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Ella Räuber (Pasing)

Junge Witwe

Rote Rosen
Weit und breit
In der liebelosen
Witwenzeit —

Sonne, Jugend
Um mich her,

Wenn die steife Tugend
Nur nicht war . . .

Außen Tränen,

Innen Glut

Und ein Frühlingssehnen
Tief im Blut!

Angefeiert,

Angeschwärmt,

Geh ich schwarz verschleiert
Und verhärmt —

Doch im matten
Glanz mein Blond
Goldig durch die Schatten
Spielt und sonnt. . .

Max Lewer

Medaille der Renaissance

So sah er aus, wenn er nach frischem Ruhm
Dem Volke, das vor ihm zu zittern sehnte,
Sich zeigte in dem jungen Herzogtum
Und lässig an dem Wappengitter lehnte.

Er achtet kaum das jauchzende Gewühl,

Er fühlt in seinem Haar den go dnen Reisen,
Und seine Wimpern sinken kaum so viel,
Verächtlich die Verächtlichen zu streifen.

Die schweren Brauen herrschen stolz und weit,
Ms ob sie schon den würdigen Feind

erspähten —

Doch Keiner sieht, wie in der Einsamkeit
Die Augen blickten, als sie flehten . . .

Ernst A. Bertram

vergessen

Er wollte sie vergessen.

warum?

Sie hatte ihn ja wohl nie geliebt, oder es
doch nie gesagt, Sie hatte diese heilige Sehn-
sucht nie verstehen wollen oder sicher nie ver-
standen, und dann war sie auch schon lange die
Frau eines Andern.

Es ist nichts natürlicher, als daß er sie ver-
gessen wollte.

Er ging in den Wald am Föhrenberg; dort
stand eine große Buche, um die ein kleines Bäch-
lein sich wand. Manchmal schoß ein Fisch durch
das silberklare Wasser. Und manchmal stiegen
Bläschen auf, weiße Bläschen, die sich vom Grund
loslösten, wo Brunnenkresse wucherte.

wilde Blumen standen am Ufer, und wenn
er dort stand, vergaß er das alles hinter sich:

Des Tages Müh und Plage, das Leid und
die Freude, die Sorgen und die Freude, Hoffnungen,
alles, die ganze Welt vergaß er da. Aber sie
vergaß er nicht, nein, er mußte erst recht an sie
denken.

Und dann ging er in eine große Stadt; da
war es ganz anders, als in dem einförmigen
Alltagsgetriebe auf dem Dorf. Da war viel Leben
und viel Lärm, und es kümmerte sich kein Mensch
um ihn. Da saß er in jeder freien Stunde am
Hafen des Kanals, wo immer wagen kamen und
waren verladen wurden; aber auch da konnte
er sie nicht vergessen.

„Ich babe viel zu viel freie Zeit," dachte er,
und er kaufte sich eine Bude mit großen Kunden
und ganz kleinen Pferden, und damit zog er
landauf, landabwärts Jahre lang und besorgte
alles ganz allein und trug zur Volksbelustigung
bei und war selbst nie lustig und mischte sich nie
unter das Volk.

Da er sie aber auch da nicht vergessen konnte,
so gab er das bald auf und trieb noch vieles,

alles mit Aufwand seiner ganzen Kraft,
und er war sparsam. Und zuletzt lei-
tete er eine große Fabrik, die sein Eigen-
tum war. Er war reich geworden und
hatte nicht nötig, in seinen alten Tagen
zu arbeiten.

Da saß er denn wieder in seinem
Heimatstädtchen, hatte sein kleines £?aus
und einen freundlichen Garten dazu,
ging jeden Tag zu den Blumen und
pflegte sie mit großer Sorgfalt.

hinter sich hatte er ein reiches Leben,
und er dachte oft über die Vergangen-
heit nach.

Von dem Bächlein im Walde, das sich um
die Buche schlängelte, wußte er nichts mehr.

Von der großen Stadt und dem Leben und
Treiben im Hafen am Kanal wußte er nichts mehr.

Er hatte ja viel große Städte gesehen. Kaum
wußte er noch, daß er einmal eine Bude besessen
hatte mit großen Hunden und kleinen Pferden,
und daß er einmal zur Volksbelustigung landauf
und landab gereist war, — das alles lag so weit
zurück, so weit, daß er sich fast nicht mehr er-
innern konnte.

Aber das wußte er noch ganz gut, daß er sie
einmal hatte vergessen wollen.

Fritz Sänger

Wabe ttäcbte

Ein armer Wanderer, niüd und wegverirrh
Weiß ich von Nächten, die sich zärtlich drängen,
Die, von Gespang den braunen Arm umklirrt,
Mit samt'nem Vorhang meine Spur verhängen.

Die leise lächelnd aus dem Dämmer seh'n,
Das dunkle Haar durchwirkt von roten Kränzen,
Und kommen, da die wilden Tage geh'n,

Und lieblich tun mit Träumen und mit Tänzen.

Von Nächten weiß ich, deren Stimmen nah
Wie Lieder hinter bronzenen Türen tönen,
Die meine Jugend schon in Sehnsucht sah
Und die nur sturmgeschlagene Schläfen krönen.

Victor Hardung

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Ella Räuber: Tannenzapfen
Max Bewer: Junge Witwe
Fritz Sänger: Vergessen
Victor Hardung: Nahe Nächte
Ernst August Bertram: Medaille der Renaissance
 
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