Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wie's eigentlich ging. Aber ein Prinz kam da an einen
großen Hellen See. Und in dem See schwammen blaue,
gelbe und rote Fische. Ich glaube, es waren auch weiße
dabei — und die wurden nachher Hofjäger, Konditors und
Pastetenbäcker oder Aehnliches. Aber — diese gelben, blauen,
roten, weißen Fische — im Sonnenschein — die waren köst-
lich. Das war der größte intensivste Eindruck meiner Jugend
— und meines Lebens. Ach, Sie dürfen nicht darüber lachen.
Ich Hab' alles nur in der Phantasie gesehen. Aber ich hab's
doch gesehen. Und darum wollte ich Maler werden, um das
Bild zu malen — so wie ich's damals sah. Die Oelsarben
machen nur alles anders. Das macht mich so krank."

„War," fragte Herr Kröcker mit der Goldkugel an der
Nase, „das Rot der roten Fische mehr Karmin oder mehr
Zinnober?"

„Mehr Karmin," versetzte der Prinz, „aber hell. Auch
das Gelb war sehr hell und leuchtend. Nur das Blau ein
wenig stumpf — wie man's oft auf holländischen Landschaften
steht. Mynheer, wenn Sie mir helfen könnten!"

„Prinz," versetzte Kröcker, „nennen Sie mich nicht
weiter Mynheer. Ich bin der Leibarzt Kröcker aus München
und freue mich, Durchlaucht kennen gelernt zu haben. Aber
wenn Durchlaucht zu leben weiter geruhen wollen, bedürfen
Sie der strengsten Ruhe. Gleich zu Bett! Warme Umschläge!
Und alles muß still sein — ganz still. Ich werde Durch-
laucht kurieren."

Und Kröcker vergaß seine verstauchte Hand, schob sie
unter des Prinzen linken Arm, führte ihn ins Schloß zurück,
gab unzählige Anweisungen, brachte den Prinzen höchsteigen-
händig ins Bett, zog die grüuseidenen Vorhänge zu und
schrieb zwei Dutzend Rezepte aus.

Da flogen die Kuriere auf flinken Rossen nach München
in die Apotheke, zur Hofburg und zum Hofbräukeller, denn
Kröcker liebte das Hofbräu mit Maßen; vier Krüge mußte
er täglich haben — das ging nicht anders.

Kröcker sprach noch lange mit Herrn Dahlmann bei
zehn leuchtenden Kerzen und trank Hosbräu und rauchte
Kalkpfeife und ließ seinen kranken Prinzen schwitzen. Er
trat dann ans Fenster, blickte in den Mondenschein und in
den Park hinein und siehe — da fing es an zu schneien.

Nach zwei Stunden war der ganze Park weiß.

„Ah," rief Kröcker, „wenn wir jetzt rote, blaue und
gelbe Fische in diesem Schneemeer hätten!"

Dahlmann sagte: „Vielleicht finden wir sie in München."

„Ah!" rief abermals Kröcker, „in München bunte Fische?
Ja — ein Maskenscherzi Ein Schneefest für die Hofgesell-
schaft. Die muß tanzen, um den armen Prinzen gesund zu
machen, in Blau, Rot, Gelb, Weiß. Donnerwetter, wird's
jetzt kalt. Der Teich friert draußen zu. Nächsten Sonntag
Nachmittag hier Eis- und Schlittschuh-Fest in den Farben
des Prinzen Wolsgang. Alles wird gemacht. Aber stumm
muß das Spiel sein! Keine Musiki Kein Laut!"

Und mitten in der Nacht jagten abermals die Kuriere
aus flinken Rossen nach München. Die meisten stürzten dabei,
da es sehr glatt war. Aber ernstlich kam weder Pferd noch
Mann zu Schaden.

Und die ganze Münchner Hofgesellschaft kam am nächsten
Sonntag in sehr ernster Haltung in Schlitten, die von vielen
Schimmeln gezogen wurden, nach Nymphenburg — blaue, gelbe
und rote Schneedecken umflatterten die Schimmel. Die Vor-
reiter, die Kavaliere zu Pferde und die ganze vornehme
Gesellschaft zeigten nur die vier Farben des Prinzen — in
Flaggen und Schärpen und Federn.

Prinz Wolfgang neben seinem Arzt oben im großen
Saal, dessen Deckengemälde so köstlich sind. Durchlaucht
blaß im Krankenstuhl, rechts von ihm der alte Kröcker, links
von ihm der alte Dahlmann.

Nun fuhren die Schlitten erst ganz nach hinten in den
Park und dann ganz langsam im Schritt aus dem riesig
langen Teich nach vorn — blau, rot, gelb — die Farben
leuchteten in der Nachmittaqssonue. Der Prinz sah es, und
es traten Tränen in seine Augen.

Vorne sprangen die Kavaliere aus den Schlitten, halfen
den blauen, roten und gelben Damen heraus, schnallten ihnen
Schlittschuhe an und arrangierten Polonaisen und Contres
auf dem langen Teich.

Lautlos bewegte sich alles.

Prinz Wolfgang drückte Kröckers Hand.

„La main wird stärker!" sagte der Arzt.

Dann wurde es dunkel.

Und die Lakaien entzündeten rechts und links vom
Teich blaue, gelbe und rote Lampions.

Hinten über dem künstlichen Wasserfall flogen blaue,
gelbe und rote Leuchtkugeln zum Himmel empor.
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen