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Hoch-Einsamkeit

Hoch oben an die Felswand hingeklebt
Steht eine weiße Villa. Wer dort lebt,
Weiß nicht, was unten in der Welt passiert.
Weil ihn die Höhe himmelwärts verführt.

Ein weißes Wölkchen in der blauen Luft
Hüllt ihn zum Ueberfluß in Träumerduft.
Und eingehüllt in diese lichte Wolke
Lebt er getrennt von allem Erdenvolke.

Und doch so trotzig ist das Nest erbaut,

Als höhn' es stündlich und vernehmbar laut
Hernieder von dem steilen Felsenberge:

Wie putzig klein sind doch die

Menschenzwerge!

Ludwig Scharf

A. Rausch (München)

Glück der Nacht

Umschmiege dunkler mich, geliebte Nacht
Und laß mich fühlen deine enge Weite '
Nun ist die Zeit, da meine Seele wacht
Wie eine Lampe still an meiner Seite, '

Nun ist die stille, gute Stunde,

Da mir erglüht der inneren Sterne Schein
Und ich in deinem Schoße sanft gesunde,
Du treue Nacht, geheimnistiefer Schrein,'

Die Stirn gebettet in die Kühlen Hände
DenBlickvergrabenin des Menschseins Buch
Um mich des Lebens schlummerndes

Gelände: -

So wird zum Segen meiner Tage Fluch!

Ren6 Pr6vöt

Die toten Freunde

Von Hanns von Gumppcnbcrg

Heut' Nacht, als ich die Straßen durchstrich,

Meine toten Freunde erwarteten mich,

Der eine da, der andre dort.

Ein jeder an seinem besondern Ort

Als Kamerad für den einsamen Gang:

Es war, als warteten sie schon lang'

Und freuten sich über den guten Witz, . .

Als ersten traf ich den wilden Fritz.

Der stand im Häuserschatten gebückt,

Den Schlapphut tief in die Stirn' gedrückt,

Und brummte: „Nun schmeckt uns ein Schoppen Wein!
Die Schenke war nah — wir traten ein.

Er stürzte hinunter sein Glas mit Hast
Und schaute mich an mitleidig fast,

Derweil er halb gut und halb spöttisch sprach:

„Hängst du noch immer Dem Unsinn nach?

Hast du noch immer nicht erfaßt,

Was den Nummel zur Lust macht, und was zur Last?

Ich hab's begriffen — Hab' nicht geträumt,

Hab' schnell gelebt, aber nichts versäumt!

Noch gab es keinen, der mehr besaß

Als Weib und Wein und Macht und Spaß!

Mit ander'm verplempert man nur seine Zeit —

Und, glaube mir: leer ist die Ewigkeit!

Ich nahm mir die vier, so gut und so lang'

Ich konnte: so richtig im Ueberschwang!

Und jetzt, verstehst du, Vrüderlein mein,

Ist mein einziger Trost so ein Tropfen Wein,

Im Mondlichtdämmer erhascht mit Hast —

Den ertrotz' ich mir noch als begrabener Gast!"

Und gierig trank er mir zu — und zerfloß
In Rauch und Luft, mein alter Genoß.

Auf sprang ich, und zahlte... die Kellnerin
Schob lachend die Hälfte mir wieder hin.

Und weiter schritt ich. Am nächsten Haus,

Da lauerte der systematische Klaus,

Griff gleich meinen Arm, und zog mich dahin:

„Du weißt gar nicht, Lieber, wie glücklich ich bin!

So sicher ich stets meiner Sache war,

Mich quälten doch Zweifel noch Jahr für Jahr,

Ob all' mein Denken und all' mein Sehn
Vor dem großen Sprung auch würde bestehn?

Nun aber weiß ich: die Sache ist echt,

Sie blieb, wie sie war —- und ich habe Recht!

Ich löst' es, das große Rätsel der Welt —

Ganz wie ich sie dachte, so ist sie bestellt!

Von allen warst der Liebste mir du,

Aufmerksam hörtest du immer mir zu —

Und darum will ich, dich ganz zu belehren,

Dir alles noch einmal gründlich erklären!

Du weißt ja, ich sagte —" der Schatten schwand
Wie trüber Dunst an der Häuserwand.

Und weiter ging ich im Mondenglanz;

Als dritten traf ich den feurigen Franz.

Der sprach: „Du bist jetzt öfter allein —

So dacht' ich, wir könnten zusammen sein.

Wir waren verschieden — wir sind es noch:

Aber Freunde, das wurden und blieben wir doch!

Ich folgte der Glut, dem flammenden Trieb —

Dir war nur das stillere Schauen lieb:

Doch was man daneben sich bieten kann,

Das gaben wir uns, der Mann dem Mann!"

— Nun weißt du wohl mehr? so fragt' ich in Eil'.
Er lachte, und sagte: „Im Gegenteil!

Ich weiß nur, daß falsch war ein jeder Schluß,

Daß jeder von vorne beginnen muß,

Und zwar mit seinem ganzen Ich —

Ich kann dir nur sagen: ich Plage mich!

Und so ist es recht! Denn wir würden sonst träg,
Und fern ist das Ziel, und verworren der Weg.

Viel ferner, verwirrter nur seh' ich die zwei,

Seitdem ich von menschlichem Dünkel frei,

Seitdem ich gelernt: all' was wir geschaut,

All' was wir so fein uns zum Ganzen gebaut,

War höchstens ein Ahnen, vermengt mit Wahn,

Ein erstes Tasten auf sternweiter Bahn!

Doch daß ich nun heute hier gehe mit dir,

Das frommt doch uns beiden, glaube mir:

Weiß keiner vom ander'n, was not ihm tut,

Weiß jeder doch, daß er dem ander'n gut!"

So sagte der Franz, und er sagte noch mehr;
Aufhorchend ging ich neben ihm her,

Und ging mit ihm wohl an die zwei Stunden . . -
Hätt' fast mich nimmer zurückgefunden.
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A. Rausch: Vignette
René Prévot: Glück der Nacht
Ludwig Scharf: Hoch-Einsamkeit
Hanns Theodor Karl Wilhelm Frh. v. Gumppenberg: Die toten Freunde
 
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