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And die Hofgesellschaft schwebte in zierlichen
Bogen über dem Eise. Und die Farben brannten
dem Prinzen Wolfgang in die Augen. Und
er stöhnte laut auf und sank in die Kissen
zurück.

Lampions in Fischform wurden von den
Lakaien gebracht — die Fische nahmen die Ka-
valiere in die linke Hand — und es begann
ein Fischtanz.

Wieder flogen im Hintergründe über dein
künstlichen Wasserfall die Leuchtkugeln in den
Farben des Prinzen Wolfgang zum dunklen
Winterhimmel empor. Die Sterne wirkten ganz
klein den großen Leuchtkugeln gegenüber.

Und Durchlaucht schlief ein.

Und' die Hofgesellschaft war ganz stumm.

Acht Tage später war Prinz Wolfgang ganz
gesund und sagte: „Dieses Fest war noch herr-
licher als mein Iugenderlebnis. Jetzt können
die Maler ohne mich malen!"

Prinz Wolfgang wurde sehr alt, erlebte noch
die große französische Revolution und sagte
damals: „Wenn die Iacobiner vor vielen Jahren
das stumme Spiel der Hofgesellschaft erlebt
hätten, sie würden die Schafott-Dissonanzen
nicht edieret haben."

Kranke KinDer

von fritj Georg Hntal

Frau Humberg wurde ins Untersuchungs-
gefängnis abgeführt, der erschossene Bub kam
in die Totenkammer und die fünfjährige Anny
ins Kinderspital.

Bon Frau Humberg ist nicht viel zu be-
richten. Nachdem sie, von ihrem Manne ver-
lassen und halb verhungert, auf ihre beiden
Kinder geschossen hatte, von ihren Nachbarn
während der Tat überrascht und am Selbstmord
verhindert worden war, benahm sie sich sehr
still, sehr ergeben und im übrigen so teilnahms-
los, als ginge sie das traurige Drama, das sich
in ihrer kalten Stube abgespielt hatte, gar nichts
an. Es war, als hätte sich in ihr die furcht-
bare Qual des Elends in einer letzten Energie
entladen, die nun in einen Strom von Bewußt-
losigkeit mündete. Nach der Tat, zu der sie
ihre verzweifelnde Mutterliebe getrieben, war
jedes Gefühl in ihr zu Ende. Sie war tot,
vorläufig . . .

Die kleine Anny war bewußtlos, als man
sie, aus einer Brustwunde blutend, in ein schönes
weißes Bett gelegt hatte, wie ein Vögelchen,
das dem Nest zu früh entflogen ist. Fünf Kinder,
welche die Stube mit ihr teilten, sahen sehr
neugierig zu. Sie plauderten eifrig und erregt
durcheinander und waren auf die neue Ge-
fährtin und ihre Spiele begierig. Spielen —
das war die Sonne, die ihre tröstenden Strahlen
zu diesen kranken Kindern sandte. Sie waren
sehr erfinderisch und jeder Neuangekommene
errang sich eine nach der Stärke seiner Phan-
tasie bemessene Wertschätzung. Sie alle waren
daher sehr mißgestimmt, daß das kleine Mäderl
nicht einmal die Augen öffnete, so ängstlich oder
neugierig, wie sie selbst es alle bei ihrer An-
kunft getan hatten.

Bald darauf kam der Arzt, sah sich die
Kinder an, die fast alle der Genesung nahe
waren, und beschäftigte sich dann eingehend mit
der kleinen Anny. Während er ihre mageren,
schlecht genährten Gliederchen sorglich besühlte
und den Puls abhorchte, erwachte sie aus ihrer
stundenlangen Bewußtlosigkeit. Es waren müde,
große, hellbraune Augen, die sich wie in ver-
wirrter Frage dem Ärzte zuwandten. Nach
einigen Augenblicken legte sich ein Schleier des
Erschreckens über die glänzende Iris und es
kam ein furchtbares Erinnern über sie.

Sie schrie mit entsetzter Stimme: „Mutterl
— aber Mutterl — nicht —I"

Und sie griff mit ihrer kleinen, schmalen
Kinderhand an die Brust, über der ein starker
Verband die Wunde verdeckte.

Nacht und Morgen

Wie eine Herde grauer Elefanten
Steht das Gebirge unter den Brillanten,
Die langsam droben bleichen, wie verstaubt.
Der ewige Jäger taucht auf ewigem Ringe
Im Osten auf und wirft die goldne Schlinge
Der höchsten Kuppe übers Haupt.

Frida Schanz

Der Arzt sagte nicht viel zu der Wärterin,
nickte den Kindern zu und ging in die anderen
Zimmer, wo die vielen Frühoerblühten auf ihn
warteten.

Die kleine Anny war nun ganz wach. Sie
atmete schwer, weil der verwundete Lungen-
flügel die Luft mühsam nachziehen mußte, gleich-
sam wie ein müdes Kind, das sich erschöpft
weiter schleppen läßt. Sie trank auch nur
wenig von der lauen Milch, welche die Wärterin
ihr reichte. Die zehnjährige Mizzi, die schon
im Zimmer herumgehen durfte, kam zu ihr und
betrachtete sie aufmerksam. Aber Änny gab
weder ein Zeichen der Furcht noch der Freude.
Sie murmelte nur immer wieder: „Mutterle —
aber Mutterle —" Und die Angst schwang helle
Fackeln in ihren Augen.

Die Mizzi, die sich vor zwei Monaten den
Arm so schrecklich verletzt hatte, kam wieder zu
ihr und trug eine reine, lächelnde Puppe am
Arm und fragte zärtlich: „Willst Du sie nicht — ?"

Anna schaute mit stillen und jäh belebten
Augen auf. Eine unausgesprochene Frage und
eine ferne Fröhlichkeit lag auf ihrem blutleeren
Gesichtchen. Sie antwortete nichts, aber ihre
Arme breiteten sich langsam und verlangend
aus. Sie nahmen die Puppe wie einen er-
sehnten und doch nie besessenen Schatz.

Mizzi lächelte ganz mütterlich. Eilig lief
sie zu den Betten der anderen Kinder und ver-
langte alles von ihnen, was sie nur an Spiel-
zeug besaßen: einen zerzausten Hampelmann,
ein Schaf, welches ein sanftes Blöken von sich
gab, wenn man es nur herzhaft drückte, einen
kleinen Bären, dem ein Auge fehlte und ein
braunes, nettes Pferdchen. Das trug sie alles
freundlich lächelnd an das Bett der kranken
Anny, die diese Herrlichkeit mit staunenden
Äugen beschaute. Dann nahm sie diese wunder-
vollen, unbelebten Dinge und legte sie vor sich
hin auf die Decke und schaute immer darauf
hin . ..

Nur manchmal, wenn sie sehr müde wurde,
rief sie ganz leise: „Mutterle — Mutterle. . ."
Wie das Zwitschern eines Bögleins, das des
Nachts aus seinem Traum erwacht.

Der Abend kam und die sechs Kinder legten
sich aus die Seite und schliefen ein. Auch Anny,
die eine schwere, drückende Müdigkeit in sich trug.

Es war sehr still, die Nachtlampe leuchtete
wie ein roter, runder Stern, und der Raum
verschwamm in ungewissen Linien. In einer
Ecke bei einem Tischchen saß die Wärterin.
Anfangs schrieb sie. Aber dann wurde auch
sie schläfrig von der erschöpfenden Arbeit der
letzten Stunden und ihr Kopf sank langsam
herab.

Gegen elf Uhr erwachte die kleine Anny.
Das Zimmer schwamm in schwarzroten Lichte.
Sie erschrak furchtbar und empfand eine wahn-

sinnige Angst. „Mutterle —!! —" schrie sie.
„Mut—ter—lei" —

Ihre Brust tat ihr so weh.

Die Wärterin schlief fest. Aber Anny hörte
nicht auf, nach ihrer Mutter zu verlangen. Da
erwachte die zehnjährige Mizzi. Sie rief der
kleinen Anny etwas Beruhigendes zu. Aber die
hörte nicht auf zu klagen.

Die Wärterin zu wecken getraute sich Mizzi
nicht: die würde vielleicht böse werden, wie
schon oft, wenn man sie störte. So stieg sie
selbst vorsichtig aus dem Bettchen und ging zu
dem Lager der stöhnenden Anny. Dort setzte
sie sich auf den Bettrand und sprach ihr ernst-
haft zu, so wie sie es schon oft von Aerzteu
gehört hatte.

Und dann reichte sie ihr auch die Spielsachen.

Aber diesmal beachtete Anny die bunten
Geschöpfe nicht, sondern keuchte unausgesetzt:
„Mutterle — Mutterle —"

Da erzählte ihr Mizzi alle Märchen, die
sie kannte. Bon Rotkäppchen, von den Sternen-
gulden, von Dornröschen, von den verzauberten
Schwänen.

Und da wurde Anny endlich still und lauschte.

Nur manchmal klagte sie noch mit einem
verhaltenen Schluchzen: „Mut—ter—le — —"

Doch jählings kam es wie ein Krampf über
sie. Sie bäumte sich plötzlich auf, ein furcht-
bares Keuchen entrang sich ihrer Brust und
dann quoll ein Strom hellroten Blutes über
die Decke.

Entsetzt schrie Mizzi auf. Das Blut hatte
auch sie übergossen und ihr Hemd war rot davon.

Die Wärterin erwachte und lief rasch herbei.
Dann rief sie den Arzt. Als dieser kam, war
wieder ein tiefer Friede in dem Kinderkranken-
zimmer. Die kleine Mizzi hatte das blutfeuchte
Hemd von ihrem Körper gerissen und stand in
rührender Nacktheit vor dem Bettchen, in dem
Anny regungslos lag. Die braunen Augen
waren weit offen, aber sie hatten allen Glanz
verloren. Die eine Hand hielt eine blutbefleckte
Puppe. Der Mund war fest geschloffen, als
wollte er ein letztes, sehnsüchtiges Wort nicht
entgleiten lassen.

Die bestrafte wette

Line Freßgeschichte aus dem alten Hamburg
von Friedrich Freksa

Zur Zeit, da Hamburg noch nicht in den
deutschen Zollverein eingetreten war und man
in der Hansastadt noch das beste Essen kochte
und den edelsten Rotspohn in den Kellern lagern
ließ, war der große Genießer, Feinschmecker und
Konsul für Frankreich: Edward Gaudensnut
regierender Senator für die Enklave Cuxhafcn.

Wie fast alle großen Esser war Gandensnut
auch ein großer Arbeiter. Seinem unabhängigen
Sinne behagte seine herrschende Stellung gut
und nach des Tages Last und Mühen pflegte
er einen kleinen Kreis um sich zu versammeln,
aus dem ein jedes Mitglied ihm an Zungen-
sinn und Gaumenklugheit gleichkam.

In dem stattlichen Landhause des Senators
an der Elbe weilte zum dauernden Besuche
die verwitwete Frau Konsul Stolzenbecher, eine
Schwester Gaudensnuts. Sie hatte es sich zur
Pflicht gemacht, die unübertreffliche Küche ihres
Bruders durch scharfe Beobachtung und gelegent-
liche Einsührung neuer Gerichte auf ein noch
höheres Niveau zu bringen, wenn das über-
haupt möglich war. Neben ihr saß an jedem
Äbend an der Tafel des Senators der beste Rot-
spohnkenner der freien und Hansastadt Hamburg,
Jürgen Uhlenhut, der zu Cuxhafcn eine Werft
besaß. Durch seine verständigen Gespräche über
Politik und die Konjunkturen wußte er den Haus-
herrn angemessen und angeregt zu unterhalten.

Neben diesen beiden Gästen, die zum eisernen
Bestand der Tafel gehörten wie Pfeffer und

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Register
Friedrich Freksa: Die bestrafte Wette
Fritz Georg Antal: Kranke Kinder
Arpad Schmidhammer: Vignette
 
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