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Frühlingsreigen H. Enderlein (Dresden)

Josef Haydn

(gcb. I. April J732 - gcst. 31. tUai IS0S)

Seit sich Dein Auge schloß, verstrichen hundert Jahr;

Doch unverblichen grünt Dein Lorbeer immerdar.

Nicht nahm die Zeit zurück, was Dir die Zeit verliehen;
Treu blieb die Nachwelt Dir und Deinen Melodien,

Draus unvergänglich tönt, was Dir in Wald und Flur
Erklang: das ew'ge Lieb der schaffenden Natur.

Wenn wir, von Dir geführt, durch Lenzgefilde schreiten,

Der Sterne Wandel schau'n, den Gang der Jahreszeiten —
Wenn Du die Schöpfung malst und die Geburt des Lichts,
So lauschen wir noch heut entzückten Angesichts.

Manch edle Form, darin die Tonkunst sich uns kündet,

Als Erster hast Du sie geschaffen und gegründet.

Und wo das Volk sich eint in vatcrländ'schem Drang,
Braust mächtig wie voreinst Dein Deutscher Hymnensang.
Mit zarter Innigkeit weiß uns Dein Werk zu rühren.

Und laßt dazwischen doch die helle Schalkheit spüren;

Guckt hier und da vom Zopf ein Endchen wohl hervor,
Geschiebt's mit Anmut auch und neckischem Humor.

Ja, Deine Kunst war echt! — und schlicht in ihren Mitteln!
Die neue, scharfe Zeit, sie darf Dich nicht bekritteln;

Schilt Dich ein heutiger mitleidig „alten Herrn" —

Du selber warst einmal den Alten zu modern!

Es rühmten Dich dafür, die Deinem Geist entsprossen:

Es nannten Dich „Papa" die besten Kunstgenosse». —

So wie ein lichter Quell die goldnen Ströme traukt,

Haft Lehre Du ins Herz der Trefflichsten gesenkt.

Doch Du, dem, was er schuf, galt als Geschenk von oben,
Bescheiden bliebst Du stets beim Tadeln wie beim Loben;
Selbst als der Briten Volk bestaunte Dein Genie
Und pries Dein Werk, obwohl es malle in Qsrmany.

Von Dürftigkeit bedrückt, von Fürstengunst getragen,

Blieb Dir Dein Frohmut treu in gut' und bösen Tagen,
Denn Dir zu eigen ward, bewahrt in Ernst und Scherz,

Des Genius bestes Gut: ei» kindlich warmes Herz. —

Und wird die Welt uns stets um uns're Meister neiden.

Wer ihre Namen nennt, beginnt mit „Vater Haydn."

Helene Raff

Wir waren jung — und Lenz und Sonne war
Und unsre Herzen, unsre Wangen glühten
Und bunte Kränze trugen wir im Haar
Und Rain und Hag war übervoll von Blüten.
Ein Meer von Primeln sättigte die Luft
Mit seinem süßen, leisen Pfirsichduft
Und wandelte in Goldbrokat die Matten —
So lagen wir am Waldrand hingestreckt.

Das junge Blut von Schönheit aufgeweckt,
Grünüberflutet von der Buche Schatten . . .

Wir waren jung und Lenz und Sonne war:
Maifrische Mädchen zierten unsre Schar
Und Burschen waren wir mit straffen Gliedern;
Auch eine Laute gab's in unserm Kreis
Und durch das helle Lachen scholl es leis
Von altvertrauten, träumerischen Liedern.
Dazwischen tollte wilder Uebermut
In Reigenspielen hin, in Flieh'n und Haschen —
Und mählich wob mit wunderfeinen Maschen
Ein zärtlich Netz zusammen Paar und Paar;
Ein Flüstern klang: Du — Du — ich bin

Dir gut! —

Wir waren jung und Lenz und Sonne war I —

Der Schatten

Das hatte manche Stunde schon gewährt,
Glücksrausch und Sehnsucht hatten uns

umwobcn

Und jedes Ding vergoldet und verklärt,

Zu freier Höhe jedes Herz gehoben —

Da sprang mit Lächeln jetzt mit einem Mal
Die Schönste auf aus unsrer Mädchen Zahl,
Ein lichtes Wesen, zart und fein gestaltet
Und schlank und biegsam wie ein Weidensproß.
Um ihre jugendreinen Glieder floß
Lichtblaue Seide, hundertfach gefaltet
Und aus den bernsteinblonden Locken lag
Ein Veilchenkränzlein, just gepflückt im Hag.

Der Lautenspieler fand auf seinen Saiten
Ein feines Tanzlied. Und nun schwebte sie
Beflügelt hin im Takt der Melodie —

Ein Tanzen kaum, ein Fliegen wars, ein Gleiten.
Kaum daß ihr Fuß die Blütenstengel bog,
Wenn sie, so leicht wie Engel, drüber flog!
Musik war jede liebliche Bewegung,

Kein Hauch von Absicht und von Ueberlegung,
Sie war der Frühling, war die Iugendlust,
Die Schönheit selber, rein und unbewußt.

So schwebte sie in anmutvollcn Schlingen
Und Kreisen hin, vom Abendsonnenglanz
Lichtüberströmt — und Aller Blicke hingen
Gebannt und träumend an des Mädchens Tanz..

Doch seltsam: war die Luft so lau und weich,
Die uns umwehte? War die goldne Stunde
An Wundern, Glanz und Schönheit allzureich?
Allmählich überkam es unsre Runde,

Wie Müdigkeit und Ahnung sanfter Trauer —
Verklungen war des Festes Saus und Braus,
Ein Lächeln löschte nach dem andern aus —
Es hauchte jäh ein fremder, kühler Schauer
In unsrer Freude warmen Sonnenschein,

Ein rätselvoller Schatten fiel herein

Aus fernem Dunkel. Und wir wurden stumm

Und wußten nicht und fragten nicht: warum?

Die Laute schwieg. Eratmend und befangen,
Rotrunde Röslein auf den heißen Wangen,
Stand unsre Freundin still — und sah genetzt
Von blanken Tropfen manche Wimper jetzt
Und fand, nun war die Wehmut aufgewacht,
Wo Uebermut und Jugend erst gelacht!
Register
Fritz Frh. v. Ostini: Der Schatten
Helene Raff: Joseph Haydn
Karl Enderlein: Frühlingsreigen
 
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