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Treu bewacht

Eugen Osswald (München)

Die Scheibe in der Vorplatztüre

von Willy Ruppel

Lines Tages widerlegte unser Hausmädchen
mit dem Ausklopfer eine Behauptung der Köchin
über den Schnurrbart des Briefträgers. Dabei
ging eine Scheibe in der Glastüre des Vorplatzes
in Trümmer. Noch an demselben Abend ging die
Köchin zum Glaser werger und bestellte die so-
fortige Einsetzung einer neuen Scheibe. Sie legte
ihm eine Scherbe als Muster vor. Der Mann
sagte, er würde gleich kommen, und die Scheibe
einsetzen. hoffentlich werde jemand daheim sein,
wenn er komme. Die Köchin sicherte das zu.

Nach Tagen sagte meine Frau: „Ich weiß
nicht, auf dem Vorplatz zieht es so! Aha, das
ist die zerbrochene Scheibe! Ja, ist denn niemand
beim Glaser gewesen?"

„Gewiß, die Köchin hat ihn bestellt!"

„Bestellen Sie ihn doch noch einmal!" Diesmal
ging das Hausmädchen. Sie erklärte, Herr werger
habe ihr gesagt, er werde morgen früh kommen,
aber ziemlich früh. Gb das nicht störe, so um
7 Uhr herum. Sie habe gesagt, nein, er solle
nur kommen.

Nach etwa acht Tagen kam ein lieber alter
Freund zu Besuch, und während er seinen Mantel
im Vorplatz abhing, meinte er scherzend: „Da ist
eine Scheibe in der Tür zerbrochen; wer war
denn das?"

„Ist denn der Glaser immer noch nicht da-
gewesen?" rief meine Frau in die Küche hinunter.

„Nein, gnä' Frau!" klang es herauf.

„Könntest Du nicht einmal hingehen?" meinte
meine Frau später, als der liebe alte Freund ge-
gangen war.

„Gewiß," meinte ich. Als ich den kleinen
Laden betrat, klingelte es hinten in der Werkstatt
wütend und ich freute mich der prompten An-
meldung. Nach einiger Zeit merkte ich, daß
niemand kam, und ließ die heftige Klingel noch
einmal ertönen. Endlich kam etwas die Treppe
herunter und öffnete die Ladentür. Es war ein
kleines Kind, der Größe nach vielleicht vierzehn
Tage alt. Es stand da und guckte mich an, wo-
bei es sich an dem Finger festhielt, den es in den
Mund gesteckt hatte.

Ich frug: „Na, kommt denn niemand?"

Es fuhr fort, mich stumm und groß anzu-
sehen. Da ließ ich die wütende Klingel noch
einmal schrillen. Darauf entfernte sich das Kind
mit dem Finger im Mund. Nach einiger Zeit

kam jemand die Treppe herunter, mit einem Ge-
stampf, daß das Haus bebte. Ich dachte: der
arme Mann! Er hat zwei Holzbeine! Ls war
aber eine Frau, die das ganze Lädchen ausfüllte,
fodaß ich bis an die Tür zurücktreten mußte, und
die in einer fetten Hand einen Löffel hatte.

„Guten Tag, was wollen Se dann?"

„Ich wollte nur fragen, warum denn niemand
kommt, die vorplatztürscheibe machen, bei Kohl-
müller, Bergerstraße 2."

„Vorplatzscheibe?"

„Ja."

„Kohlmüller?"

„Ja."

„Bergerstraße z?"

„Zwei!"

„Das muß 'n Irrtum sei! Davon weiß ich nix." -

„Ja, aber es ist zweimal bestellt!" Sie drehte
sich um, öffnete die Tür und schrie hinaus:
„hoinerich!!"

„Ja!" tönte es dumpf von irgendwo her. Und
aus der Werkstatt erschien Herr werger. Ein
freundlicher Mann, mit viel grauem Bart, fetter
Kappe, grüner Schürze und gestricktem Wams.

„Guten Tag, wann machen Sie denn die vor-
platztürscheibe bei Kohlmüller?"

„Kohlmüller?"
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Willy Ruppel: Die Scheibe in der Vorplatztüre
Eugen Osswald (Oßwald): Treu bewacht
 
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