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Trost

Eichrodt

„So, so, Ihr Sohn ist gestorben?! Trösten Sie
sich, gute Frau» er wäre »och nicht nach Prima ver-
setzt worden!"

*

Der Schwäbische „Reichstag"

Was soll denn dees klostn) Schiffle macha
Im Häfele vor Agadir?

Send dees net schreckst dumme Sacha?

Am End goht alles hinderfiir!

Miar wella doch im Frieda leba
Wia guate Fremd ond Gschwischterle!

Muof; es mit Gwalt a Kriagle geba?! —
Was moinscht denn Du, Minischterle?

Hendh Dich dia Breißa-Herrle gfrogat.

Eh s' gfahra send in Hafa rtet(rt) ?

Hend se alloi(n) dees Schtroichle gwogat?? —
Noisn), Herrle, noi(n), dees derft net fet(n)!

Was hoscht jetzt gmoint? — Du

woischt nix, Mändle?

Ond sagscht au vorerscht nix zom Schritt?!
Wenn's so ischt, teand^) vom Schwobaländle
Dia Rota oi(n)fach gar net mit!

Brda

*) haben, ’) tun.

Der neue Bund

Die konstituierende Versammlung des rhei-
nisch-westfälischen Bundes der Schwerindustrie
hat nunmehr in Trakehnen stattgefunden. Kom-
merzienrat Dorf begrüßte die Anwesenden und
verlas unter stürmischem Jubel folgendes Tele-
gramm des Herrn Heydebrand von der Mancha:
„Glückauf! Schlage vor. Euren Bund Sancho-
Pansa-Bund zu nennen." Der Vorschlag wurde
mit allen in der Versammlung vertretenen Aktien
angenommen. Als erster Referent sprach Herr
von Oldenburg-Ianuschau über das Thema
„Solidarität". Seine Ausführungen schlossen
mit dem einstimmig angenommenen Anträge,
die rheinisch-westfälischen Roheisen-
industriellen sollten sich verpflichten,
auf jede Tonne Koks je 1 Tonne Ge-
treide in den Hochofen zu schütten,
wofür die preußischen Junker die
Verpflichtung einzugehen hätten,
jedes von ihnen in Zukunft ge-
lesene Buch in Stahlblech einbinden
zu lassen. Ein anwesender Zen-
trumsgeistlicher, der wegen seiner
Leibesfülle um die Erlaubnis bat,
von seinem Platze aus sprechen zu
dürfen, versicherte, auch er gehöre
zur Schwerindustrie, und regte an,
die Eingangstüren zu den Labo-
ratorien der großen Eisenwerke von
jetzt ab mit schwarzblauen Schleifen
zu dekorieren. junius

GEL

leim


Hertting

Epochemachende Erfindung!
„Jathotvator"

(Preußisches Patent angemeldet)

Sobald sich der Geistliche vom Dogma entfernt,
aennat ein Griff des »verwachenden Beamten und
der Geistliche verschwindet vor den Augen seiner
Gemeinde tim Orkus).

Wo kein Rläger ist, ist kein Richter

Exzellenz von Wehner erklärt, daß die über
die Direktionsführung des Kammerpräsidenten
von Orterer umherschwirrenden Gerüchte ihm
keine Veranlassung zum Einschreiten geben, da
bisher keine Beschwerde der beteiligten Eltern
an ihn gelangt sei.

Das ist der einzig mögliche Kulturstandpunkt.
Nur in barbarischen Staaten ist es anders. In
der Türkei z. B. war es möglich, daß die Re-
gierung in der Angelegenheit des geraubten
Ingenieurs Richter vorging, ohne daß ein Straf-
antrag des Geraubten vorlag. Herr v. Wehner
würde ohne eine schriftliche Beschwerde des p.
Richter nicht eingeschritten sein.

Dieselbe vornehme Zurückhaltung würde
Herr von Wehner beobachten, wenn der Ver-
dacht eines Justizmordes laut würde. Er würde
aus seiner neutralen Reserve nie heraustreten,
so lange nicht ein eigenhändiger Antrag des
Hingerichteten auf Wiederaufnahme des Ver-
fahrens vorliegt.

1 ' Klicdive

(Schon ins zweite 3al;r dauert ein unerquicklicher SrcnzflnHstreit zwischen Bayern
und Desterreich. «Es handelt sich um die Tiroler oder Aössener Ache, die auf öster-
reichischen, Gebiet enisprinqt und zum größere» Teil auch auf österreichischem Gebiet
läuft unterbalb Köff-N nach Bayern Übertritt und schließlich dem Thiemsee ihre waffer
zuführt. westerreich plante nun, die Aöffener Ache „ach dem gnn abzuleiten, um so
auf österreichischem Gebiet die Wasserkräfte der Ache für sich zu gewinnen.)

Mobilmachung
Schon sammelt Oesterreich seine „Bnchhendl"-Bataillone, während
Bayern seine Batterien aufgefahrcn hat und jeden Moment bereit ist —
anzuzapscn.

Im Warenhaus „Marokko"

Michel! „O diese Heuchlerin! Sic stiehlt wie
ein Rabe, während sie Lieder a»S der Bibel fingt!"

Die „Madonna in der Roscnlaube" und
die g'schamigen -Eeut

In Köln, auf einem alten Bild,

Sitzt zwischen Rosenlaubgewiud
Die Gottesmutter zart und mild
Mit einem nackten Jesuskind.

Da so etwas die edle Art
Der Frommen ganz verderben kann.

So zog man auf der Ansichtskart
Dem Kind ein Lendenschürzlein an.

Daniit war allerdings zunächst
Das Hebel dieserorts kuriert,

Doch wo ein neues Kindlein wächst.

Da kommt es frech und ungeniert

Doch immer noch ganz nackt zur Welt-

Ganz splitternackt von allem bloß.

Wenn man sich das vor Augen hält-

Oh Gott, wie ist die Schande groß!

Man sieht, der liebe Gott wird alt;

Wär' er nach neu'ster Mode srumm,

Dann hätt' ein jedes Kindlein halt
Schon bei Geburt ein Schürzlein um.

Fritz Sänger

Ein Giegesfest

Das Reichsgericht hat das Urteil der Greifs-
walder Strafkammer gegen Becker aufgehoben.
Die agrarische „Deutsche Tageszeitung" bricht über
den Spruch des Reichsgerichts in lauten Jubel
aus; seine Begründung sei eine Widerlegung der
„verlogenen, liberalen Agitationsbehauptungen",
ein „direkter Peitschenhieb" für alle, die sich an
dem „Verleumdungsfeldzug" gegen das Greifs-
walder Urteil beteiligt haben.

Das sind goldene Worte, die sich die Liberalen
hinter ihre Ghren schreiben sollten, wenn nicht
diese Stätte für jene heiligen Worte zu unrein
wäre. Dem Himmel sei Dank, die gerechte Sache
hat gesiegt! Wenn — was die Vorsehung ver-
hütet hat — die Revision znrückgewiesen worden
wäre, so wäre das eine Widerlegung der Behaup-
tungen des Greifswalder Staatsan-
walts gewesen, es wäre ein direkter
Peitschenhieb für den Landrat von
Maltzahn gewesen, und die Liberalen
hätten recht gehabt, in ein Siegesge-
heul auszubrechen. Aber da das Ur-
teil aufgehoben ist, so jubelt die gutge-
sinnte, die patriotische Presse. Becker
und alle seine Freunde haben durch
das Urteil des Reichsgerichts einen
Peitschenhieb erhalten, das Reichs-
gericht hat durch seinen Spruch dem
Greifswalder Landgericht recht ge-
geben.

Das Reichsgericht hat das Greifs-
walder Urteil vernichtet und dadurch
den Becker verurteilt; das Reichs-
gericht hat den Greifswalder Spruch
aufgehoben und ihn dadurch bestätigt.

Frida
Register
Hellmut Eichrodt: Trost
Monogrammist Pentagramm: Im Warenhaus "Marokko"
Monogrammist Frosch: Mobilmachung
Junius: Der neue Bund
Beda: Der Schwäbische "Reichstag"
Frido: Ein Siegesfest
Georg Hertting: Epochemachende Erfindung! Jathowator
Fritz Sänger: Die "Madonna in der Rosenlaube" und die g'schamige Leut
Khedive: Wo kein Kläger ist, ist kein Richter
 
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