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Ti
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Lo
iln
Fü
Gr
Un
©d
Un
Ne
Au
Do
Da
Sc!
In
Hi'
He
Au
Re
Da
Au
Da
Da
Er
Ge
Wi
Dii
Un
Wl
Er
Mi
Wi
Da
Oh
Zu
Ne!
Jet
Uni
©ti
All'
Mp
Dr<
Wc
Uni
Im
Uek
Toi
Ab>
Ho
Dei
Trr
Las
Du
verharschen ließ. Und sie hatte dann später,
„,3 als ihr wieder ein sorgloses Leben bei nahen
Verwandten vergönnt war, sich mit heißem
ccri Interesse dieser seltsamen Wissenschaft zuge-
ke[( wandt, der Wissenschaft von den Geheimnissen
££ der menschlichen Seele. ..
Aber, wie es schien, war dieses Wissen ihr
qjq zum Verhängnis geworden. Denn auf Grund
ihrer Fähigkeit, scharf zu analysieren, Erfah-
roQ renes auch theoretisch zu verstehen, auf Grund
m}( dieser Fähigkeit, die ihr das Studium vermittelt
j)at hatte, wußte sie jetzt mit grausamer Klarheit,
In daß für das Leid, das sie in den letzten Tagen
cjft, erlebt hatte, — für ihre zeitweilige Entfremdung
ihrem Gatten gegenüber, — keine Heilung zu er-
0t, warten war. Denn nur ein größeres Leid konnte
ein anderes überwinden, verdrängen, zunichte
aq( machen, — so hatte sie psychologisch erkannt. Was
jfjjj aber konnten sie erleben, das noch schmerzlicher
gewesen wäre, als dieses, was sie eben aneinander
^ > erfahren hatten, diese qualvolle Erkenntnis,
daß sie nicht dauernd eins waren?! Was
mußte kommen, um dies zu überwinden, zu
' überwachsen?! „Nur der Tod," flüsterte sie vor
hol hch hin und erschauerte . . .
In Cuxhafen verließen sie das Schiff, trotz-
hie dem man ihnen vielfach davon abgeraten hatte.
e{n Die Bahnverbindung mit Hamburg galt als
schlecht, aber sie hatten berechnet, daß sie, wenn
me sie den Schnellzug erreichten, doch schneller in
aU( Hamburg waren als mit dem Schiff, das erst
gq gegen Mitternacht in St. Pauli einlief. Eilig
übergaben sie ihr gesamtes Gepäck einem Träger
^ und beorderten ihn zum Hauptbahnhof. Fritz
wollte sich seine Nummer notieren, aber der
j,a! Mann hatte keine, trotzdem er eine Mütze nach
Dienstmannsart trug. Schon auf dem Weg
tra wandte sich der Dozent noch einmal um und
mj ließ sich den Namen des Mannes sagen, „Kleber".
„Man muß an die große Pariser Avenue
jUr denken, die diesen Namen trägt, um sich ihn
„bs ZU merken," dachte Ilse. Dann liefen sie, in
schnellem Tempo, ohne ein Wort miteinander
g-ß zu sprechen, dem Bahnhof zu. Als sie atemlos
anlangten, fuhr der Zug eben aus der Halle . . .
^0, „Weil kein Wagen zu haben war, in dem
verdammten Nest," murmelte Fritz ärgerlich,
jjh „Der nächste Zug geht in einer Stunde, aber
qt es ist ein Bummelzug," sagte Ilse.
„0 „Wir müssen ihn doch nehmen, — man kann
doch hier nicht vier Stunden zubringen."
nei Schweigend gingen sie in ein Restaurant
0t und ließen sich ein Abendbrot geben. Nachdem
sie in Eile gegessen hatten, mahnte Ilse zum
Aufbruch, man müsse nach der Bahn sehen, um
das Gepäck aufzugeben, damit man nicht auch
de> diesen Zug wieder versäume.
"j5 Die Schalter waren noch nicht geöffnet, aber
al£es wurde ihnen gesagt, daß ihr Gepäck wahr-
ll^scheinlich in der Garderobe abgegeben sei. Der
^ Gepäckträger, der noch nicht entlohnt war,
Eü würde sich jedenfalls zum Zuge einfinden. Sie
^"gingen zur Garderobe. Der Dozent deutete auf
l?£die Sachen, die hier standen, und verlangte die
ju Koffer, um sie aufzugeben. Der Beamte schüttelte
:jlben Kopf und forderte den Gepäckschein.
y-. Der Dozent erklärte ihm, daß natürlich der
^Dienstmann Kleber diesen Schein haben müsse,
^und verlangte energisch das Gepäck.
<g( Als es beharrlich verweigert wurde, kam
,2,Ilse auf den Gedanken, dem Mann als Beweis,
r^daß sie die Besitzer waren, die Schlüssel zu den
^Koffern zu geben. Der Beamte ließ sich daran
33,nirf)t genügen, und sie mußte auch noch die
^Gegenstände beschreiben, die obenauf lagen:
tq„Ein lila Kleid — eine Mappe mit einer Hand-
q, schrist — Manuskript," erklärte sie-„ein
Jgblauer Anzug..."
pr
„Sie hat es also doch nicht in die Tasche
gegeben, — das Manuskript," glitt es dem
Dozenten durch den Sinn. . .
Endlich erhielten sie ihre Sachen. Sie zählten
die Kolli: eins, zwei, drei, vier.
„Wo ist das fünfte Kolli, — die Hand-
tasche," fragte Ilse und sah sich um.
„Vier Kolli hat der Mann abgegeben," ent-
gegnete der Beamte mürrisch.
„Es müssen aber fünf Kolli sein," meinte Fritz.
Aller Disput blieb resultatlos. Vier Kolli
waren da, das fünfte, die Handtasche, fehlte.
Nachdem der erste Schreck verwunden war,
trösteten sie sich damit, daß jener Dienstmann
Kleber das fünfte Kolli jedenfalls nachträglich
bringen würde. Er käme bestimmt zum Zug,
hatte man ihnen versichert. Auch mußte er sich
ja hier einfinden, da er noch nicht bezahlt war.
Die Zeit verstrich, der Zug wurde signalisiert,
von Kleber keine Spur. Der Zug kam und
ging wieder, die Billetts verfielen, Kleber kam
nicht. Sie nahmen einen Wagen und fuhren
zum Hafen zurück und suchten Kleber. Der
aber war nicht zu finden.
„Gerade das — Unentbehrlichste ist in der
Handtasche," klagte Ilse, „das, was man für
eine Nacht braucht." Aber sonderbarerweise
war wenig Kummer in ihrem Ton.
Der Gatte sagte nur: „Ilse — das Manu-
skript," und er faßte ihre Hand und drückte
sie krampfhaft.
Schon während des ganzen Kampfes, den
sie mit ihrem Mann zusammen um das Gepäck
geführt hatte, — als sie Front machen mußten
gegen gemeinsame Widersacher, — war ihr,
als hätte sich eine schwere eisige Schicht, die
auf ihrem Herzen gelastet hatte, gelöst, als wäre
sie zersprungen in tausend Stücke. Sollte es
möglich sein, sollte wirklich — dieses — was
sie da zusammen erlebten, jenes-andere —
überwunden, verdrängt, vernichtet haben?!
Der Dienstmann Kleber wurde an diesem
Abend nicht einmal von der Polizei, die sie
schließlich verständigt hatten, ermittelt. Mit
nur vier Kolli fuhr das junge Paar endlich
nach Hamburg. Dicht aneinander geschmiegt
saßen sie in dem Abteil und immer wieder
suchten und fanden sich ihre Hände. .. Ja,
— sie hatten die Handtasche eingebllßt, da war
kein Zweifel mehr; und der Verlust war emp-
findlich, — denn war nicht in dieser Tasche
— das Unentbehrlichste?
O, große Wissenschaft von den Gesetzen der
menschlichen Seelen, wo ist die Kanzel, auf der
deine letzten und tiefsten Lehren ergründet werden I
„Ich werde Mediziner!" — „Ganz recht! Dann werde
ich Pfarrer und begrabe deine Patienten!"
Erwachen
Ich lieg' im frischen Tannensarg
Und strecke mich behaglich drin
Und träumte schmunzelnd vor mich hin.
Daß mich ein sichres Bett nun barg.
Vorbei die Tretmühlschinderei,
Die nicht das Aufstehn morgens lohnt,
Der Sündendienst, dem ich gefront,
Die heiße, wilde Sucht vorbei!
Ich lieg' im frischen Tannensarg,
Drei nasse Schollen kollern drauf. . -
Von dem Gepolter schreck' ich auf;
Herr meines Lebens, das ist arg!
Ruh'n wollt' ich eine Iahrmillion,
Da klopft die Bertha — ei verflucht!
Der alte Trott, die alte Sucht!
Und meine Iungens warten schon.
Ich lag im frischen Tannensarg —
Nun schlürf' ich frischen Morgenduft ■ . •
Hei, Tisch des Lebens, der mich ruft!
Dich lieb' ich, bist du noch so karg!
Fritz Erdncr
Das wunder
Von Beinhart Rsester
Wie die Leute sich nach ihm umsahen, lachten
oder spöttische Bemerkungen machten! Er mutzte
doch recht wunderlich aussehen, wenn er auf
dem Loulevarä äes Italiens, wo es von Ge-
stalten wimmelt, solches Aufsehen erregte! In
der Tat war seine Kleidung nicht gerade
harmonisch zusammengestellt. Ein weiter eng-
lischer Reisemantel, dem man es ansah, daß er
vorübergehend schon zum Schlafrock degradiert
worden war, verheimlichte das Fehlen eines
Rocks, die Schuhe, von unbestimmbarer Alters-
farbe, die noch aus der guten Zeit stammten,
schauten unverschämt weit aus den zu engen
und zu kurzen Beinkleidern hervor. Dazu als
Kopfbedeckung ein sorgfältig gebürsteter Zylinder,
der tief im Kopf saß und vorn eine blonde
Haarsträhne hervorlugen ließ. Etwas ver-
wunderlich mußte sie schon aussehen, diese Zu-
sammenstellung seiner letzten Bckleidungsmög-
lichkeiten. Freilich ahnte er nicht, daß der tief-
ernste verzweifelte Ausdruck seines Gesichts
hauptsächlich die tragikomische Wirkung seiner
Gestalt ausmachte und ihm ein clownartiges
Aussehen gab.
Ihm war auch gerade nicht sonderlich wohl
zu Mute, denn er war in der jämmerlichsten
und bemitleidenswertesten Lage, in die je ein
Mensch kommen kann: er mußte Geld ver-
dienen, gleichviel auf welche Weise — nur
Geld verdienen — und zwar noch an diesem
Abend, denn er hatte Hunger und keinen Son
in der Tasche. Die kleine Summe, die ihm
vorgestern ein Trödler für seine letzten Hab-
seligkeiten gegeben hatte, war vertan. Und
außer Spielkarten wußte er kein gewinn-
brinaendes Gerät zu handhaben.
Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah — ''
Er sah die spöttischen Gesichter nicht mehr,
er spannte sein Hirn auf die Folter, um irgend
einen Gedanken zu erpressen. Geld — Geld. ^
Stumpsbrütend ging er weiter, die Augen stier,
die Lippen verkniffen. Geld — Geld. —
Die Autos rauschten, Bremsen knirschten m
den gellenden Schrei der Huppen, die Zeitungs-
verkäufer stürzten schreiend vorüber, Eocotten
glitten an ihm vorbei — das seidene Rauschen
taumelte durch seine gequälten Sinne — Alle»
drängte, hastete, schrie, lief, und alles hatte nur
das eine Ziel vor Augen: Geld — Geld.
Ein Herr im East deutete mit dem Fi"ü „
auf ihn und flüsterte der neben ihm sitzende'
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cjft, erlebt hatte, — für ihre zeitweilige Entfremdung
ihrem Gatten gegenüber, — keine Heilung zu er-
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ein anderes überwinden, verdrängen, zunichte
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^ > erfahren hatten, diese qualvolle Erkenntnis,
daß sie nicht dauernd eins waren?! Was
mußte kommen, um dies zu überwinden, zu
' überwachsen?! „Nur der Tod," flüsterte sie vor
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In Cuxhafen verließen sie das Schiff, trotz-
hie dem man ihnen vielfach davon abgeraten hatte.
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me sie den Schnellzug erreichten, doch schneller in
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gq gegen Mitternacht in St. Pauli einlief. Eilig
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mj ließ sich den Namen des Mannes sagen, „Kleber".
„Man muß an die große Pariser Avenue
jUr denken, die diesen Namen trägt, um sich ihn
„bs ZU merken," dachte Ilse. Dann liefen sie, in
schnellem Tempo, ohne ein Wort miteinander
g-ß zu sprechen, dem Bahnhof zu. Als sie atemlos
anlangten, fuhr der Zug eben aus der Halle . . .
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verdammten Nest," murmelte Fritz ärgerlich,
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qt es ist ein Bummelzug," sagte Ilse.
„0 „Wir müssen ihn doch nehmen, — man kann
doch hier nicht vier Stunden zubringen."
nei Schweigend gingen sie in ein Restaurant
0t und ließen sich ein Abendbrot geben. Nachdem
sie in Eile gegessen hatten, mahnte Ilse zum
Aufbruch, man müsse nach der Bahn sehen, um
das Gepäck aufzugeben, damit man nicht auch
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al£es wurde ihnen gesagt, daß ihr Gepäck wahr-
ll^scheinlich in der Garderobe abgegeben sei. Der
^ Gepäckträger, der noch nicht entlohnt war,
Eü würde sich jedenfalls zum Zuge einfinden. Sie
^"gingen zur Garderobe. Der Dozent deutete auf
l?£die Sachen, die hier standen, und verlangte die
ju Koffer, um sie aufzugeben. Der Beamte schüttelte
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y-. Der Dozent erklärte ihm, daß natürlich der
^Dienstmann Kleber diesen Schein haben müsse,
^und verlangte energisch das Gepäck.
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r^daß sie die Besitzer waren, die Schlüssel zu den
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„Wo ist das fünfte Kolli, — die Hand-
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Aller Disput blieb resultatlos. Vier Kolli
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Kleber das fünfte Kolli jedenfalls nachträglich
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hatte man ihnen versichert. Auch mußte er sich
ja hier einfinden, da er noch nicht bezahlt war.
Die Zeit verstrich, der Zug wurde signalisiert,
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„Gerade das — Unentbehrlichste ist in der
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Der Gatte sagte nur: „Ilse — das Manu-
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Er sah die spöttischen Gesichter nicht mehr,
er spannte sein Hirn auf die Folter, um irgend
einen Gedanken zu erpressen. Geld — Geld. ^
Stumpsbrütend ging er weiter, die Augen stier,
die Lippen verkniffen. Geld — Geld. —
Die Autos rauschten, Bremsen knirschten m
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verkäufer stürzten schreiend vorüber, Eocotten
glitten an ihm vorbei — das seidene Rauschen
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drängte, hastete, schrie, lief, und alles hatte nur
das eine Ziel vor Augen: Geld — Geld.
Ein Herr im East deutete mit dem Fi"ü „
auf ihn und flüsterte der neben ihm sitzende'