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Der stramm lutherische Gstelbier
und die ultramontane Zcutrumspartei

Gut, Alte, daß Du mich geweckt!

Mir träumte — der verdammte Sekt! —

Es hing an unsers Hauses Rinne
So was wie eine Riescnspinne.

Ihr Kops — Du weißt, ich war als Strom
Mit Vater selig mal in Rom —

Sah aus, nicht größer und nicht kleiner.

Wie einem Oberbonzen seiner.

■s Und dieses Untier sah mich an
Wie'n Basilisk und spann und spann
Um Fenster, Schornsteinrohr und Türen
Und fing auch an mich einzuschnüren,
i Die Arme und die Bein' gepreßt
• Hielt das Gespinst mich klammersest.
t Und da — ich seh noch seine Augen —
t! Begann das Vieh mich auszusaugen,

^ Den Kopf, die Brust, das Herz - Gott weiß! -
Es ließ mir übrig nur den Steiß
„ Und zischte grinsend: „Im Vertrauen!

1 Rindsleder kann ich nicht verdauen."

J Was sagst Du zu der Spinne bloß?

Ich wollt, wir wär'n die Schwarzen los!

:!> Jul. Adolf

tS •

vorn Münchner Luitpoldgymnasium

^ Ein Schüler hatte in einem Aufsatz an drei
verschiedenen Stellen die Wendungen „Tanz
ums goldene Kalb", „auf einem Vulkan tanzen"

|jj| und „nach jemandes Pfeife tanzen", gebraucht.
a« Er wurde wegen reger Teilnahme am Tanzen
> relegiert.

* * *
f

Ein an der Weichbildgrenze von München
^ wohnender Primaner hatte an einem schönen
■ Iunisonntag die Fenster seines Zimmers weit
! geöffnet. Er wurde dimittiert, weil er ohne
- Erlaubnis des Direktors eine Lust eingeatmet
^ hatte, die von außerhalb kam.

Es wurde dem Direktor nahegelegt, die
I Gerüchte zu widerlegen, die zum Schaden des
! Gymnasiums über seine Direktionsführung ver-
I breitet würden. „Ach was," erwiderte er, „ich
> entferne diese Gerüchte von meinem Gymnasium,

) weil sie ohne meine Genehmigung über die
Grenzen Münchens hinausgedrungen sind."

Frido

Mmistcrinangel

Schon wieder ist in Frankreich ein Mini-
sterium entthront. Die französischen Minister
stürzen leichter und häufiger als die Aviatiker,
und das will doch viel sagen. Wenn die Re-
' gierung für das Handelsgerichtsgebäude in
Tarascon zwei neue Wasserklosetts beantragt
und die Deputiertenkammer in Erwägung, daß
das Wasser der Rhone die Verdauung verlang-
samt, nur ein Klosett bewilligt, so muß das
Ministerium seinen Abschied nehmen; denn die
Ablehnung des einen Klosetts ist ein Beweis,
daß die Regierung das Vertrauen des Landes
nicht mehr besitzt.

Aber schon beginnt es an geeigneten Kan-
didaten für die Ministerposten zu fehlen. In
dieser Verlegenheit erscheint es patriotisch, inter-
nationale Austauschministerien einzurichten. Wie
praktisch wäre es z. B. jetzt, wenn man das
Kabinett Monis nach Wien und das Ministeri-
um Bienerth nach Paris schicken könnte!

liliedive

I#

Peter von Hrbues und Orterer

„Du bist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe, schade, daß Du in Deinen
Mitteln so beschränkt bist!"

500 Millionen Jahre Fegfeuer davon kommen,

— vorausgesetzt, daß die Strafe nicht gleich
auf ewige Höllenglut aufgerundet wird.

Vielleicht berechnet der klerikale Mathemati-
kus noch die Anzahl der Kalorien, die der liebe
Gott für einen solchen Sünder aufbringen muß,
teilt uns die Temperatur mit, bis zu welcher
das Fegefeuer geheizt wird und erzählt uns
Einiges über die betreffenden Heizanlagen so-
wie das Brennmaterial, das darin verbraucht
wird?! Auch über die Dienstverhältnisse der
an diesem kolossalen Hochofen angestelltcn Be-
amten Einiges zu erfahren, wäre interessant.
Vermutlich sind es meist ehemalige Angehörige
der 8. J., die sich schon im Leben damit befaßt
haben, Ketzer zu verbrennen und den Menschen
überhaupt die Hölle heiß zu machen?! Der
Iesuitenpater des „Journal d’Alsace Lorraine“
wird es jedenfalls zum Oberfeuerwerkcr bringen.

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flßarterl

auf die „Hnfübrer" der Cbristlicb-So}talen

Futsch ist nun die Partei mit einem Mal,

Die weder christlich war, noch sozial!

Die Führer liegen alle auf dem Steiß:
Weiskirchner macht dem Volke nichts mehr weis,
Geßmann, den größten Schreier seiner Zeit,
Vergess' man nun getrost in Ewigkeit!

Prinz Liechtenstein (das „Liecht" war immer klein)
Ist jetzt ein kaltgestellter Leichenstein.

In Hietzing wird kein Mensch mehr

„Neu-"ge„Mayert":

Es hat den Bürgermeister rausgefeuert!

O Wandrer, laß das Beten und entlauf'.
Denn Tote stehen niemals wieder auf!

- Beda

An Bernard Shaw

(Als er gegen die überhandnehmende Reinlichkeit wetterte)

Du hast, o Bernard Shaw, ein gutes Fell.

Du bist, wie jeder weiß, originell
Und schauderst vor dem stärksten Tobak nicht —
Wenn man nur von Dir spricht.

Des Ruhmes Gipfel ist oft garnicht steil:

Man sagt von allem stets das Gegenteil
Und säuert seinen Teig mit etwas Witz,

Dann heißt's: Ha — Geistesblitz!

Der Mensch, das Krokodil, der Frosch,

das Huhn —

Wer ist von ihnen gegen Schmutz immun?

Ein jeder wäscht sich, wann und wo es sei.

Und grunzt vergnügt dabei.

Nur, Bernard, Du trittst wieder auf den Plan
Und äußerst Dich: das ist nicht wohlgetan!

Ich wasche mich nur so darüber hin —

Und höchstens überm Kinn.

Wir sehn hier, Dichtersmensch, daß Du voll List
Und außerdem ein kleines Ferkel bist.

Jedoch mir ahnt: für Reinlichkeit bist Du
Beim nächsten Interwju.

Fff Fs»

„Theologie"

Das „Journal d’Alsace Lorraine“ veröffent-
licht die wissenschaftlichen Berechnungen eines
Iesuitenpaters, nach denen auch jeder
gläubigeKatholik im Tag durchschnittlich
10 Sünden begeht und dafür, angenommen,
daß er die Hälfte der Sünden im Leben noch
abbüßt, 30,000 Stunden, das ist 3 Jahre
3 Monate und 15 Tage im Fegfeuer
abzubüßen hat.

Ein Liberaler, der weder an die Unfehl-
barkeit des Zentrums, noch an die Gottähnlich-
keit des Klerus, noch daran glaubt, daß der
Papst ein höherer Vorgesetzter des lieben Gottes
ist, begeht nun durch sein bloßes Dasein und
Verharren in Scheußlichkeit pro Sekunde wenig-
stens eine Sünde. Das macht bei einem Sech-
ziger schon gegen zwanzig Milliarden Sünden
und er wird, schwach gerechnet, nicht unter

Befürchtung

„haben Sie gelesen, die Reichrfinanzen schließen
mit u? Millionen Uel> erschuß ab."

„So? Na, da werden wir wohl bald neue

Steuern bekommen!"

sie

Ein Gespräch im Elysium

Friedrich der Große: „Na, lieber Kant,
wenn Sie vor das Iatho'sche Spruchkollegium ge-
kommen wären!"

Kant: „Ich? Das wäre noch nicht so schlimm
gewesen. Aber Sire, danken Sie dem Himmel,
daß Sie schon tot sind. Sonst hätte das Spruch-
kollegium sicher festgestellt, daß eine weitere Wirk-
samkeit Eurer Majestät innerhalb der evangeli-
schen Landeskirche der älteren Provinzen Preußens
mit der Stellung, die Sie zum Bekenntnis der
Kirche einnehmen, unvereinbar ist."

Wilhelm I.: „Und wie wäre es Dir ge-
gangen, lieber Papa?"

Friedrich Wilhelm III.: „Sei Du nur still,
mein Sohn! Diele Deiner toleranten Aeußerungen
riechen auch bedenklich itad; Irrlehre."

Friedrich III.: „Unser aller Schicksal wäre
noch zu ertragen gewesen. Aber wie wäre es
erst einem andern ergangen, den wir alle als
den Urmeister der Toleranz verehren?"

Alle: „wer ist das?"

Friedrich III.: „Nun, wie wäre es dem
lieben Gott ergangen, wenn er in der Landes-
kirche der älteren Provinzen Preußens Pfarrer
gewesen wäre?"

Wilhelm I.: „VH weh, dann würde Bis-
marck gesagt haben: wir Deutschen fürchten
das Spruchkollegium und sonst nichts
a uf der w e lt."

Friedrich der Große: „Und der preußische
wahlsxruch würde dann lauten: Mit dem
Sxruchkollegium für König und Vater-
land l" Frida

Auch der Papst scheint sich jetzt dem Luftsport
ergeben zu wollen; denn sicherem vernehmen nach
wird er zu Ehren der in Preußen genehmigten
Feuerbestattung nächstens im Vatikan eine eigene
Fluch-Woche veranstalten, um dabei mit einem
neuen großen Rund-Fluch (Enzyklika) einen
Rekord aufzustelleu,
Index
Frido: Vom Münchner Luitpoldgymnasium
[nicht signierter Beitrag]: Befürchtung
[nicht signierter Beitrag]: Ohne Überschrift
Eff Ess: An Bernhard Shaw
Monogrammist Frosch: Peter von Arbues und Orterer
Julius Adolf: Der stramm lutherische Ostelbier
Frido: Ein Gespräch im Elysium
Beda: Marterl
pps: Theologie
Khedive: Ministermangel
 
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