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Das Brunnenmännchen

Von Max Fleischer

Dos Brnnnenmännchen lauscht ans seiner Wacht,
Wie sich so feierlich die Uhren rühren.

Der Brunnen plätschert in die Sommernacht
Und horcht nur ans, wenn sich die Uhren rühren.

Die Dächer zacken sich. Ein Leuchten spinnt
Um alle Giebel ans dein klaren Himmel.
Ein dunkeltiefes Rieselsilber rinnt
Um alle Giebel aus dem klaren Himmel.

Erlosch vor überirdischer Angen Bläue.

Ihr Blick umfloß den Markt wie blaues Gold,

Und Herr des Marktes war ein blaues Nichts,
Der flimmerblaue fließende Mondesflitler
Im Schild der lcbensglänbigen Sehnsuchtritter,
Spinnweben, Wolkenfahnen, Schleier, Nichts,

Der fromme Trug der Dichter. Da erhob
Das Brunncnmännchcn segnend beide Hände
Und sprach: „Ihr irrt von einem dunklen Ende
Des Alls zum andern. Eure Lust verwob

Die lieben kleinen Mädchen träumen schon
Den alten Traum der mondesblancn Nächte.
Es kommt ein junger, schlanker Königssohn
Im alten Traum der mondesblauen Nächte.

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Das Brunnenmännchen späht ins Licht

und spinnt

Gespinste, die wie leichte Schleier wehen,
Wie Rauch zerfließen, sich wie Segel blähen
Und nichts als duftige Gedanken sind,

Der Sinn des Sinnens, der Gebilde schasst,
Der blaue Blick vertiefter Einsamkeit,

Der Seelenjungbrunn, draus so Glück als Leid
In schlanken Strahlen schießt: die Dichterkraft

Neunhundert Nächte spann es sich schon ein.
Da ward sein Dunkel freundlich anfgehellt
Und eine schemenhafte Bilderwclt
Gab sich ans seinem Markt ein Stelldichein.

In bunten Trachten kamen sie von weit,
Ein leichtes Völkchen schwebender Gesellen,
Spiegelten sich in monderhellten Wellen
Und flügelten in Glanz und Lieblichkeit.

Die Frauen waren lilienschlank erblüht,
Doch Schatten lagen schwer in ihren blassen
Gesichtern, als sei in den stillen Gassen
Die Blume Mystik traumhaft aufgeblüht.

Die jungen Männer waren rätsclalt,

Als hätte sich ein Schicksal ihren weichen
Zügen verhärtend eingeprägt in Runcnzeichen,
Als seien sie an tausend Jahre alt.

Um hohe Stirnen schmiegte sich das Gold
Des Kronrcifs Demut, drin der Demant Treue

Sich seltsam allem Sinnen. Euer Leid
Ist Glut und Kraft. Beglückte, ihr empfindet
Die Welt nicht. Eure Stirne wölbt und windet
Sich eine Brücke in die Ewigkeit.

A. Schmidhammer

Heil euch, daß euch ein lichter Dämon führt,
Die ihr die Straße Nüchternheit gemieden,'
Traulich ein Wahn, ein wacher Traum

vom Frieden,

Ein treuer Hirt, der euch nach Hause führt."

Die letzten Worte fielen brnnnentief
Ins Nichts. Ein breiter Wolkenschatten schob
Sich in den Markt. Der bunte Spuk zerstob.
Das Brunnenmännchen blieb, ein Hieroglhph.

»I« Jfe H

Daun war der Vollmond wieder anfgeblüht
Wie eine volle Rose auf der spiegel-
Glattcn Fläche eines Sees, den Hügel
Mit Blütenbänmen kränzen. Eine Wolke
War silberblank von seinem Licht dnrchgliiht.

Der Brunnen rauschte fremd und wunderlich.
Das Brnnnenmännchen war von seiner traucr-
Süßen Traumweise so ergriffen, daß ein blauer
Schleier sein Auge trübte, bis die Silberwolkc
Am Himmel sich verfärbte und erblich.

Der Brunnen atmete jetzt schiver und ticf.
Nur daß ein irrverlorner Klang die Tropfe»
Dnrchsickerte gleich dem gedämpften Klopfen
Von Silberhämmern, und daß eine Wolke
Von Schwermut auf dem Markt lag,

der entschlief.

Da hob das Brnnnenmännchen wie zur Weihe
Sein steinern Kännchen und besprengte kühl
Sv Turm und Tor tvie jede Häuserreihe
Und den erblühten Mond. Von manchem Pfühl
Erhoben sich verschlafne Köpfchen fragend
Und sah'n den Vollmond durch das

Fenster schau'»

Und einen Regen seine Brücke bau'n
Und Turm und Tor in tiefe Bläue ragend,
Die wie ein Baum den Marktplatz übcrzweigte-

Der Brunnen aber plätscherte voll Freude
Und sein entzücktes Rauschen ward ein Lied.
Drin wob der Mond um Gärten und Gebäude.
Der Marktplatz war von blauem Licht umsprüht
Und jeder Tropfen Licht, der niederrinnend
In einen Tropfen Wasser fiel, erglomm
Wie ein Opal. Das Männchen klomm
Auf einer Silberleiter in den Mond, der sinnend
Die Hände faltete und sich verneigte.
Register
Max Fleischer: Das Brunnenmännchen
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Das Brunnenmännchen"
 
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