Lied der zwei Gternsmger
(Zur Zeichnung von Ferdinand Staeger auf
Seite 1267 dieser Nummer)
Wie leuchtet im Tale das Schneelicht so schön.
Ein Stern hat's entzündet aus ewigen Höhn.
Die stahlblaue Nachtluft schneidt scharf
an die Nasen,
Herr Bruder, kommt, laßt uns eins
streichen und blasen,
Hinauf in die schwarzen Tannen und hinab
in die Welt,
Wer weiß, ob's nicht auch unserm
Herrgott gefällt:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien.
Laudate, laudate,
Die Himmel klingen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Du goldblondes Christkind auf Heu
und auf Stroh,
Um dein kuhwarmes Liegftätterl und wie
wären wir so froh;
Der Morgenschnee hat uns die Zehen zerbissen,
Der Froststurmwind hat uns den Brustlatz
zerrissen —
Ach, laß uns einschlüpfen zum Laterndl in Stall,
Da sollst du gleich lauschen dem melodischen
Schwall:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien,
kaudale, laudate.
Die Berge sprechen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Mit deinen schönen kleinen Händen,
wie die Rosen so zart,
Umstreichst du uns lachend den dornigten Bart)
Dein Mütterchen schenkt uns von dem
glüldklaren Weine,
Dem Josef bringen wir ein Gänslein,
schlohweiß und schneereine.
Und wenn es Frau Maria im Bratpfandl schmort,
Derweil singen wir, bis uns der Magen rumort:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien.
Mandate, laudate.
Die Wälder rauschen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Das Ganserl, das haben wir demBauern gestohln',
Heut Nacht wird ihn selber der Kankerl heimholn,
Die Herzen der Menschen haben eiserne Türen,
Die mag nur der Satan mit dem
Pechbrande rühren.
Gebt dem Kinde die Daunen und bettet es weich;
Bald hängt es am Kreuze und blutet für Euch.
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien,
laudate, laudate,
Ihr Menschen hört doch den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Franz Langheinrich
Liebe Jugend!
Bei einem östlichen Infanterie-Regiment wird
in der Instruktionsstunde von dem Unterrichts-
offizier das Thema: „Ueberläufer" behandelt.
Nachdem es hinreichend durchgesprochen, stellt der
Leutnant an den Musketier Thalccki die Frage:
„was werden Sie nun tun, wenn auf einem
exponierten punkte während des Gefechtes ein
Ueberläufer zu Ihnen herankommt, der zum
Zeichen, daß er nicht mehr kämpfen will, das
Gewehr mit dem Kolben nach oben trägt?" —
„werrd' ich sagen: wirst Du Gewehr Deiniges
richtig tragen, Kriepel verfluchter!?"
Verirrter Reiter
Wo bin ich hingeritten?
Kenn gar den Weg nicht mehr!
In tiefer Wälder Mitten —
Kein Herb erg rings umher.
Den Pfad Hab ich verloren —-
Mein Lieb' auch nebenbei!
Häng, Rößlein, nicht die Ohren —:
Es ist uns einerlei!
1 Martin Ar»dt
Von den Frauen
i.
„Also nimm Singstunden, aber versprich
mir, daß Du einsehen willst, wie zwecklos es
ist, sich bei jeder Kleinigkeit aufzuregen und
seinem Manne Szenen zu machen."
Seit vier Wochen keine Aufregung mehr
im Hause.
„Wie ich mich freue, daß Du so ver-
nünftig und einsichtig geworden bist, seitdem
ich Dir es vorgcstellt habe."
„Aufregungen sind sehr gefährlich für die
Stimme/ hat die Singlehrerin mir gesagt."
II.
„Den ganzen Tag hast Du wieder kein
Wort zu mir gesagt; alles mögliche habe ich
versucht zu erzählen, ich arme Frau; aber
Du hast nur dazu geschwiegen. Bei anderen
kannst Du doch so viel reden und sprichst von
interessanten Dingen; warum denn das?"
„Weißt Du, bei denen spreche ich, damit
sie nicht quatschen."
Sie stutzte eine Weile. Dann sah ich sie
stolz. Aber am nächsten Tag fragte sie wieder
so, wie tags vorher. ^
Aphorismen
von Dr. Baeu (Oberdorf)
Es gibt auch unter denen Jesuiten, die
nicht an Gottes Sohn glauben.
Wer sich entschuldigt, wenn er getreten
wird, der kratzt und beißt, wenn er Wohl-
taten empfängt.
Nicht wenn wir Vater und Mutter be-
graben, sondern wenn das Kind in uns stirbt,
verlieren wir die Eltern.
Worüber die Leute oft tief gekränkt sind:
wenn wir ihnen zumuten, was sie vor unseren
Augen tun.
Biele goldgediegene Menschen verlieren,
müssen schwer darunter leiden, daß sie sich
nicht um wechseln lassen.
Die Deutschen würden sich nicht so grob
ausdrücken, wenn sie so grob dächten.
Wer fordert von seinem Gott, hat seinen
Gott schon verloren.
Das sind die reinen, heiligen Frauen, die
ihre Waffen kennen, ohne sie zu gebrauchen.
Manche, die nicht käuflich ist — wirft sich
schamloser weg, wie keine Dirne.
Theaterspielen ist nirgends so schwer als
■— ohne Puschauer.
Das größte Unheil in der Welt wird nicht
angerichtet von den ganzen Eseln, sondern von
den halben Wissern.
Rleinstädtische Geschichtcheii
Die Frau Ranzleirat, geborene Pastorentochter,
die den Ruf einer sehr guten ksanstran für sich
in Anspruch nimmt, ist zu einem größeren Abend-
essen eingeladen. Die Dame des Hauses, am
andern Ende der Tafel sitzend, und lebhaft mit
ihrem Tischnachbarn, einem unverheirateten, sehr
lebenslustigen Major im Gespräch, wird fort-
während mit albernen Fragen der Rätin belästigt,
die sie grundsätzlich überhört. Auf den stereotypen
Schlußsatz: „Nicht wahr, Frau Bürgermeister?"
sagt diese schließlich geärgert: „Ja, ja."
Hierauf die Ranzleirätin triumphierend mit
lauter Stimme zu ihrem ihr schräg gegenüber-
sitzenden Gatten: „Siehste wohl, lieber Hermann,
die Frau Bürgermeister kocht auch die alten
Brotrinden in die Suppel"
*
Beim Ivohltätigkeitsbasar. Die Frau Rätin
bewundert laut ein kleines Gelgemälde, ein N)ald-
idyll darstellend, von einem Dilettanten sehr hübsch
gemalt.
„Nain, wie raizend, für so 'n Zimmer von
'nein jungen Mädchen ganz allerliebst, wenn da
so 'n braiter Goldrahmen d'rum käme, wirklich
könnte man's für Geldruck halten, so schön
is es!"
Liebe Jugend!
Im Schwabenland kommt ein junger Mann,
der heiraten will, zur Beichte. Der Geistliche legt
ihm die üblichen Fragen vor, unter anderem:
„Hast Du ein Gelübde der Keuschheit abgelegt?
Hast Du einer Anderer: vorher die Ehe ver-
spröden?" — Darauf entgegnet das Schwäblein:
,,D' Keuschheit Hab i abg'legt, aba versprocha
Hab i nix!" —
❖
Kommerzienrat Meyer hat auf inständiges
verlangen seiner Töchter einen sonst sozial tief
unter ihm stehenden modernen Dichter, der aber
schon einen erotischen Roman hinter sich hat, zum
Abendessen eingeladen. Als die Gäste sich im
Vorzimmer versammeln, umkreist er den Dichter
und sondert ihn allmählich ab, um ihn mit fol-
gender Ansprache zu beehren: „Ach mein lieber
Meister, nicht wahr, Sie werden mir die kleine
Gefälligkeit erweisen, Sie werden so gütig sein,
in Gegenwart der Damen die Ehe als eine ge-
heiligte Institution betrachten zu wollen."
1270
(Zur Zeichnung von Ferdinand Staeger auf
Seite 1267 dieser Nummer)
Wie leuchtet im Tale das Schneelicht so schön.
Ein Stern hat's entzündet aus ewigen Höhn.
Die stahlblaue Nachtluft schneidt scharf
an die Nasen,
Herr Bruder, kommt, laßt uns eins
streichen und blasen,
Hinauf in die schwarzen Tannen und hinab
in die Welt,
Wer weiß, ob's nicht auch unserm
Herrgott gefällt:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien.
Laudate, laudate,
Die Himmel klingen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Du goldblondes Christkind auf Heu
und auf Stroh,
Um dein kuhwarmes Liegftätterl und wie
wären wir so froh;
Der Morgenschnee hat uns die Zehen zerbissen,
Der Froststurmwind hat uns den Brustlatz
zerrissen —
Ach, laß uns einschlüpfen zum Laterndl in Stall,
Da sollst du gleich lauschen dem melodischen
Schwall:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien,
kaudale, laudate.
Die Berge sprechen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Mit deinen schönen kleinen Händen,
wie die Rosen so zart,
Umstreichst du uns lachend den dornigten Bart)
Dein Mütterchen schenkt uns von dem
glüldklaren Weine,
Dem Josef bringen wir ein Gänslein,
schlohweiß und schneereine.
Und wenn es Frau Maria im Bratpfandl schmort,
Derweil singen wir, bis uns der Magen rumort:
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien.
Mandate, laudate.
Die Wälder rauschen den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Das Ganserl, das haben wir demBauern gestohln',
Heut Nacht wird ihn selber der Kankerl heimholn,
Die Herzen der Menschen haben eiserne Türen,
Die mag nur der Satan mit dem
Pechbrande rühren.
Gebt dem Kinde die Daunen und bettet es weich;
Bald hängt es am Kreuze und blutet für Euch.
O süße liebe Nacht der Weihen,
Dir tönen Geige und Schalmeien,
laudate, laudate,
Ihr Menschen hört doch den englischen Gruß,
Dem Kindlein jubilate.
Franz Langheinrich
Liebe Jugend!
Bei einem östlichen Infanterie-Regiment wird
in der Instruktionsstunde von dem Unterrichts-
offizier das Thema: „Ueberläufer" behandelt.
Nachdem es hinreichend durchgesprochen, stellt der
Leutnant an den Musketier Thalccki die Frage:
„was werden Sie nun tun, wenn auf einem
exponierten punkte während des Gefechtes ein
Ueberläufer zu Ihnen herankommt, der zum
Zeichen, daß er nicht mehr kämpfen will, das
Gewehr mit dem Kolben nach oben trägt?" —
„werrd' ich sagen: wirst Du Gewehr Deiniges
richtig tragen, Kriepel verfluchter!?"
Verirrter Reiter
Wo bin ich hingeritten?
Kenn gar den Weg nicht mehr!
In tiefer Wälder Mitten —
Kein Herb erg rings umher.
Den Pfad Hab ich verloren —-
Mein Lieb' auch nebenbei!
Häng, Rößlein, nicht die Ohren —:
Es ist uns einerlei!
1 Martin Ar»dt
Von den Frauen
i.
„Also nimm Singstunden, aber versprich
mir, daß Du einsehen willst, wie zwecklos es
ist, sich bei jeder Kleinigkeit aufzuregen und
seinem Manne Szenen zu machen."
Seit vier Wochen keine Aufregung mehr
im Hause.
„Wie ich mich freue, daß Du so ver-
nünftig und einsichtig geworden bist, seitdem
ich Dir es vorgcstellt habe."
„Aufregungen sind sehr gefährlich für die
Stimme/ hat die Singlehrerin mir gesagt."
II.
„Den ganzen Tag hast Du wieder kein
Wort zu mir gesagt; alles mögliche habe ich
versucht zu erzählen, ich arme Frau; aber
Du hast nur dazu geschwiegen. Bei anderen
kannst Du doch so viel reden und sprichst von
interessanten Dingen; warum denn das?"
„Weißt Du, bei denen spreche ich, damit
sie nicht quatschen."
Sie stutzte eine Weile. Dann sah ich sie
stolz. Aber am nächsten Tag fragte sie wieder
so, wie tags vorher. ^
Aphorismen
von Dr. Baeu (Oberdorf)
Es gibt auch unter denen Jesuiten, die
nicht an Gottes Sohn glauben.
Wer sich entschuldigt, wenn er getreten
wird, der kratzt und beißt, wenn er Wohl-
taten empfängt.
Nicht wenn wir Vater und Mutter be-
graben, sondern wenn das Kind in uns stirbt,
verlieren wir die Eltern.
Worüber die Leute oft tief gekränkt sind:
wenn wir ihnen zumuten, was sie vor unseren
Augen tun.
Biele goldgediegene Menschen verlieren,
müssen schwer darunter leiden, daß sie sich
nicht um wechseln lassen.
Die Deutschen würden sich nicht so grob
ausdrücken, wenn sie so grob dächten.
Wer fordert von seinem Gott, hat seinen
Gott schon verloren.
Das sind die reinen, heiligen Frauen, die
ihre Waffen kennen, ohne sie zu gebrauchen.
Manche, die nicht käuflich ist — wirft sich
schamloser weg, wie keine Dirne.
Theaterspielen ist nirgends so schwer als
■— ohne Puschauer.
Das größte Unheil in der Welt wird nicht
angerichtet von den ganzen Eseln, sondern von
den halben Wissern.
Rleinstädtische Geschichtcheii
Die Frau Ranzleirat, geborene Pastorentochter,
die den Ruf einer sehr guten ksanstran für sich
in Anspruch nimmt, ist zu einem größeren Abend-
essen eingeladen. Die Dame des Hauses, am
andern Ende der Tafel sitzend, und lebhaft mit
ihrem Tischnachbarn, einem unverheirateten, sehr
lebenslustigen Major im Gespräch, wird fort-
während mit albernen Fragen der Rätin belästigt,
die sie grundsätzlich überhört. Auf den stereotypen
Schlußsatz: „Nicht wahr, Frau Bürgermeister?"
sagt diese schließlich geärgert: „Ja, ja."
Hierauf die Ranzleirätin triumphierend mit
lauter Stimme zu ihrem ihr schräg gegenüber-
sitzenden Gatten: „Siehste wohl, lieber Hermann,
die Frau Bürgermeister kocht auch die alten
Brotrinden in die Suppel"
*
Beim Ivohltätigkeitsbasar. Die Frau Rätin
bewundert laut ein kleines Gelgemälde, ein N)ald-
idyll darstellend, von einem Dilettanten sehr hübsch
gemalt.
„Nain, wie raizend, für so 'n Zimmer von
'nein jungen Mädchen ganz allerliebst, wenn da
so 'n braiter Goldrahmen d'rum käme, wirklich
könnte man's für Geldruck halten, so schön
is es!"
Liebe Jugend!
Im Schwabenland kommt ein junger Mann,
der heiraten will, zur Beichte. Der Geistliche legt
ihm die üblichen Fragen vor, unter anderem:
„Hast Du ein Gelübde der Keuschheit abgelegt?
Hast Du einer Anderer: vorher die Ehe ver-
spröden?" — Darauf entgegnet das Schwäblein:
,,D' Keuschheit Hab i abg'legt, aba versprocha
Hab i nix!" —
❖
Kommerzienrat Meyer hat auf inständiges
verlangen seiner Töchter einen sonst sozial tief
unter ihm stehenden modernen Dichter, der aber
schon einen erotischen Roman hinter sich hat, zum
Abendessen eingeladen. Als die Gäste sich im
Vorzimmer versammeln, umkreist er den Dichter
und sondert ihn allmählich ab, um ihn mit fol-
gender Ansprache zu beehren: „Ach mein lieber
Meister, nicht wahr, Sie werden mir die kleine
Gefälligkeit erweisen, Sie werden so gütig sein,
in Gegenwart der Damen die Ehe als eine ge-
heiligte Institution betrachten zu wollen."
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