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Dis U/iedErtäufer

Tzene aus einem neuen Drama
von

Gerhart Hauprmann

(Ein Zimmer im Hause Knipperdollings zu Münster.)
Jan von Leyden

(auf dem Schneidertisch, eine Andacht beschließend):

. . . dies nenne ich wahrhaft in Gott versinken
Und Wasser des ewigen Lebens trinken.
(Bewegungen und Aufatmen der Zuhörer.)

Dusenschur:

Ich danke dir, Bruder, in Jesu Namen.

Heinz Grais:

Auch ich, Bruder Jan.

Jan von Leyden:

In Ewigkeit. Amen.
Hilla Falken (küßt Jan bewegt die Hand).
Jan von Leyden:

Weib, geh und sündige fürder nicht!

Ich will den Stein nit vom Boden fassen,

Den unser Heiland hat liegen gelassen!

Auch stehet geschrieben: Mein ist das Gericht.
Steh auf! —

Hilla Faiken:

Herr, laß mich zu deinen Füßen
Ewig himmlischen Mannas genießen.

Jan von Leyden:

Ich bin ein sündiger Mensch wie du.

Hilla Faiken:

Doch du schenkst meiner Seele die Ruh.

Nur möcht ich nit immer so müssig bleiben.
Sage mir, o du großer Prophet,

Wie kann ich das Rädlein Gottes treiben:
Durch Fasten, Geißeln oder Gebet?

Soll ich denn immer so müssig zuschauen,
Wenn sie das neue Zion aufbauen.

Und selber nit regen eine Hand?

Heißet mich eggen, graben das Land!

Heißet mich nackt vor die ganze Gemeinde
Treten und rennen wider die Feinde,

Mitten in Spieße und Schwerter hinein:

Ich will euch danken und benedei'n.

Denn wahrlich, ich kann es kaum erwarten,
Zu sehen den irdischen Himmelsgarten,

Zu kosten die Paradiesesfrucht.

In meinem Herzen brennt eine Sucht:

Für Christum zu jauchzen, zu Kämpfen, zu

sterben...

Jan von Leyden:

Du sollst um das nit vergeblich werben.
Einstweilen harre aus mit Geduld.

Karl Hermann Müller

Noch fließen stromweis im Münsterschen Bette
Tief, breit und lehmig die Wasser der Schuld:
Nur ganz auf dem Grund, an verborgener Stätte
Quillet lauter der Gnadenquell
Und macht das Trübe ein wenig hell.

Heinz Grais:

Wohl, Bruder, so will es auch mich bedünken:
Tut doch manch einer unten hinken.

Der oben den himmlischen Vater preist.
Dusenschur:

Bru... Bruder, ich bin ein Glied der Gemeine,
Trotz einem. . . trotz einem zu kurzen Beine
Und habe den wahren Täufergeist.

Jan von Leyden:

So ist's, du hast wahr. Bruder Dusentschur.
Gleichnisweise redet er nur.

Du bist ein echter Israelit,

Des Gottesreiches ein würdiges Glied:

Möchte so jeder sein von den Brüdern!

Allein es hat sie ein Taumel erfaßt.

Hört ihr den Sturm, der die Gassen durchrast?
Noch scheint mir, fehlet das Haupt den Gliedern.
Hilla Faiken:

Ist nit Jan Matthiesen unser Haupt?

Jan von Leyden:

Gott erhalte den Glauben dem, der da glaubt.
Heinz Grais:

Jan Matthiesen ist ein versiegelter Christ,

Ein gewaltiges Rüstzeug vom Vater.. .

Jan von Leyden:

Aber ein größerer war sein Berater,

Der itzund zu Straßburg gefangen ist:

Ich meine den teuren Gottesmann
Melchior Hofmann,

Den der Vater erwählt und gekürt,

Daß er wie Moses uns hat geführt
Durch Wasserfluten und brennenden Sand,

Bis wir hier fanden heiliges Land.

Ja, Münster ist heiliger Boden und Grund,
Brüder, das lehren Wunder und Zeichen.

Hier brennet ein Feuer ohnegleichen.

Hier wird erneuert der alte Bund:

Aber nit so, wie mancher meint.

Der itzo jauchzet mit vollen Backen.

Es gibt noch manches Nüßlein zu knacken,
Bevor uns die Gnadensonne bescheint.

Dusenschur (für sich):

Vater, bewahr uns vor ewiger Pein.

Jan von Leyden:

Viele sind es, die Vater schrein

Mit wunden Hälsen und heiseren Kehlen.

Gott wird sie dennoch nit auserwählen.

Und was auch lüget das Gassengekreisch
Noch blieb Wort: Wort! und noch ward es

nit Fleisch.

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Register
Gerhart Hauptmann: Die Wiedertäufer
Karl Hermann Müller: Eibe
 
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