einem gotischen Steinpostament
stand; über ihrem gekrönten Haupte war ein schön
durchbrochenes, spitzes Dach angebracht, das in eine
ganz kunstgerechte gotische Rose auslief.

Hier also, bei der heiligen Katharina, legte
die Sonne sich mit Vorliebe auf das zerbrochene
lvagenrad und umhüllte es mit ihren goldenen
weichen Haaren. —

Nach einer Weile huschte sie dann zum heilige»
Liborius und übermittelte ihm kichernd die ehr-
barlichsten Grüße seiner frommen Säulen-Nach-
barin. Und sie setzte sich neckend auf seine Schultern
und schlenkerte mit den Hellen Beinchen über sein
Gewand; dcr alte Heilige aber mußte ganz stille
halten. Seine hölzernen, schön blau gemalten
Pupillen starrten ärgerlich auf die alte Uhr, die
ihm gerade gegenüberhiug. Wenn da der größte
von den vielen Zeigern zweimal rund herum ge-
laufen war, glitt die Sonne zögernd nieder an
dem goldbemalten Bischofsstab des heiligen Libo-
rius, warf ihm noch einige Kußhändchen zu und
senkte sich für eine kurze weile auf den heiligen
Franziskus, der auf dem nächsten Pfeiler thronte.

Der hätte die Sonne wohl gerne noch länger
behalten; aber gerade wenn sie ihn ganz durch-
wärmt hatte, huschte sie leise lachend fort und
flog durch's Fenster hinaus. — Dann standen
die Heiligen wieder gerade und lichtlos da, würde-
voll blickten sie hernieder, wenn die Menschen
sie anriefen, und Niemand ahnte, daß sic in der
Sonne Strahlen golden aufleuchten konnten.

Einmal aber, eines vormittags war da ein
junger Priester, der die Drgel spielte. Und es
waren nicht die alten Kirchenlieder, deren herbe
Trauer die neuen Menschen ja nicht mehr ver-
stehen, die er erklingen ließ, sondern er spielte
jubelnd helle Melodien, die sich mit flatternden
Schwingen erhoben und die Putten an den Rokoko-

Altären mitrissen, also daß ihre dicken Engcl-
beinchen strampelten und tanzten.

Und die alten Heiligen wurden noch starrer
als sie es schon waren vor Entsetzen. Die blauen
Pupillen des würdigen Liborius schienen sich in
die vielen Uhrzeiger einzubohren, und der heilige
Franz von Assisi schaute bleicher drein denn je.

Und nun geschah etwas ganz Seltsames.

Als die Sonne nämlich in die Kirche geglitten
war und die jubelnden Klänge der Freude hörte,
da vergaß sie zum ersten Male seit ihrem Scheinen
ihren gewohnten Weg; an den dicken Engelchen
vorbei huschte sie zur Vrgel, legte sich auf die
Schultern des jungen Priesters und umspann ihn
ganz mit leuchtend goldenen Fäden. Er aber
spielte immer weiter, immer heller und schöner;
— und die Musik, die Freude und das Licht
feierten ein großes Fest. — Und plötzlich sprang
der junge Priester auf, — mit flatternder Soutane
lief er durch die hallenden Gänge der Kirche,
lachend saß das Licht auf feinen Schultern, die
dicken Putten tanzten hinter ihm drein, und die
Grgel tönte jubelnd nach. — So liefen sie in
den Frühling hinaus. —

Die Heiligen aber unter ihren kunstvollen
gotischen Dächern hatten an jenem Tage vergebens
auf die lustige Sonne gewartet, und ihre Gesichter
erschienen noch länger, noch grauer und noch
verdrießlicher als sonst. —

Die Hexe

Der Teufel tobt im Land — er stiftet Sturm —
Und übervölkert ist der Hcrenturm.

Jüngst brachten eine junge Frau sie ein:

Wie konnte die des Teufels Buhle sein?

Dem Herrgott und dem Eheherrn ergeben.
Lebt' wunschlos sie ihr Bürgerinnenleben.

Schlicht scheitelt' sie ihr reiches, dunkles Haar,
Sie wußte selber nicht, wie schön sie war.

Wie konnte die des Teufels Buhle sein?

— Man überwies sie noch zur Nacht der Pein.

Dumpf ist der Raum, von Blutgeruch erfüllt,
Dumpf dräut der Richter, ihrem Blick verhüllt.

Wirr dünkt ihr, rätselvoll, was er sie fragt',
Des Teufels Buhlschaft sei sie angeklagt.

Sie schüttelt stumm das Haupt, denn

was er spricht

Von Teufelsliebe, das versteht sie nicht.

„Man sah Euch nächtens durch den

Rauchfang glcitt’11

Und durch die Lüfte auf dem Besen reiten,

Zum Blocksberg ging der nackten Reise 3*^
Zum Hcreusabbatb, wildem Hölleuspiel."

„Ist das den» möglich?" frägt sie sanft und si'»-
„Die Jnkulpati» sich verstelle» will!

Ans Werk!" Man reißt die Kleider ihr

vom Le>b

Der Richter staunt: wie herrlich ist das Wrib-

Der Henker deutet lachend: „Hexenmal!
Gesteht, das spart Euch alle Folterqual."

„Ich kann nicht lügen," sagt sie und erbebt,
Wie sie am Seile stöhnend aufwärts schwebt-

Der Folterknecht die weißen Glieder streckt
Und qualvoll sie aus den Gelenken reckt.

Der Richter frägt aufs neu': „Wollt

Ihr gesteh'»'

Was habt Ihr auf der Teufelfahrt geseh'n?

Habt Ihr in brünst'gem Tanze Euch geschwungen
Hat er in wildem Minnen Euch umschlungen

Hat er, der ewig sei vermaledeit.

Zum Höllenliebesbunde Euch gefreit?"

Und frägt und frägt gemäß dem Hcrenhaninu'r,
Dem Teufelswerber in der Folterkammer.

Da wirb in all der Leib- und Seelenqual
Gar seltsam ihr zu Mut mit einem Mal.

Was man sie fragt', im Geist sie Alles sah:
Und wie im Traume sagt sie selig: „Ja."

Entschiede» ist ihr furchtbares Geschick,

Man schleppt sie in den finstern Turm zurück

Sie sinkt ermattet auf das feuchte Stroh,

Doch ihre Sinne lodern lichterloh.

Hellsichtig ward sie durch die Folterqual:

Ihr ganzes Leben dünkt ihr öd und schal;

Die höchste Lust, — sie war ein matter Trank.
Das lernt' sie ächzend auf der Folterbank.

Ein Wachtraum heiß und machtvoll sie umfängt,
Der alles Blut ihr nach dem Herzen drängt.

Und in des Turmes schwerer Einsamkeit
Hat sie dem Teufel sehnend sich geweiht,

Und als man sie auf offnem Markt verbrannt,
Hat sie als seine Buhle sich bekannt:

„Ihr Frauen, die Ihr jung und schön noch, hört!
Von Euren Männern werdet Ihr betört!

Lacht ihrer Ehr' und eklen Sittsamkeit,

Glück blüht Euch nur, wen» Euch

der Satan freit!

Doch was der Satan uns're Sinne lehrt.

Das ist ein Leben und das Brennen wert."

Dann taucht sie unter in den heißen Flamme»-
Die Menge staunt. Der Holzstoß sinkt zusamme»
Richard Graf Du Moulin-Eckart
Register
Adolf Schirmer: Der Wein der Verliebten
Gerda Schwarz: Die Sonne und die Heiligen
Gustav Schroeter: Vignette
Richard Graf Du Moulin-Eckart auf Hohenheim: Die Hexe
 
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