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war mit dem flammenden Rotgold ihrer Haare, mit ihrer mädchen-
haften Jugend, mit dem reifen Ernst, den sie so gut mit kindlicher
Fröhlichkeit zu vereinen verstand. Sie trug ein großes schwer-
beladenes Teebrett, auf dem aber kein Tee angerichtet war, in den
Händen und stellte es mit einem Seufzer auf den Tisch nieder.

„Wo soll das alles hin, Fritz? In meinem Koffer ist kein
Platz mehr."

Fritz betrachtete mit prüfender Miene die bunte Ladung. Da
waren die englischen Konserven, die sie hier gekauft hatten und
mitnehmen wollten, und die Funde, die sie auf der Düne gemacht
hatten, — flache rote Steine, die das Meer von dem Massiv der
Insel herunterbröckelt und auf die Düne schwemmt, schimmernde
Muscheln Kiesel mit versteinerten Seeigeln.

„Ich habe immer gesagt, daß es nicht viel Sinn hat, alle diese
Steine mitzuschleppen, jetzt wissen wir nicht wohin damit," meinte Ilse.

„Und ich habe gefunden, daß es,auch nicht viel Sinn hat,
alle diese Konserven einzukaufen, die man mit einem geringen Zu-
schlag auch in Berlin bekommt."

„Man bekommt sie zum Teil, aber es fällt einem nicht ein,
in Berlin danach zu fragen. Uebrigens die Chunks, die geschnittene
Ananas, bekommt man in ganz Berlin nicht, das weißt du doch
sehr gut!"

„All dieses Zeug muß nun in die Handtasche," sagte er und
holte sie aus der Ecke hervor. Es war eine neue, große, schöne
Handtasche vom besten braunen Rindleder, die sie sich eigens für
die Hochzeitsreise angeschafft hatten. Sonst hatten sie noch jeder
einen größeren Handkoffer, Ilses Hutschachtel und eine Plaidhülle.

„In die Tasche müssen aber noch alle Tailetteutensilien hinein,
mein ganzes Kammzeug, dann die Morgenjacke, die Hausschuhe,
alles was wir beide für die Nacht in Hamburg brauchen," sagte
Ilse seufzend.

„Und vor allem," meinte Friedrich bestimmt, — „mein Manu-
skript."

„Dein Manuskript?" Entsetzt sah ihn Ilse an. „Nein, Fritz,
das Manuskript darfst Du nicht in die kleine Tasche geben."

„Ich werde doch das Manuskript nicht dem Koffer anver-
trauen? Du meinst wohl, daß die Steine und die Konservenbüchsen
mir wichtiger sind?"

Ein Zug der Vcrletztheit grub sich tief in das Gesicht der
jungen Frau. Sie hatte aus aufrichtigster Besorgnis um sein Werk
gesprochen, und er verdächtigte sie törichter Motive! ....

„Ich halte es für falsch, das Manuskript in diese kleine
Tasche zu geben. Ich rate Dir noch einmal, es in Deinen Koffer
zu packen, trotzdem ich weiß, daß Du Dir bei Deinem Eigensinn
doch nicht raten läßt."

„Da Du au meinen Eigensinn appellierst, bleibt mir nichts
übrig, als die Entscheidung ganz in Deine Hände zu legen. Hier
ist alles, was noch zu verpacken ist. Bitte, besorge das, ich muß
noch zur Post. Adieu." Damit nahm er seinen Hut und ging.

Frau Ilse aber saß, nachdem sich die Tür hinter ihrem zür-
nenden Gatten geschlossen, ganz zusammengebrochen in dem kleinen
Stübchen und weinte die bittersten Tränen.

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Schweigsam, von einander abgekehrt, verbrachten sie die Stun-
den auf dem Schiff. Fritz ging auf dem Promenadendeck auf und
ab und, wenn ihn ein verstohlener Blick Ilses traf, so schien es ihr,
als wäre sein Gesicht, das so prächtig gebräunt gewesen, blasser
geworden. Seine Miene war traurig, und es tat ihr weh, ihn an-
zusehn. Sie selbst war über dem Schmerz, der nagend an ihrem
Herzen saß, zu einer besonderen und bitteren Klarheit gekommen.
Ja, sie hatte nicht umsonst so viele Jahre Psychologie getrieben.
Sie verstand, was auf dem Grunde der menschlichen Seele ruhte,
sie ahnte die Störungen, die verhängnisvolle Schicksale hinauf-
trugen an die Oberfläche des Bewußtseins. Sie war imstande,
ihr Leid zu erkennen. Und in dieser Nacht, die die Gatten unver-
söhnt verbracht hatten, war eine bittere Klarheit über sie gekommen,
die jedes Hoffen in ihr zerbrach. Sie hatte sich erinnert, wie ein-
mal ein großes Leid sie traf, damals, als ihr Vater sein ganzes
Vermögen verlor. Dieser Schmerz war tief und schneidend ge-
wesen, denn sie konnte die Folgen des Verlustes überblicken; aber
sie besann sich, wie er überwunden worden war: durch ein noch
größeres, noch tieferes Leid: ihr Vater, ihr gütiger, aufopfernder
Vater war bald darauf gestorben. Und siehe: verblaßt, verweht
war der Schmerz über den Vermögensverlust, nur das größere
Leid um den Tod des Vaters hatte in ihrer Seele noch Platz ge-
funden. Damals hatte sie unter Schmerzen erfahren, daß hier ein
Gesetz vorwalte, ein psychologisches Gesetz, ein grausamer Heilungs-
prozeß der Natur, die eine Wunde nur durch eine neue, tiefere

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