DOI Heft:
Nr. 38
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.4279#0316
Kirchweih im Dachauer Moos
Julius Carben (München)
wußte, daß die Tage der Vase gezählt waren.
Und der letzte Tag brach an, heute würde es
geschehen. Starz schritt wie im Fieber durch das
Kabinett, die Pritsche fest in der Hand, als sei
sie hineingeschraubt.
Da kam wider Erwarten ein Besucher, ein
dunkler, kleiner Mann mit einem Schlapphut
und einem verschlissenen Havelock, Or. Kohn-
heim, Privatgelehrter.
„Sie glauben also, das hier ist eine etrus-
kische Vasensammlung?", sagte er, als er eintrat,
zu Starz und lachte höhnisch. Darauf zog er
Papiere und Bilder aus seiner Tasche und be-
gann seine Skizzen mit den Töpfen zu ver-
gleichen. Als er an die große Vase kam, ver-
langte er die Rückseite zu sehen, und Storz
schnitt willig den Faden durch. Weil's gleich
ist, dachte er, in einer Stunde ist fie so wie
so hin.
Als aber vr. Kohnheim die gemalte Zote
sah, schlug er eine gellende Lache auf.
„Ein FSlicien Rovs auf einer etruskischen
Base ist nicht schlecht/' schrie er. „Sechs Thor-
waldsens, drei Ingres' und vierzehn Genellis
habe ich in diesem Schwindelkabtnett schon fest-
B^fteUt, aber dieser Rops, dieses Weib mit der
Pariser Schnürtaille schlägt dem Faß den Boden
aus!" und dabei hob er die Hand.
Das war sein Unglück. Storz sah den Arm,
!örte etwas vom Boden ausschlagen und schon
auste sein Mäusetöter aus den Schädel Kohn-
heims, einmal, zweimal, dreimal. Beim dritten
Mal überschlug sich Kohnheim nach hinten und fiel
in eine Vitrine. — Es gab einen großen Auflauf,
der Direktor kam mit seinem Bieratem und Aerzte
kamen, aber dem armen Kohnheim konnte kein
Mensch mehr helfen. Er hatte eine auffällig dünne
Schädeldecke gehabt, außerdem hatte er die be-
rühmte Base zerschlagen wollen. Storz hatte
getan, was seines Amtes war, er bekam zur
Belohnung einen Orden und überdies den Po-
sten eines Portiers in einem prinzlichen Palais.
Julius Carben (München)
wußte, daß die Tage der Vase gezählt waren.
Und der letzte Tag brach an, heute würde es
geschehen. Starz schritt wie im Fieber durch das
Kabinett, die Pritsche fest in der Hand, als sei
sie hineingeschraubt.
Da kam wider Erwarten ein Besucher, ein
dunkler, kleiner Mann mit einem Schlapphut
und einem verschlissenen Havelock, Or. Kohn-
heim, Privatgelehrter.
„Sie glauben also, das hier ist eine etrus-
kische Vasensammlung?", sagte er, als er eintrat,
zu Starz und lachte höhnisch. Darauf zog er
Papiere und Bilder aus seiner Tasche und be-
gann seine Skizzen mit den Töpfen zu ver-
gleichen. Als er an die große Vase kam, ver-
langte er die Rückseite zu sehen, und Storz
schnitt willig den Faden durch. Weil's gleich
ist, dachte er, in einer Stunde ist fie so wie
so hin.
Als aber vr. Kohnheim die gemalte Zote
sah, schlug er eine gellende Lache auf.
„Ein FSlicien Rovs auf einer etruskischen
Base ist nicht schlecht/' schrie er. „Sechs Thor-
waldsens, drei Ingres' und vierzehn Genellis
habe ich in diesem Schwindelkabtnett schon fest-
B^fteUt, aber dieser Rops, dieses Weib mit der
Pariser Schnürtaille schlägt dem Faß den Boden
aus!" und dabei hob er die Hand.
Das war sein Unglück. Storz sah den Arm,
!örte etwas vom Boden ausschlagen und schon
auste sein Mäusetöter aus den Schädel Kohn-
heims, einmal, zweimal, dreimal. Beim dritten
Mal überschlug sich Kohnheim nach hinten und fiel
in eine Vitrine. — Es gab einen großen Auflauf,
der Direktor kam mit seinem Bieratem und Aerzte
kamen, aber dem armen Kohnheim konnte kein
Mensch mehr helfen. Er hatte eine auffällig dünne
Schädeldecke gehabt, außerdem hatte er die be-
rühmte Base zerschlagen wollen. Storz hatte
getan, was seines Amtes war, er bekam zur
Belohnung einen Orden und überdies den Po-
sten eines Portiers in einem prinzlichen Palais.