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Dor Weihnachten

Nun kommt herbei mit schnellen Füßen
Der so beliebte Weihnachtsmann.

Die Köchin sängt schon mich zu grüßen
Und besser zu behandeln an.

Das Christkind mustert seine Gaben
Im Wolkenreich und zählt exakt:

„Ich werd doch nichts vergessen haben?

Hab' ich auch Alles eingepackt?

Für Wintersportler gutes Wetter,

Und Skigelände, einwandfrei, —

Ein Dutzend prima Feigenblätter
Für Münchens strenge Polizei —

Für Kronprinz Wilhelm zwanzig Wiegen —
Ein Fluch-Schiff für den Vatikan —

Für Michel ein paar Tsetsefliegen —

Für Bull 'neu deutschen Festungsplan —

Fürs Zentrum eine Stirne steinhart
Und eine Wahlbund-Sakristei, —

Ein Ehren-Fahrplan für Max Reinhardt —
Für Richard Strauß 'ne Melodei —

Für die Eulalia, die stramme,

Der Tugendrose schöne Zier —

Für Iagow tausend Kilogramme
Vortrefflichstes Erlaßpapier —"

So höre ich das Christkind zählen,

Die Gaben häufend hoch bergan.

Und nicht vergeblich ist sein Quälen:
Zufrieden sein wird Jedermann.

Nur einer an dem Strand der Seine
Sitzt unterm Weihnachtsbaum und denkt:
„Wer heut'wohl wem und wo die schöne,
Treulose Mona Lisa schenkt? . ..."

Karlchen

Liebe Jugend!

Kürzlich war ich in dem kleinen Städtchen X.
und wohnte dort einer Vorstellung des ftoftheaters
bei. In der Pause begab ich mich^ im Foyer-
Restaurant an das sehr belagerte Buffet und er-
oberte mit Mühe zwei Brötchen mit Schinken
für meine Dame und mich. Als ich mich aber
mit der schwer eroberten Beute in Sicherheit
bringen wollte, bemerke ich, wie ein älterer kserr
mir den einen Teller wegnehmen will, und wurde
ihm daher etwas deutlich; da stößt mich ein neben
mir stehender Herr an und sagt freundschaftlich:
„Um Gottes willen, das is Sie doch der Herr
Stadtrat Flurmann I"

Das Glück von Zement

Schon vor einiger Zeit hat Edison Zement-
gußhäuser erfunden, die sehr schnell aufgebaut
werden können und fabelhaft billig sind. Jetzt
kündigt er eine neue Erfindung an: er will
Möbel und andere Einrichtungsgegenstände aus
einer ähnlichen Masse Herstellen und dadurch die
Kosten der Einrichtung erheblich verbilligen.

Aber das alles genügt noch nicht. Edison
will, wenn er mit diesen Erfindungen fertig ist,
die Betten, deren Anschaffung bekamcklich sehr
teuer ist, aus Zementguß Herstellen, ebenso die
Kleider und — was in dieser Zeit der Teuerung
besonders wichtig ist — das Fleisch und das
Brot. Und hat er diese Aufgabe vollbracht,
dann wird er zuletzt sein Lebenswerk durch seine
schönste und höchste Erfindung krönen: erwirb
auch die Frauen und die Schwiegermütter aus
Zementguß Herstellen. Dies wird die Kosten
der Errichtung eines eigenen Haushalts noch
mehr verringern und sowohl den Beutel, als das
Herz des Mannes erleichtern; denn eine Zement-
gußfrau braucht nicht nur wenig Toilette, son-
dern verlangt auch nie das letzte Wort.

Khedive

A. Schmidhammer

Zeitgemässe Sorge

Bethmann: „wenn man mir doch kein
Denkmal in sitzender Stellung errichten möchte,
meine Figur eignet sich nicht recht dazu!"

Vcallisthe,rische Tänze

In München zeigte sich dem verblüfften Pu-
blikum der erste „kallisthenische Darsteller",
ein junger Russe, der mißglücktes Müllern für
Tanzkunst zu halten schien.

Dem jungen Mann fehlt ein väterlicher Be-
rater, der ihm bei seinem nächsten Abend zur
Seite steht. Ich will ihm diesen Liebesdienst er-
weisen und ihm einige neue „kallisthenische"
Tänze entwerfen:

Der Tanz der sieben Hühneraugen. Der
Tänzer betritt hinkend das Podium. Stößt bei
jedem Schritt einen markerschütternden Schrei aus
und deutet pantomimisch durch Erheben von sieben
Fingern an, daß er sieben Hühneraugen hat. Er
versucht sic durch mehrfaches Rumpfbeugen zum
verschwinden zu veranlassen, vergeblich, ver-
zweifelt entreißt er einem Herrn aus dem Zu-
schauerraum sein Taschenmesser und beginnt die
Hühneraugen zu schneiden. Er berauscht sich selbst
an diesem erhaben schönen Anblick und bringt
den Göttern seinen Dank durch siebenmaliges
„Kniee beugt — streckt" dar. Da entdeckt er, daß
ihm inzwischen ein achtes Hühnerauge gewachsen
ist, verzweifelt wackelt er mit dem linken Bhr
und sinkt entseelt zu Boden. (Musik: der kleine
Lohn, gegen Schluß in die Lroica übergehend.)

2. Der Tanz der Zuschauer. Der Tänzer springt
mit erwartungsvoller Miene auf das Podium.
Kratzt sich kallistheuisch hinter dem Ghr. Plötzlich
verfinstert sich sein Antlitz. Er rennt mehrmals
mit dem Kopf gegen die wand, (wird sicher da
capo verlangt). Lin sehnsüchtiges „Arme hebt!"
gibt dem Wunsche Ausdruck: „G hätt' ich mein
Eintrittsgeld wieder I" Dem Munde entströmen
Zischlaute. Er versucht, eine wand hinauf zu
klettern. Sein brechendes Auge schaut wiederholt
auf die Uhr. Plötzlich steht er stramm, macht
rechtsum kehrt und läuft im Galopp davon. (Ich
rate dem verehrten kallisthenischen Tänzer, diesen
Tanz nicht an den Anfang des Programmes zu
setzen, da er unheimlich ansteckend wirkt).

Karlchen

Wozu der Lärm?

Ls ist entschieden, was noch vor kurzem nie-
mand geglaubt hätte — das Motu proprio Quan-
tavis diligentia gilt nicht für Deutschland. Der
Papst hat Deutschland nicht für würdig gehalten,
mit diesem Motu proprio begnadet zu werden.

Der Grund dafür ist nach der Erklärung des
Kardinalstaatssckretärs, daß in Deutschland die
geistliche Gerichtsbarkeit durch Gewohnheitsrecht
abgeschafft ist. Nun ist aber diese Gerichtsbarkeit
in fast allen Kulturstaaten entweder durch ein
Konkordat oder durch Gewohnheitsrecht abgeschaffi.
Das Motu proprio würde daher in fast allen
Kulturstaaten nicht gelten; man muß also an-
nehmcn, daß es nur für diejenigen Gegenden von
Afrika und Australien erlassen ist, in denen
Neger wohnen.

Gewiß! Hat denn jemand daran gezweifelt,
daß das Motu proprio nur für die ganzSchwarzen
erlassen ist? Max

Wahres Gcschichrchen

Eine kleine Garnison Mitteldeutschlands.

Serenissimus ist im Auto aus der nahen Re-
sidenz zur Rekrutenvereidigung herübergekommen.

Lin Marineleutnant will sich auf dem Gar-
nisonskommando melden. Der Posten präsentiert
nicht. Darob folgendes Zwiegespräch zwischen
Marinelcutnant und Posten:

Leutnant: „Posten, warum präsentieren Sie
nicht?"

Posten: „Ich kenne Ihnen ja garnicht."

Leutnant: „was, Sie kennen mich nicht?
Sie wissen nicht, was ich bin?"

Posten: „Sie sind doch der Lhauffeur?"

Diplomatische Deutlichkeit

Bebel hat im Reichstag ein Gerücht erwähnt,
nach dem Sir Edward Grey zum Grafen Wvlff-
Metternich gesagt habe: „Gehen Sie nach Hause
und beruhigen Sie sich!" Die „Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" erklärt dieses Gerücht für
unwahr.

Die Sache ist in einer Versammlung der
sozialdemokratischen Führer zur Sprache ge-
kommen; Bebels Behauptung ist in der Tat
unrichtig, die Aeußerung hat anders gelautet.
Ueber ihren wirklichen Wortlaut waren die
Anwesenden verschiedener Meinung ; einige An-
sichten geben wir hier wieder.

Nach Südekum sagte Grey: Ich rate
Ihnen sich sofort zurückzuziehen und Ihren Er-
regungszustand auszuschlafen.

Nach Stadthagen: Scheren Sie sich nach
Hause, und dann marsch ins Bett!

Nach Ledebour: Hier wird nicht gestän-
kert; wenn Sie Skandal machen wollen, so
gehen Sie nach Hause!

Nach Rosa Luxemburg: Sie trauriger
Teekessel, machen Sie die Tür von draußen zu,
sonst hau ich Ihnen eins in Ihre Speiseritze,
daß Sie Ihre Zähne im Schnupftuch nach Hause
tragen können! Frido

Aus einer Münchner Volksschule

In der sechsten Klasse wurde in der Natur-
geschichtsstunde von der Leber gesprochen. Nach
einer Erklärung über deren Aussehen und Gestalt
fragt die Lehrerin:

„wozu dient uns die Leber?"

„Zum Knödelmachen," war die Antwort der
kleinen, dicken Anna.

Liebe Jugenci!

Herr Krause ist zwei Jahre in einer Irrenan-
stalt interniert gewesen. Als er freigelaffen ist
und die neuesten Schöpfungen der Damenmoden
bewundert, kehrt er um und begehrt wieder Einlaß.

„Mas wollen Sie denn schon wieder?"

„Ach, nehmen Sie mich nur wieder auf! Die
draußen sind ja viel verrückter, als die hier drinnen."
Register
Max: Wozu der Lärm?
Monogrammist Frosch: Zeitgemässe Sorge
Frido: Diplomatische Deutlichkeit
[nicht signierter Beitrag]: Aus einer Münchner Volksschule
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
Khedive: Das Glück von Zement
Karlchen: Vor Weihnachten
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Karlchen: Kallisthenische Tänze
 
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