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Arbeit

Komm' in die Nacht, wenn die Wolke mit

purpurnem Saume

Ueber der Essen zuckende Flammen zieht.

Wenn in der schwarzen Werkstatt glühendem

Räume

Donnernd der Hammer singt ein klirrendes Lied!
Komm' in die Nacht, wenn dumpf rings

bebet die Erde, —

— Spürst du den Atem des Eisentitanen

in Hast? —

Dort spricht der Promethide sein trotziges

„Werde!",

Folg' mir zur Tempelhalle der schaffenden

Kraft! —

Aus dem Rhythmus dröhnender eherner Massen
Hebt sich ein Sang über den rußigen Grat,
Dessen Akkorde siegend die Seele umfassen, —
Das ist der Machtchoral der wirkenden Tat!
Siehst du die Völker in blonden und

grauen Haaren,

Schweigend in Spannkraft, drängend sich

Mann an Mann?!

Beuge dein Haupt!-das ist die Garde

der Laren

Das ist der Arbeit heiliger Königsbann!!

-Halte, du Anker, der in den

Gluten geschmiedet,
Nette den Schiffer den Seinen am

heimischen Herd!

Bring' uns den Segen, du Pflug, der im

Feuer genietet!

Schirm' uns, in Flammen geschweißt,

germanisches Schwert!

Bleibt uns ein Tempel, altersgeschwärzte

Ouadern,

Die ihr des Schaffens ewigen Quell umschließt,
Bannet der Trägen lähmendes Höhnen

und Hadern!-.

Heilige Arbeit, Allmutter, sei uns gegrüßt!

Friedrich Wolf

Frühlingslied

Tief in Traum versunken
Zieh ich durch die Welt,
Kenne keine Heimat,

Die mich bei sich halt.

Suche in der Ferne
Irgendwo ein Glück,

Doch je mehr ich eile,

Flieht es, Stück um Stück.

Fliehe nur! Ich folge
Dir getreulich nach,

Sehnsucht bllibt im Wandern
Immer wach.

Eine leise Stimme
Singt mir Melodien,

Die wie ferne Wolken
Still hinziehn.

Alle Menschen sagen,

Höchstes sei die Ruh!

Doch ich hör den Reden
Halb nur zu.

Selig spür ich alles.

Was sich regen will,

Und im steten Wandern
Wird mein Herz so still —

All die vielen Bilder
Mögen stüchtig sein. . .

Ich bewahr sie alle
Tief im tiefsten Schrein.

So in Traum versunken,

Zieh ich durch die Welt,

Kenne keine Heimat,

Die mich halt. Ernst Schur

Der Aulmrprinz

Von Willy Rath

Lebhafter als gewöhnlich und rauh wie immer
fiel mein alter Freund Hufnagel in mein Arbeits-
zimmer und auf mein neues Moquette-Sofa.
„Immer noch nicht in der Tinte ersoffen?" Kein
anderer Gruß kam über seine Lippen. Und
ohne meine Antwort abzuwarten, fügte er hin-
zu: „Du hast doch den blödfeinen Karpff ge-
kannt, den Herrn von Das-kann-man-doch-nicht,
den „Kulturprinzen?" Was sagst Du dazu:
er ist hin!"

„— Hin?!" fragte ich erschüttert. „Wie ist
das denkbar? Ich sah ihn noch vor wenig
Wochen anscheinend gesund vorbeifahren! Und
nun soll es brutal zerstört sein, dieses auser-
lesene Kunstwerk des Lebens? Soviel edel-
müde Kultur, soviel innige Schönheit-Genießer-
kunst! Von Karpff ist — hin?!"

Hufnagel machte ein eigentümlich verkniffenes
Gesicht. „Er ist hin, er ist hin. Ein Jammer!
Ein unersetzlicher Verlust!"

„Daß auch Du Rohling das findest," ver-
setzte ich mit Wärme, „das freut mich, aber
es wundert mich auch!"

„No ja — Du Roß," knurrte er, indem er
mit naturburfchiger Plumpheit eine seiner ent-
setzlichen Zehnpfennigzigarren zückte, abbiß und
anzündete. „No ja! Da hat man nun einmal
das selbstzweckgewordene Drohnentum in einem
Musterexemplar leibhaftig verkörpert vor Augen,
und da geht s hin in seiner sozusagen blühenden
Tugend und entzieht sich der Betrachtung! Wie
hat der Mensch mich amüsiert mit seiner feier-

lichen Anbetung des Ueberflüffigen! Wie gesund
war mir's, daß ich mich gelegentlich an feinem
feinen, kleinen, ohrfeigenhaften Kulturlächeln
ärgern konnte, an seinem plätschernden Kultur-
gerede —"

„Genug!" sprach ich. „Laß Du die Kultur
aus dem Spiel! Ich weiß, daß Du nicht weißt,
was Kultur ist, was Kultur denen ist, die eben
Kultur haben. Es mag ja hie und da in Kultur-
kreisen zu viel von Kultur geredet werden, aber
in der Tat haben wir nicht zu viel Kultur,
sondern viel zu wenig Kultur!"

„Das ift's ja grad!" behauptete er mit
trockener Dreistigkeit. „Viel, viel zu wenig
Kultur — nämlich des Herzens; bloß zu viel
Kultur des Magens, der Nerven, der Augen,
der Epidermis und des Mauls! Siehe unfern
von Karpff selig! Diese angestrengte Schlichtheit,
vereinigt mit organisiertem,Schlemmertum! Nie
keinen Pfennig nicht für die tagelöhnernden
Genies seiner Bekanntschaft noch für die Fa-
miliennot seines Hausmeisters, aber blaue und
braune Lappen in Masse für Gäule, Weiber,
Benzinkasten oder gefälschte Musterbilder und
alte Suppenteller! Wahrlich — man kann
täglich zweimal baden und doch ein ganzer
Schmutzian bleiben! O diese moderne Alllev
Kultur, die in ihrem Wörterbuch keinen Platz
hat für Güte, Opfer, Begeisterung, Humor, Tat
— die sich kein herzliches Wort getraut, vor
Furcht, von der „Linie" zu fallen — die den
Mitmenschenwert an der festsitzenden Manschette

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Register
Willy Rath: Der Kultprinz
Friedrich Wolf: Arbeit
Gustav Petzoldt: Zierleiste
Ernst Schur: Frühlingslied
 
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