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Der Kropf Karl Arnold München)

,/n kräftiges Volk, diese Oberbayern/* — , Ja. Hber merkwürdig, wo sie den Biceps sitzen haben!“

Das Prophylaktikum

Port Georg (ßueri

Da ist ein ganz kleines Dörfer! in Tirol,
das heißt Pizzen und hat etliche vierzig Ein-
wohner. Die täten die hohen Feiertäg soviel
' gern in Ehren halten, die vierzig Leut, aber es
ist halt nix los in Pizzen an den hohen Feier-
tagen. Vielleicht trinkt einer ein paar Rötete
mehr an solchen Tagen und vielleicht tanzen sie
dann einmal auf dem Tennenboden — aber das
ist auch alles.

wenn sie wenigstens wohin gehen könnten
zum Gaudieren, die pizzener; aber das ist auch
nichts: nach Gratsammen sind's vier Stund —
und in Gratsammen ist ja auch nichts los —
und nach pfeirachen sind's gar sechs Stund, aber
da ist der Rötele gar nicht so gut als wie in
Pizzen, höchstens, daß man nach Saguz gehn
könnt, wo gerauft wird und wo man einem
noch die Augen mit dem Daumen ausdrucken
darf beim Raufen.

Darum müssen sie schon daheim bleiben an
den hohen Feiertagen, die pizzener.

Dann schauen sie, daß was mit dem Tanzen
zusammengeht auf dem Tennenboden. Und wenn
nachher auch die Zeit da ist, und die Rinder auf
die Welt kommen, überflüssigerweis, das ist ganz
gut für das Dörfl Pizzen. Dann wird es doch
auch einmal über seine vierzig Einwohner hinaus-
kommen. Und wenn einmal recht viel Rinder
da sind, wo das Tanzen dran schuld ist, dann
muß der Herr Bischof den Pizzenern doch einen
Pfarrer schicken, von wegen der Sündhaftigkeit
im Dörfl. Und für die vielen Rindl muß halt
dann auch ein Lehrer her.

Darm ist endlich was los in Pizzen; und die
Gratsammener kommen nach Pizzen, weil sie einen
guten Rötele haben wollen. Und die von Saguz,
weil die pizzener auch gern raufen und den
Daumen setzen.

Vorderhand aber — Du lieber Gott!

Rur einmal im Jahr schickt der Pfarrer von
Gratsammen seinen Rooperator nach Pizzen in
die alte Rapellen. Das ist am Rirchweihtag. Er
kommt gern, der Rooperator, weil der Pizzener
Rötele so gut ist.

Der Bader von Gratsammen kommt immer
mit dem Rooperator. Der Rooperator für die
sündhafte Seel, der Bader für den Leib.

Und wenn der Rooperator fertig ist, dann
fängt der Bader an.

Dann sitzen die Bauern auf der Rirchhof-
mauer und bekommen ihr Rlystier. Das ist ein
Prophylaktikum, sagt der Bader, und das muß
schon was besonderes sein und für ein ganzes
Jahr taugen von Rirchweih zu Rirchweih, wann
es einen solchen Namen hat, das Rlystier.

Und will auch ein jeder seine ordentliche Por-
tion daß sie herhält für das Jahr.

Zahlt auch gern ein jeder pizzener die zehn
Rreuzer, die der Bader verlangt.

Natürlich, der Eastozzer, der ein recht hab-
süchtiger ist, der Eastozzer hat sich einmal das
Prophylaktikum einspritzen lassen und hat nachher
gesagt: „Ein Geld Hab ich aber nit, Bader!"

„Ein Geld hast Du aber nit. Eastozzer?" hat
der Bader zurückgeben. „Glaub aber schier nit,
daß Du den Bader von Gratsammen wirst frozzeln
können, völlig nit!"

Spricht's, der Bader, und setzt dem Eastozzer
das Werkzeug wieder an und entzieht ihm das
Prophylaktikum wieder.

Und hat's dem nächsten pizzener verabreicht,
der Bader von Gratsammen.

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Karl Arnold: Der Kropf
Georg Queri: Das Prophylaktikum
 
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