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(Besitz Galerie Alberto Grubicy, Paris)

Pferd auf der Alpenweide

Giovanni Segantini *J*

etwas unwiderruflich von ihm fortgeglitten war,
etwas Lichtes, Leichtes, wunderbares, das nie-
mals wiederkommen sollte.

Der wagen blieb stehen.

Der Kirchhof mit seinen Hügeln und Kreuzen
lag ganz unten am Wasser. Meeresstürme hatten
das Gold von den dünnen Kronen der Ahorn-
bäume geschüttelt, und es lag in dem Kies der
Wege verstreut. Die Brandung schlug an die
grauen Steinmauern. Die Träume der Toten
wurden von den Liedern jenes Meeres gewiegt,
das sie im Leben befahren hatten. ..

Drei Schaufeln Erde raffelten auf den Sarg-
deckel ... Noch einmal sah der reiche müde Fremd-
ling, der unechte Sohn der Großstadt, seines Lebens
Leere so entsetzlich klar, daß seine Kniee zitterten
und er vernichtet den Namen der Toten mur-
melte. Zum letztenmal regte sich das Kind in
ihm. Stöhnend schlug es seine Augen auf und
starb mit einem Schaudern. . .

Noch am selben Abend reiste er nach dem
Süden. Schlaflos lauschte er den Stößen der Ma-
schine und sah die dunklen Wälder vorüberwirbeln.
Das Brausen des wartenden Kontinents im Ohr
floh er Hals über Kopf, fort von sich selbst.

(Aus dem Schwedischen übersetzt von )N. Franzos)

»

Der melancholische Prinz

von Anna Breitenfeld

Der junge Prinz Tsung-Tsing hatte immer
melancholische Augen und ein schweres Gemüt.
Er konnte nicht vertragen, daß in seiner Nähe
gelacht wurde. Darum wurde sein Hofmeister
beauftragt, ihm eine kleine Freundin zu suchen,
die in jeder Lage des Lebens ernst bleiben könne.
Die Wahl fiel auf die reizende poung-poung mit
ihrem Goldhaare, die niemals lächelte. Der Prinz
verliebte sich in ihr Goldhaar und besonders in
ihre Melancholie.

Eines Nachts konnte er nicht schlafen und
war schwermütiger, als gewöhnlich. Er ging bei
Morgengrauen zu seiner ernsten Freundin, um sich
von ihr trösten zu lassen, und ihr Goldhaar zu
liebkosen. Da er den Schlüssel zu ihrer Wohnung
hatte, brauchte er sich nicht erst anmelden zu
lassen und trat direkt in ihr Schlafzimmer ein.
Es war noch finster, die seidenen Vorhänge Herab-
gelaffen und der Prinz tastete sich vorwärts bis
zu ihrem Bette. — Aber es war leer; die schöne

poung-poung saß bereits im Bade. Er war so
traurig, daß er warten mußte und dabei doch so
gerührt von der Wärme, die ihr Bett noch aus-
strömte, daß er weinend in die Kniee sank und
mit den feinen Bettlinnen seine Tränen trocknete.
Dabei stieß er ihr Nachtkästchen um. Nasch machte
er Licht, um alles wieder in Ordnung zu bringen.
Beim Scheine einer rosa Lampe gewahrte der Prinz
unter anderen Dingen, die am Boden umherlagen,
eine mit bunten Steinen besetzte Schale und da-
neben lag — ein goldenes Gebiß mit reizenden,
kleinen Zähnen. Nun wußte der Prinz, warum
poung-poung niemals lachte. Da lachte er aus
vollem Halse und war von seiner Melancholie für
immer geheilt.

Der Wandernde

Zeitlose Ewigkeit war einst dein Traum.

Längst wurdest du Zeit und wanderst

durch den Raum.
Du weißt, dein Weg ist nur ein kurzes Stück,
Dein Ziel der Abend. Doch dein Schritt ist Glück.

Wilhelm von Scholz
Register
Wilhelm v. Scholz: Der Wandernde
Anna Breitenfeld: Der melancholische Prinz
Giovanni Segantini: Pferd auf der Alpenweide
 
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