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Weiser und Ruren

„Ich bin nun einmal so aufrichtig" —
sagst du. Wenn deine Aufrichtigkeit nicht auch
aufrichtet, hast du wahrscheinlich nur ein
böses Maul.

Wenn dir etwas Wunderbares und Neues
aufgeht, so sage es sa Niemandem. Denn
deswegen, weil es dir neu ist, ist es nicht
überhaupt neu; und dadurch, daß du es
einem andern sagst, geht es jenem noch nicht
ans. Es ist, wie wenn Kinder Schmetterlinge
fangen. Wenn sie die Hand öffnen, um sie
zu zeigen, flattert ein jämmerliches Ding mit
geknickten Flügeln davon, und in der Hand
liegt noch ein bißchen schillernder Staub.

Das wirklich Gute ist in sich selber ruhig
und sicher; aber auch das wirklich Böse.

Anton Fendrrch

F. Kozian

Aphorismen

Von Dr. Baer (Oberdorf)

Der kostbare Spiegel soll angenehmere Lü-
gen sagen als der billige.

Wenn in deutschen Landen einer eine
selbständige politische Meinung hat, so bildet
er für sich eine politische Partei.

Frage Tugend und Laster nach ihren
Eltern — und du wirst nianche Tugend
hinausjagen und vor manchem Laster den
Hut ziehen.

Mit falscher Münze dürfen ungestraft nur
die gleichen bezahlen.

Will der Irrtum, der Unsinn Orgien
feiern, so geht er unter die — Gelehrten.

Welch ein Glück, daß auf die Höhen
des Lebens keine Drahtseil- und Zahnrad-
bahnen führen.

Indische Aeise von Max Dauthcndey

IV. Jxobra und Mango

Ein Indier bat mich Tag um Tag, ob ich nicht einen

Kobrakampf nnt einem Mango sehen mag,
Wobei die furchtbar wilde Kobra stets dem viel geschickteren

Mango unterlag.

Ein munteres Mango, klein wie ein Murmeltier, rannte

an einer langen Kette rund um des Indiers Bein,
Als ob es keinen Blutdurst kannte und Furcht selbst hätte.

Ohne zu hasten, holte der Indier aus dem Kasten die Kobra,

die er eingefangen.

Und aufgcrichtet stand die schönste aller Schlangen

und blähte ihre Flügelhaut,

Als hält ein Weib, dem seine eigene Schönheit wohl bekannt

und wohl vertraut,

In ihrer Hand groß einen Fächer ansgespannt und stellt ihn

hinterm Kopf wie einen Heiligenschein,
Und lehnt sich ganz mit ihrem Leib im orientalischen Tanz zurück,
A.s wiegt sie sich im eigenen Glücke ein, daß jeder Grashalm

sich anbetend niederbicgt,
Und Liebeslust dem Weib auf halbem Wege schon entgegenfliegt.
Wie eine Göttin, welche ewig unbesiegt, so stand

die feine Kobra dort

Und tödlich spielte ihrer Augen schwarzer Schimmer.

„Master," bettelt am Boden immer fort der indische arme Mann
Und hält das Mango fest am Kettenband,

„Master, nur drei Nupi, ich lasse dann das Mango aus der Hand." —
Ich wollte keinen Kampf und Hab' mich abgewandt.

Das Mango aber schrie und spie schon Dampf.

„Nur zwei Rupi, wenn 's Mango töten soll," schrie auch

der Indier jetzt,

Wie toll von Schlang' und Mango anfgchetzt.

Die Kobra wie entsetzt stand senkrecht hoch gedreht.

Ihr Herzschlag durch den ganzen Leib sich wand,

Als ob ihr eine Hand am Bauch hin strich.

Der Indier unablässig nach mir ruft. Die Schlang nicht

aus ihrer Stellung wich.
Und sendet mit lanzettenfciner Zunge schnell Stich um Stich zur Luft.
„Nur zwei Rupi" schrie wiederum der Indier auf mich ein,

Und sein verhungertes Gesicht war bleich vor Angst

vorm Ja und Nein,

Als ob man ihm und nicht der Schlange das Todesurteil spricht.
Ich warf das Geld ihm hin und sagte: „Nimm,

doch laß den Kampf dann sein!"
Das ging ihm nicht in sein Gehirn und seinen Armutsinn.

Er legt die Hand tief dankend an die Stirn, und unter Schrei'n
Jagt er das Mango auf die Kobra ein.

Drei Sprünge flink im Kreis macht jedes Tier.

Die Kobra schlägt wie eine Peitsche wirr,
Ein feiner Pfiff, dann fegt der Kampf im Staub.

Mango und Kobra tanzen in Sprüngen irr, wie Geiseln

wild bewegt und aufgeregt.

Der aufgebäumte Schlangcnleib sich immer tiefer duckt,

das kleine Mango in den Zähnen schäumt.
Doch, eh die Schlange nochmals zuckt, ist sie

von seinen Zähnen schon erlegt.
Nur wenig dunkles Blut den Gartenstaub befleckt.

Das Mango, halb betäubt und noch gesträubt von Wut,

sofort den dunklen Saft des Opfers gierig leckt.
Mit einer kleinen Wunde im Genick liegt vor des Indiers

Armeleuteblick

Die schwere Kobra, die sich langsam sterbend streckt.

Der Indier steckt die silbernen Rupi, den Leichnam, der verreckt,
Und auch das Magno staubbedeckt in seinen Lederranzen.

Bor meinen Augen aber tanzen noch lang die Haß- und Angstgestaltcn,
Die sich zu Knäueln und zu Blutschweiß ballten.

Ich hörte noch im Ohr das Mango schnaufen,

Sah lange noch den kleinen, toten Schlangenhanfen.

Und schaudernd bin ich fortgelaufen, als wäre ich der Kobra

Rache jetzt gewiß,

Die Kobra, welche wie ein schönes Weib sich erst gebärdete

und ihre Grazie lvies,

Und die ich für zwei Silberstücke vor meinen Augen töten ließ.
Ich bat der Liebsten guten Geist, der fern: halte den Unstern fort,
Der jetzt von diesem Ort vielleicht als Schlangcnschatten

mit mir um die Erde reist.
Register
Dr. Baer: Aphorismen
F. Kozian: Zeichnung ohne Titel
Anton Fendrich: Reiser und Ruten
Maximilian Dauthendey: Indische Reise IV: Kobra und Mungo
 
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