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Naturtheater

(Zur Zeichnung von O. Geigender ge r)

Das war ein Morgen sommerschön
Im Garten Mirabell;

Vom linden Frühwind angewiegt
Sangen die Glocken hell.

Aus jedem Sternlicht am Jasmin
Schien klar ein Dropsen Tau,

Doch klarer war dein Augenlicht,

Du süße blonde Frau.

Dicht schloß verschwiegnes Heckengrün
Das Freitheater ein;

Ein Vogel huschte uns voran.

Wir waren beid allein.

Aus einer Steinbank saßest du,

Nahmst hold dein Kleid empor.

Ich trat aus LaubkuWen srank
Zur Himmelsbühne vor.

Was ich dir sprach, weiß ich nicht mehr;
Das weiß ich doch genau,

Du lagst mir plötzlich wild im Arm,

Du liebe schlanke Frau.

Und aus dem Spiele wurde Ernst.

Der Vogel schlug so hell.

Das war ein Morgen sommerschön
Im Garten Mirabell.

Franz Langheinrich

Der Barbier

Von Aodcr Aodcr

Muhammed — sallallahu alejlii \ve sellem —
der Abgesandte Allahs und bestätigte Erschrecker,
kam einst vor den Laden eines Barbiers, stieg
vom Roß und rief:

,Pe, Meister, scher mir mein heiliges Haupt —
aber flink, denn ich habe Eile, muß noch heute
siebenhundert Meilen von hier die Ungläubigen
besiegen."

Der Barbier breitete seinen besten Teppich aus
und lud den Gottesgesandten ein, Platz zu nehmen.

Dann tat er ihm einen blütenweißen Frisier-
burnus um, wetzte sein Messer und begann:

„Weißes Metier heute in der wüste."

Muhainmed — alejhi selam we sellem —
hörte nicht auf ihn, sondern verlangte nach einer
frommen Schrift — um auch diese kargen Minuten
nicht ohne Erbauung verstreichen zu lassen.

Aber der Barbier hatte nur das „Kleine
Witzblatt".

Der Prophet wies es zurück. Die Witze, die
darinnen standen, waren schon zur Zeit von
Muhammeds Geburt, 570 nach Christi, bekannt
gewesen.

Darauf versuchte der Meister, seinen Kunden
mit Gesprächen über die Vorgänge in Stambul
zu unterhalten. „Dö Jungtürken," sagte er, „saan
verfluchte Kerle."

Der Prophet forderte ihn auf, stumm sein
Werk zu tun.

Als es getan war, betrachtete der heilige sich
im Spiegel, war zufrieden und sprach:

„Bitte Dir eine Gnade aus für Deine Mühe
— aber rasch, ich habe Eile."

Der Barbier entgegnete bescheiden:

„Euer Gnaden wern eh scho wissen .. ."

„wird's?" rief Muhammed noch einmal —
ungeduldig —

Und der törichte Barbier antwortete noch
einmal:

„Aber, Euer Gnaden — nach Belieben!"

Da wandte sich der heilige unmutig ab und
ritt von dannen.

So haben die Barbiere die Gelegenheit ver-
säumt, sich die Gnade Allahs zu erbitten, und
ihr Kleingewerbe ist ohne Segen geblieben bis
,auf den heutigen Tag.

— 0. Wirscliing —

Am Tag der Schlacht

Geh hin, mein Traum, die Zeit ist allzu hart.
Zwar deiner Flügel Rauschen klingt mir süß;
Der Tag will's anders. S' ist nicht

Träumens Zeit.

Der Tag da, dessen Sonne so gewappnet,
Geschärfte Speere schwenkend zieht einher,

Das ist der Tag der Schlacht! Wohlauf! Wohlan!
Es gilt verwunden und verwundet werden,
Schwert will dem Schwert und Faust

der Faust begegnen,
Die Erd' will zittern und ihr Staub will tanzen,
Und dunkles Blut will in die Sonne rauchen —

Die Zeit ist allzu hart. Geh hin, mein Traum.

Wilhelm Michel

Zwei paar Füß

Dem Volksmund nacherzählt von Georg Gmeri

Der Zusam Jörgele hat seinem Weib nie
recht getraut.

„Sie wird's halt doch mit dein Knecht haben!"
hat er dem Feichtl gesagt.

„Kannst's ihr nit Nachweisen?"

„wie und auf welche weis soll ich ihr was
Nachweisen? Sie wird sich schier nit erwischen
lassen."

„Alsdann schaust halt fleißig nach im Bett.
Und wann zwei paar Füß im Bett sind, wird
sie halt nit allein schlafen!"

„Alsdann wird sie halt nit allein schlafen!"
hat der Zusam Jörgele gesagt und hat sich die
Geschicht gemerkt.

Einmal hat er einen recht scharfen verdacht
gehabt, wie sein Weib recht früh am Abend ist
schlafen gangen und wie er noch hat dengeln
müssen bis in die Nacht hinein.

Da ist er schnell in die Kammer gerannt.

„weible, und wieviel paar Füß sind im Bett?"

„Ich werd halt nur ein gotziges Paar haben!"
hat das weible gebrummt.

Da hat er nachgeschaut, der Jörgele. Richtig,
nur ein Paar Füß.

Aber einmal, da ist er aus dem Schlaf er-
wacht und hat gemeint, er erwischt sie auf der
Untreue.

Schau, es waren zwei paar Füß im Bett.

„weible, was tun die zwei paar Füß im Bett?"

Das weible ist erschrocken aufgewacht und hat
gesagt: „Schlafen sollen sie halt, die Deinen und
die meinen!"

Am andern Tag hat der Zusam Jörgele zum
Feichtl gesagt: „Du, wann in meinem Bett zwei
paar Füß liegen, dann werden's halt die meinen
sein und die von meinem weible!"

Sagt der Feichtl: „wann aber drei Paar Füß
im Bett liegen?"

„Drei paar Füß? Dann werden schon ein
paar dabei sein, die nicht in's Bett gehören. Drei
Paar Füß — itzt hast recht, Feichtl."

Der Zusam hat sich's wohl gemerkt mit den
drei Paar Füßen. Und einmal auf die Nacht
hat er was gehört im Schlaf und ist aufgewacht.

„weible, itzt sind's drei Paar! Itzt sind's
wirklich drei Paar Füß; ich kann's greifen mit
der Hand!"

„Nit wahr ist's!" hat das weible erschrocken
gesagt und hat dem Knecht die Decke über den
Kopf gezogen», „nit wahr ist's!"

Da ist aber der Zusam aus dem Bett ge-
stiegen und hat geflucht: „Und itzt will ich den
Sakermenter Herauskriegen!"

Und sucht das dritte Paar Füß, der Zusam.

„Siggra, saggra! weible, es sind nit mehr
als zwei Paar. Ich Hab Dir halt wieder schwer
Unrecht getan!"

Und steigt wieder in's Bett, der Zusam, und
schnarcht weiter.

In -einer Todesstunde

Und als du fühltest, daß du sterben mußt,
Und um dich her es immer dunkler ward
Und der Besinnung Pausen immer kürzer:
Da rafftest du die letzte Kraft zusammen,
Um mir für immer Lebewohl zu sagen.

Und mit dem letzten langen Abschiedsblick,
Drin alles Glück und alles Ungemach
Gemeinsam überstandner Lebensnöte
Noch einmal dämmerte — und mit

dem letzten Kuß,

Dem Siegel weher Herzergcbenheit,

Sankst du zurück. Der Tod, der bei dir stand,
Er duldete kein längeres Verweilen.

Er warf dich barsch aufs Sterbelager hin,
Dein Herz verkrampfend und dein Aug'

verdunkelnd,

Den Atem hemmend und die Lider brechend.
Du aber hast mit rührend schwacher Hand
Noch einmal tastend nach der Stirn gegriffen,
Um die verwirrten Löckchen glatt zu streichen . .

Ludwig Scharf

Dliviers Prahlerei

Von Anatole France

Kaiser Karl der Große und seine zwölf
Paladine nahmen in Saint-Denis den Pilger-
stab und machten eine Wallfahrt nach Jerusalem.
Sie warfen sich zu Boden vor dem Grab unsres
Heilands und setzten sich auf die zwölf Stühle
des großen Saales, allwo Jesus Christus und
die Apostel sich versammelt hatten, um das
heilige Meßopfer zu feiern. Danach pilgerten
sie nach Konstantinopel, denn es verlangte sie,
den König Hugo zu sehen, der ob seines hohen
Sinnes berühmt war.

Der König empfing sie in seinem Palaste,
unter einer goldenen Kuppel, darinnen Böge!
aus Rubin von wundersamer Kunstfertigkeit
auf smaragdenen Zweigen saßen und sangen.

Er lud den Kaiser und seine zwölf Grafen
ein, sich rings um die Tafel zu setzen, welche
mit Hirschen, Wildschweinen, Kaninchen, Wild-
Register
Otto Wirsching: Minne
Georg Queri: Zwei Paar Füß
Roda Roda: Der Barbier
Wilhelm Michel: Am Tag der Schlacht
Anatole France: Oliviers Prahlerei
Franz Langheinrich: Naturtheater
Ludwig Scharf: In deiner Todesstunde
 
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