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A. Schmidhammer

Die Zukunft des Münchner Künstlertheaters

ist gesichert. Für die nächste Saison sind soeben Hagcnbecks dressierte Eisbären engagiert worden, die mit ihrer Glanz-
nummer „Eisbären - ZEutsch über den Blumenpfad" höchstes Entzücken erregen werden. Ein umfangreiches lverk „Die
künstlerische Reform der Tierdressur" erscheint rechtzeitig zu Beginn der Saison.

Geschlechrsfchler

Ein höherer Geistlicher in Aachen entrüstete
sich über eine im dortigen Kurgarten aufgestellte
Büste des Hermes von Praxiteles und
nannte sie ein schamloses Frauenzimmer.
Darauf vervollständigte die Kurverwaltung die
Inschrift der Büste, indem sie dem Namen
„Hermes" ein „Der" vorsetzte.

Die aus dieser Veranlassung gegen den Geist-
lichen erhobenen Borwürfe sind ganz ungerecht-
fertigt. i-

i- Die Kurverwaltung bezeichnet dieses Mach-
werk des Praxiteles selbst als eine Büste. Eine
Büste oder einen Brisen haben aber, soweit dem
Herrn Geistlichen bekannt ist, nur weibliche Per-
sonen. Übrigens ist der Herr Praxiteles offenbar
ein Jude, wie es die Endung ,eles° beweist. (Siehe
Ieiteles, Karpeles usw.)

2. Der betreffende Geistliche hat diese Büste
schon anderswo auf einem breiten Sockel gesehen.
Dort erhielt er auf seine Frage von sachkundiger
Seite den Bescheid, das fei eine Herme. Es heißt
also nicht der Hermes, sondern die Herme.

3. Aus mythologischen Werken hat Se. Höch-
würden festgestellt, daß die Griechen von Herma-
phroditen sprechen. Daß Aphrodite ein Frauen-
zimmer war (und nebenbei ein gemeines), bedarf
wohl keines Beweises.

4. Sollte aber betr. Geistlichen wirklich ein

Geschlechtsirrtum untergelaufen sein, so trägt da-
ran einzig und allein die Kurverwaltung die Schuld.
Waruni hat sic dem jüdischen Bildhauer Praxi-
teles den Auftrag gegebeii, dieses Frauenzimmer
oder diesen Kerl nackt darzustellen? Die beiden
Geschlechter kann man dock, soweit Sr. Hoch-
würden bekannt ist, nur an der Kleidung unter-
scheiden. Irld„

Die vier wünsche

(Zur konservativen Stichwahl-Parole)

Das war der Ritter von Heydebrand.

Am Hohlweg einen Krämer fand.

„Ein fetter Krämer! Halloh! halloh! —

Mein lieber Krämer, was zitterst so?

Ich bin der Ritter von Heydebrand,

Freund aller guten Leut im Land;

Will Freund und Bruder auch werden Dir,
Erfüllst drei kleine Wünsche mir:

Fürs Erste: gib Deine Waffen her!

Ich trag sie leichter! Sind Dir zu schwer!

Fürs Zweente: schnall Deinen Geldgurt ab!

Biel sichrer ist er, wenn ich ihn Hab'!

Fürs Dritt: Dann trag mich statt meinein Gaul,
Wohin ich will, mit der Trenf' im Mali! —

Denn, tust Du's ritt, Du krummer Hund,

Bohr' ich Dich mit meinem Spieß in Grund ..."

Der Ritter rief's, der Krämer sprach:

„Gewähr auch mir einen Wunsch hernach:

Das einzig Wünschlein, so ich Hab',

Das heißt: Rutsch'mir den Buckel herab!"

Worauf der Krämer in Eil verschwand.

Und nichts mehr wünschte der Heydebrand.

A. De Nora

iRunst und Galgen

In Jackson (Mississippi) wurde kürzlich
ein schwarzer Mörder auf der Bühne des aus-
verkauften städtischen Opernhauses gehenkt. Die
Familie des Ermordeten erhielt die besten Logen-
plätze zugewiesen.

Da das Schauspiel außerordentlich gefiel und
der Henker 25 mal vor die Rampe gerufen und
mit Lorbeerkränzen überschüttet wurde, beschloß
die Stadtverwaltung, wie wir hören, Verbrechen
und dessen Sühne noch inniger mit der Kunst
zu verknüpfen. Die zukünftigen Mörder und
Totschläger im Staate Mississippi sind gehalten,
die Bühne des städtischen Opernhauses zum
Schauplatz ihrer Taten zu machen. An einem
bestimmten, dem Magistrat eine Woche vorher
bekannt zu gebenden Tage ist das jeweilige Opfer
auf die Bühne zu locken. Dem Mörder wird
hiezu freies Geleite zugesichert und im Bedarfs-
fälle Waffe bzw. Munition geliefert. Auf den
Abend wird eine dreiaktige Oper angesetzt, zu
der ein amerikanischer Schnellkomponist eine ent-
sprechende Musik sckreibt. Im ersten Akt wird
das Opfer umgebracht und der Mörder je nach
dem Gelingen hervorgerufen oder ausgepfiffen.
Hierauf verlassen Richter, Staatsanwalt und Ver-
teidiger ihre Logen und treten auf die Bühne,
wo im zweiten Akt der Mörder abgeurteilt wird.
Je nach Leistung gibt es wieder Pfiffe oder Her-
vorrufe. Im dritten Akt stehen bloß Henker und
Delinquent auf der Szene. Auf Wunsch des
Publikums hat der Henker die Hinrichtung zu
wiederholen.

. Auf diese Weise braucht das Stadttheater
keine Schauspieler- und Sängerhonorare und auch
keine Tantiemen zu bezahlen und gibt Darstel-
lungen, deren Realistik unübertroffen ist.

Beda
Register
Monogrammist Frosch: Die Zukunft des Münchner Künstlertheaters
Frido: Geschlechtsfehler
A. De Nora: Die vier Wünsche
Beda: Kunst und Galgen
 
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