Tm £enbadj=fjaus
Ein Stück Florenz im nordischen Athen!
Ein Garten, wie in Märchenschlummer
träumend —
Tie letzten matten, braunen Blätter weh'n
Ueber den Rasen — Wasser fallen schäumend
In einen Brunnen aus Lionardo's Tagen,
Den schilfumgrünte Hippokampen tragen . . .
Geschnitlne Hecken säumen schnurgerade
Mit dunklen Mäuerchen die lichten Pfade;
Uraltes Steinwerk leuchtet aus dem Grün
Und dort, im Beet, wo späte Rosen glüh'n,
Schaut hoch vom Sockel eine Marmorfrau —
Jst's nicht, als ob die weißen Glieder schauern
Im deutschenHcrbstwind, der sie fremd und rauh
Umhaucht? — Ein Frösteln, ein geheimes
Trauern
Bebt in des ganzen Gartens müder Pracht,
Von einer Stille, die beklommen macht,
Von wehem Warten ist die Brust beschwert —
Warten auf Einen, der nicht wiederkehrt!
Nun tret' ich ans des Gartens Friedhofrnh'
In des Palazzos kühle Bogenhallen —
Ein Riegel klirrt und eine Tür fällt zu
Durch leere Räume dröhnt ein Echoschallen —
Dann wieder Schweigen I Schweigen
schleicht mit mir
Die Stufen aufwärts, heimlich, sammetweich —
Und einsam steh' ich nun in seinem Reich,
Kaum Atem holend und von Ehrfurcht stumm:
In unberührter Herrlichkeit ringsum
Prangt all die Schönheit, die ein Großer schuf
Und die im Grund nur Abglanz war und Hülle
Von seines Wesens ungemess'ner Fülle —
Denn alle Künste folgten seinem Ruf!
Je mehr ich weilen darf, je lauter spricht
Sein Geist zum Gaste aus dem Dämmerlicht
Der stillgewordnen Werkstatt hier — je mehr
Scheint wach zu werden, was da schlief umher!
Wie da berückend von damastnen Wänden
Gehäufter Bilder Menge niederstrahlt —
Farbige Wunder, von gefeiten Händen
In unerfaßbar reicher Zeit gemalt!
Und dort des Enkels eignes Schaffen zwischen
Der Ahnen Kunst, der ewig Jungen, Frischen!
Da lächeln prangend aus der Rahmen Gold,
Tie er um sich geschart, die schönen Damen
Unheimlich fast lebendig, sein und hold —
Und hundert Träger ruhmbeglänzter Namen;
Vor denen einst die Menschheit sich gebückt:
Kaiser und Könige — vom Reich der Geister
Die Fürsten auch, der Tonkunst größter Meister
Und Dichter, die der Kranz der Muse schmückt —
Staatsmänner, Dcnkerhäupter, streng und klug,
Streiter im Kampfe wider Wahn und Trug •..
Und Er vor Allen, wie aus Stein gehauen,
So markig — fest, der da im Sessel sitzt
Und dessen Tatkraft unter Wotans Brauen
Dräuend hervor aus großen Augen blitzt:
Sein Bismarck, dessen treu'ster Paladin
Ein Maler war! In Vollkraft schuf er ihn
Zum Bilde so, als noch die Welt gezittert
Vor dessen Grollen — so schon krank und matt,
Vom Hauch des Todes ahnungsvoll umwittert —
Und schlummernd so, auf letzter Ruhestatt:
Wer groß und stark und eigen war und frei,
Den hielt der Meister fest: im Konterfei,
Er schloß zu seltsam ehernem Gefüge
Des Mannes Geist auch in des Mannes Züge
Und blieb er trotzig kernhaft, wo sein Bild
Knorriger Mannheit Wesen scharf umschrieben -
Wie wurde seine Kunst nun zärtlich mild,
Galt sie dem teuern Antlitz seiner Lieben!
Wie warf sein Werk dann spiegelgleich zurück
Des eignen Hauses friedevolles Glück,
Um Weib und Kinder froh der Welt zu zeigen:
Seht her! Die Hab' ich — so sind
sie mein Eigen! —
Ein Haus der Wunder! Stimmen'
des Lebens klingen
In seinem Schweigen an des Geistes Ohr,
Aus Bildern nicht nur — aus
Vielhundert Dingen:
Bis ans geschnittene Gebälk empor,
Das dunkelschaltend hoch die Decke trägt,
Funkelt's von Götterbildern, Schaugeräten,
Gestaltenreich durchwobenen Tapeten,
Von altem Bildwerk, wunderlich geschnitzt.
Aus Truh'n und Kasten, ragenden
Schränken blitzt
Manch köstlich Kunstwerk, Erbe unsrer Alten
Waffen und Schalen, Becher und Pokale —
Weichbunte Seide fließt mit schweren Falten
Herab vom güldnen Rahmen der Portale
Und von der Fenster freigeschwungnen Bogen
In mildem Glanz, von Raukenschmuck
durchzogen! —
Hier eine Brunnengrotte, dämmrig kühl,
Ein Traum aus Roms Cäsarenzeit! Und leise
Plätschert der Strahl in eines Beckens Kreise,
Erquickung bietend, war der Tag zu schwül.
Und drüben zieht sich breit durch ein Geschoß
Die wechselreichste Flucht von Festgemächern —
Gleich stolzen Prunk eint unter seinen Dächern
Mit gleicher Traulichkeit kein Königsschloß!
Und nichts ist nur der Pracht zu Liebe prächtig,
Der Glast und Reichtum ist nicht
tot und leer —
All' dies ist Einheit und dies Eins — war er!
Sein Schöpfergeist spricht aus der wundervollen,
Zum festen Kreis geschloss'nen Harmonie —
Zusammen trat Vollendung hier und Wollen
In ihr und andachtsvoll begreif' ich sie!
Er rang nach Schönheit ohne Ziel und Zeit,
Nach Schönheit, die begeistert und befreit,
Nicht nach des Tages Wunsch und Meinung fragt,
Untrüglich ihr Gesetzbuch in sich trägt
Und so, von Haß und Liebe nie gefährdet,
Sich selber durchsetzt und sich selber wertet!
Ich fühl' ihn nahe, der hier schuf und sann,
Ein ganzer Mann, ein Ganzer und ein Mann,
Der nie vor Mächtigen den Nacken bog,
Wenn Ehrfurcht nicht die Stirn ihm niederzog!
Ihn: hat das Glück so seltne Gunst gegeben:
Ein Fürst in seiner eignen Welt zu leben —
Was auch die Zukunft noch für Götter schafft,
Er dauert fort, wie alle wahre Kraft!
Mit wärmer'm Glanze strömt der Wiederschein
Rosiger Wolken in die hohen Zimmer.
Über den Bildern und Metall und Stein
Ist huschend ein geheimnisvoller Schimmer,
Den Abend kündend, freundlich nun
erglommen —
Ich wende mich, erhoben und gerührt
Und schreite reicher fort, als ich gekommen, j
Der Stunde dankbar, die mich hergeführt!
Der Garten liegt nicht schläfrig mehr und kalt —
Sonne erfüllt ihn. Von den Gassen schallt
Geschäftig rauschend her des Werktags Lärmen -
Ein Lachen tönt herein von Kinderschwärmen -
Den Springbrunn übergoldet letzte Glut
Und Amseln baden sich in seiner Flut. . .
sritz v. Osten»
Die fflärcfyenprinzefi
Von Lecile Tormay
Die Prinzessin lebte auf einem poetischen
Bild des alten Märchenbuches. Sie war so
schön und so blond, wie's nur Prinzeßchen in
Märchenbüchern sein können. Sie trug ein
goldgesticktes Kleid, ein perlengesticktes Gretchen-
täschchen an der Seite und in den Händen eine
weiße Lilie. Seit sie sich erinnern konnte, hatte
sie auf dem Erker ihrer Burg gestanden und
blickte hinab in eine Landschaft, die sich nie
veränderte.
Ewig eine Lilie in der Hand halten müssen
— wie abgeschmackt, wie dumm! Sie hätte
sie hinwerfen mögen und davonlaufen aus ihrem
Märchenbild in die weite Welt. Hier, in dem
albernen Buch, langweilte sie alles. Aber auch
schon alles: die Sonne, die immer am himmel-
blauen Himmel stand; die Kletterrosen, die sich
an die Burgmauer rankten; und am meisten
der Fiedelmann dort unten in der Lindenallee.
Seit Jahren kam er auf Prinzeßchen zu und
erreichte nie sein Ziel.
Einmal, als draußen in der Welt Nacht
war und auf dem Bild die Sonne eigensinnig
weiterschien, da schrie die Prinzessin ärgerlich
und gereizt um Hilfe.
Durch hundert Blätter gellte der Schrei.
Auf dem nächsten Bild des Märchenbuches
lebte eine alte Hexe. Um sie im Mondschein
hockten blinzelnde Kröten. Schlangen wanden
sich im Moos. Die Hexe wußte, wie Einförmig-
keit quält. In jungen Jahren war auch sie
mehr als einmal dem Märchenbuch entflohen,
dem Abenteuer entgegen. Aber jetzt war sie
alt und brav.
Alte Hexen lieben es, junge Prinzessen zu
verkuppeln. Die Hexe zögerte nicht lang. Sie
1402
Ein Stück Florenz im nordischen Athen!
Ein Garten, wie in Märchenschlummer
träumend —
Tie letzten matten, braunen Blätter weh'n
Ueber den Rasen — Wasser fallen schäumend
In einen Brunnen aus Lionardo's Tagen,
Den schilfumgrünte Hippokampen tragen . . .
Geschnitlne Hecken säumen schnurgerade
Mit dunklen Mäuerchen die lichten Pfade;
Uraltes Steinwerk leuchtet aus dem Grün
Und dort, im Beet, wo späte Rosen glüh'n,
Schaut hoch vom Sockel eine Marmorfrau —
Jst's nicht, als ob die weißen Glieder schauern
Im deutschenHcrbstwind, der sie fremd und rauh
Umhaucht? — Ein Frösteln, ein geheimes
Trauern
Bebt in des ganzen Gartens müder Pracht,
Von einer Stille, die beklommen macht,
Von wehem Warten ist die Brust beschwert —
Warten auf Einen, der nicht wiederkehrt!
Nun tret' ich ans des Gartens Friedhofrnh'
In des Palazzos kühle Bogenhallen —
Ein Riegel klirrt und eine Tür fällt zu
Durch leere Räume dröhnt ein Echoschallen —
Dann wieder Schweigen I Schweigen
schleicht mit mir
Die Stufen aufwärts, heimlich, sammetweich —
Und einsam steh' ich nun in seinem Reich,
Kaum Atem holend und von Ehrfurcht stumm:
In unberührter Herrlichkeit ringsum
Prangt all die Schönheit, die ein Großer schuf
Und die im Grund nur Abglanz war und Hülle
Von seines Wesens ungemess'ner Fülle —
Denn alle Künste folgten seinem Ruf!
Je mehr ich weilen darf, je lauter spricht
Sein Geist zum Gaste aus dem Dämmerlicht
Der stillgewordnen Werkstatt hier — je mehr
Scheint wach zu werden, was da schlief umher!
Wie da berückend von damastnen Wänden
Gehäufter Bilder Menge niederstrahlt —
Farbige Wunder, von gefeiten Händen
In unerfaßbar reicher Zeit gemalt!
Und dort des Enkels eignes Schaffen zwischen
Der Ahnen Kunst, der ewig Jungen, Frischen!
Da lächeln prangend aus der Rahmen Gold,
Tie er um sich geschart, die schönen Damen
Unheimlich fast lebendig, sein und hold —
Und hundert Träger ruhmbeglänzter Namen;
Vor denen einst die Menschheit sich gebückt:
Kaiser und Könige — vom Reich der Geister
Die Fürsten auch, der Tonkunst größter Meister
Und Dichter, die der Kranz der Muse schmückt —
Staatsmänner, Dcnkerhäupter, streng und klug,
Streiter im Kampfe wider Wahn und Trug •..
Und Er vor Allen, wie aus Stein gehauen,
So markig — fest, der da im Sessel sitzt
Und dessen Tatkraft unter Wotans Brauen
Dräuend hervor aus großen Augen blitzt:
Sein Bismarck, dessen treu'ster Paladin
Ein Maler war! In Vollkraft schuf er ihn
Zum Bilde so, als noch die Welt gezittert
Vor dessen Grollen — so schon krank und matt,
Vom Hauch des Todes ahnungsvoll umwittert —
Und schlummernd so, auf letzter Ruhestatt:
Wer groß und stark und eigen war und frei,
Den hielt der Meister fest: im Konterfei,
Er schloß zu seltsam ehernem Gefüge
Des Mannes Geist auch in des Mannes Züge
Und blieb er trotzig kernhaft, wo sein Bild
Knorriger Mannheit Wesen scharf umschrieben -
Wie wurde seine Kunst nun zärtlich mild,
Galt sie dem teuern Antlitz seiner Lieben!
Wie warf sein Werk dann spiegelgleich zurück
Des eignen Hauses friedevolles Glück,
Um Weib und Kinder froh der Welt zu zeigen:
Seht her! Die Hab' ich — so sind
sie mein Eigen! —
Ein Haus der Wunder! Stimmen'
des Lebens klingen
In seinem Schweigen an des Geistes Ohr,
Aus Bildern nicht nur — aus
Vielhundert Dingen:
Bis ans geschnittene Gebälk empor,
Das dunkelschaltend hoch die Decke trägt,
Funkelt's von Götterbildern, Schaugeräten,
Gestaltenreich durchwobenen Tapeten,
Von altem Bildwerk, wunderlich geschnitzt.
Aus Truh'n und Kasten, ragenden
Schränken blitzt
Manch köstlich Kunstwerk, Erbe unsrer Alten
Waffen und Schalen, Becher und Pokale —
Weichbunte Seide fließt mit schweren Falten
Herab vom güldnen Rahmen der Portale
Und von der Fenster freigeschwungnen Bogen
In mildem Glanz, von Raukenschmuck
durchzogen! —
Hier eine Brunnengrotte, dämmrig kühl,
Ein Traum aus Roms Cäsarenzeit! Und leise
Plätschert der Strahl in eines Beckens Kreise,
Erquickung bietend, war der Tag zu schwül.
Und drüben zieht sich breit durch ein Geschoß
Die wechselreichste Flucht von Festgemächern —
Gleich stolzen Prunk eint unter seinen Dächern
Mit gleicher Traulichkeit kein Königsschloß!
Und nichts ist nur der Pracht zu Liebe prächtig,
Der Glast und Reichtum ist nicht
tot und leer —
All' dies ist Einheit und dies Eins — war er!
Sein Schöpfergeist spricht aus der wundervollen,
Zum festen Kreis geschloss'nen Harmonie —
Zusammen trat Vollendung hier und Wollen
In ihr und andachtsvoll begreif' ich sie!
Er rang nach Schönheit ohne Ziel und Zeit,
Nach Schönheit, die begeistert und befreit,
Nicht nach des Tages Wunsch und Meinung fragt,
Untrüglich ihr Gesetzbuch in sich trägt
Und so, von Haß und Liebe nie gefährdet,
Sich selber durchsetzt und sich selber wertet!
Ich fühl' ihn nahe, der hier schuf und sann,
Ein ganzer Mann, ein Ganzer und ein Mann,
Der nie vor Mächtigen den Nacken bog,
Wenn Ehrfurcht nicht die Stirn ihm niederzog!
Ihn: hat das Glück so seltne Gunst gegeben:
Ein Fürst in seiner eignen Welt zu leben —
Was auch die Zukunft noch für Götter schafft,
Er dauert fort, wie alle wahre Kraft!
Mit wärmer'm Glanze strömt der Wiederschein
Rosiger Wolken in die hohen Zimmer.
Über den Bildern und Metall und Stein
Ist huschend ein geheimnisvoller Schimmer,
Den Abend kündend, freundlich nun
erglommen —
Ich wende mich, erhoben und gerührt
Und schreite reicher fort, als ich gekommen, j
Der Stunde dankbar, die mich hergeführt!
Der Garten liegt nicht schläfrig mehr und kalt —
Sonne erfüllt ihn. Von den Gassen schallt
Geschäftig rauschend her des Werktags Lärmen -
Ein Lachen tönt herein von Kinderschwärmen -
Den Springbrunn übergoldet letzte Glut
Und Amseln baden sich in seiner Flut. . .
sritz v. Osten»
Die fflärcfyenprinzefi
Von Lecile Tormay
Die Prinzessin lebte auf einem poetischen
Bild des alten Märchenbuches. Sie war so
schön und so blond, wie's nur Prinzeßchen in
Märchenbüchern sein können. Sie trug ein
goldgesticktes Kleid, ein perlengesticktes Gretchen-
täschchen an der Seite und in den Händen eine
weiße Lilie. Seit sie sich erinnern konnte, hatte
sie auf dem Erker ihrer Burg gestanden und
blickte hinab in eine Landschaft, die sich nie
veränderte.
Ewig eine Lilie in der Hand halten müssen
— wie abgeschmackt, wie dumm! Sie hätte
sie hinwerfen mögen und davonlaufen aus ihrem
Märchenbild in die weite Welt. Hier, in dem
albernen Buch, langweilte sie alles. Aber auch
schon alles: die Sonne, die immer am himmel-
blauen Himmel stand; die Kletterrosen, die sich
an die Burgmauer rankten; und am meisten
der Fiedelmann dort unten in der Lindenallee.
Seit Jahren kam er auf Prinzeßchen zu und
erreichte nie sein Ziel.
Einmal, als draußen in der Welt Nacht
war und auf dem Bild die Sonne eigensinnig
weiterschien, da schrie die Prinzessin ärgerlich
und gereizt um Hilfe.
Durch hundert Blätter gellte der Schrei.
Auf dem nächsten Bild des Märchenbuches
lebte eine alte Hexe. Um sie im Mondschein
hockten blinzelnde Kröten. Schlangen wanden
sich im Moos. Die Hexe wußte, wie Einförmig-
keit quält. In jungen Jahren war auch sie
mehr als einmal dem Märchenbuch entflohen,
dem Abenteuer entgegen. Aber jetzt war sie
alt und brav.
Alte Hexen lieben es, junge Prinzessen zu
verkuppeln. Die Hexe zögerte nicht lang. Sie
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