1912
JUGEND
Nr. 2
Er lachte kurz, erhob sich und trat an das
neuster.
Der tote Novcmberhimmel stand in einem
^rau über dem ruhigen, trüben Meer. Kein
7^'nd ging, es war ganz still und während
wir schwiegen, kamen unsichtbar aus der Luft
oie schreie von ziehenden Vögeln.
Da schrak Vintler auf.
»Haben Sie die Zugvögel gesehen!"
".bin", sagte ich „nur den Schrei gehört.
Brachvogel waren es."
er cSa'- ^ i«f) sie, ein ganzer Trupp — —,"
ich wieg ein paar Sekunden lang „bis sie
schkch kowiuen, brauche ich auf keinen mehr zu
Er trat vom Fenster zurück.
^ ^Verstehen Sie, Herr, es ist im Grunde doch
z,, l ganz genau so, wie zur Zeit der alte»
» "5gen. Man eröffnet die Fehde, ein Anlaß
-."k freilich gefunden werden, — dann aber
^ es dasselbe, es geht diesmal um keinen
Weinberg, um keinen Hof, ach, was, das ist
Nebensache, aber um die Frau-"
®eine Stimme bekam mit einemmale eine»
,,, wenden Ton, seltsam hilflos, beinahe erschöpft
g sie. Und so, als wäre im Augenblicke
a»k ^chchen Kraft mehr in ihm, ließ er sich
weinen niederfallen und begann zu
„ anderen Tage schon war er vollkommen
„ , genüchtert und rührte auch kein Glas mehr
j,j 0 gingen noch einmal zusammen auf
w Zagd. Vintler gab über ein Dutzend Schüsse
r'H. von denen keiner versagte. Er schien zu-
>neoen, zeigte wieder sein ruhiges Gesicht, seine
Zuversichtlich beherrschte Art und bereitete alles
sUr Abreise.
Wir vereinbarten, uns im Frühjahr wieder
uer zu treffen. Wir schieden als Freunde.
-I- * *
Ich kam in den ersten feuchten Apriltagen
r nach Holland, als die Völker der Zug-
jnKf! auf dem Heimweg durch die stür-
Icken, regennassen Nächte waren.
»irr* ItIer war noch nicht zur Stelle. Ich hatte
'"gts von ihm gehört, aber ich dachte keinen
Augenblick, daß er sein Versprechen ver-
gaffen hätte.
Ill) wartete.
Mitte des Monats kam er. Er erzählte
^ uichts, sondern machte sich gleich auf zur
^ago. Draußen auf den Dünen und am
wände flog, kreischte und kreiste Wild genug,
einer Sandbank, vielleicht hundert Schritte
L.außen im Wasser, hockte ein Trüppchen
^'randläufer.
»Zu Ehren unserer Bekanntschaft," sagte er
"welchen wollen Sie haben?"
»Den vorletzten zur linken."
Er schoß, und als der Schwarm emporstob,
sappelte der Verurteilte nur mehr sehr wenig
ud legte sich.
(,> „Schön", fuhr Vintler fort und warf das
"ewehr über: „Sie sehen, es sind hundert
schritte und ein verteufelt kleines Ziel. Und
w Hamburg waren es dreißig Schritte und
"Ne breite Brust."
.Ich sah ihn ungläubig an. Er blickte weg
sagt erregter: „Die Art und Weise wäre
weselbe, jetzt und zur Zeit der alten Burgen,
«ver vielleicht hat unsere Generation nicht niehr
ruhige Blut. Ein Strandläufer und ein
wcensch der dem Glück eines anderen im Wege
J, ~~-man möchte meinen, das kleine,
magere Brüstchen sei vielleicht doch schwerer
»a treffen-".
Er schwieg, ging neben mir her, sah zu,
0le ich den und jenen Bvgel herunter holte,
lab a6et sollst keinen Schuß mehr ab. Am
ffbend trank er, sprach kein Wort dazu, und
^lieb die nächsten Tage ohne einmal zur Jagd
wszurücken, im Dorfe.
Die Zugvögelschwärme wurden seltener. Fast
alle der vielen Völker hatten unsere Küste schon
passiert und waren durch die lauer werdenden
Nächte heimgezogen. Ende April strichen noch
die Brachvögel. Sie schrieen ihre Reiserufe
aus lichten, feuchten Himmeln nieder, voll In-
brunst und Sehnsucht nach fernen, braunen
Mooren. Ich hatte es auf sie abgesehen und
stand Abendelang im Sande, um auf die Nieder-
vorüberziehenden zu feuern. Und oft wenn ich
fehl schoß, verfluchte ich meine Ungeschicklichkeit
und wünschte nur die ruhige Sicherheit meines
Freundes.
Er kam nie. Einmal brachte ein Mädchen
aus seinem Dorfe eine Botschaft und bestellte
nur mit seinem Gruße einen Zettel. „Ich habe
das dumme Uebungsschießen aufgegeben. In
Hamburg habe ich doch gefehlt."
Ein paar Tage später — die letzten Zug-
vögel waren schon verflogen — kam er selbst,
um mir Adieu zu sagen.
Er mußte die letzte Zeit sehr stark getrunken
haben; denn er ging unsicher, und mehr als
einmal redete er stockend. Wir gingen ohne
Gewehr noch einmal durch die Dünen.
Kein einziger Zugvogel war mehr auf der
Reise.
Abends setzten wir uns in die Kate.
Es war ein Maiabend, warm, mit einem
lichten, föhnigen Himmel, gegen den mau jeden
feinsten Zweig, jede Knospe scharf und klar
unterschied. In der Stube, im Hause, und drau-
ßen in der weiten, nächtigen Landschaft war
cs ruhig, ganz totenstill.
Vintler sprach fast nichts.
Nur dann und wann — es wiederholte sich
dies mehrmals während des Abends — horchte
er mit einemmale auf, wies durchs Fenster und
sagte mit einer demütig weichen und doch ganz
sicheren Stimme: „Hörst Du die Zugvögel?
Siehst Du den Schwarm?"
Der Himmel war licht und hoch, in all der
Stille war nicht ein Geräusch. Meine Sinne
sind durch lange Iagdjahre wie blanke Messer
geschärft. Aber in dieser Nacht konnte ich von
den Zugvögeln nichts sehen und nichts hören.
Der Chlmpanse
Du lockst ihn heut vergebens zum Narrenspiel,
Er will nicht tanzen, schmausen und
scherzen, fast
Wie Menschen, — sinnend und versunken
Hockt er im Winkel auf falt'gem Tuche.
Sein braunes Menschenauge umgeht
dich fremd,
Zuweilen zerrt ein Lächeln, verachtungsfein,
Den dünnen Mund, und plötzlich, hastvoll.
Hüllt er das Haupt in des Teppichs
Falten.
Erika Rhciiisch
Arnold Haag
Pierrot
(Ein kNondschcintraum)
Mit halbem Auge, darin lüstern noch das
Gestern verflackert und gähnend schon das
Heute lauert, schlummert Paris. Hoch über
Montmartre hängt der gute Mond wie ein
verlockendes Fünffraukcnstück und blinzelt durch
die Ritzen der Wolken, die wie Kulissen
wechselnder Szenerien über das Possenspiel
des Lebens gleiten. Und hinterdrein, ein
strenger Hirte toller Lämmer, braust der Föhn.
Wo führtest du mich her, nachtwandelude
Phantasie? Und du, Pierrot, mondsüchtiger
Pierrot an meiner Seite?
Horch: wie durch gewundene Orgelpfeifen
die schmalen Gassen herauf braust der wilde
Atem der erwachten Ebenen, der eisbefreiten
Flüsse und der tief aufrauschenden Wälder.
Wird dir nicht bang, Pierrot? Daß er
dir die Seele zerreiße, die blütenweiße,
schlotterige, lächerliche Knabenseele, die du
nach außen gewendet am schmächtigen Leibe
trägst wie ein Narrenkleid, und die wie ein
Panier einiger Sorglosigkeit in allen Winden
flattert.
Vorsicht, Pierrot, das Wetter frommt dir
nicht. Schau, selbst Frau Luna, deine alte
ungelöschte Flamme, scheint verschnupft und
träufelt ihr bleiches Licht wie eine müde
Kerze. Sie, die du einst durch stille, sanfte
Dichternächte am Silberstrahl ewigen Heim-
wehs hinter dir herzogst, wie eine gefügige,
stets bereite gute Muse.
»Bonsoir, Madame la Lune, bonsoir!»
Sing mir, Pierrot das alte Lied. Nur ein-
mal noch das leichtflatternde Lied aller trun-
kenen Glücksucher auf Montmartre.
Vergessen? Auch du, Pierrot, hast es
vergessen! Du verwöhnter Liebling Wattcaus
und Beardsleys, Verlaines und Laforgues,
Heiland unserer harrenden Dichterjahre, du
im Weihrauch unserer Zigaretten traum-
haft bleicher Apoll, still ergebener Märtyrer
im Heiligenscheine der Erbsünde, die Jugend
heißt!-
Freund, mir scheint, ich sah dich lange
nicht. So lange, daß ich dich schier ver-
gaß, wie meine tolle, tote Jugend. Sag
mir, wo kommst du plötzlich her?
Verlaufen hast du dich? Verirrt auf
diesen fremden Berg herauf?-Pierrot
auf Montmartre verirrt! Der Montmartrekönig
fremd und heimatlos im eigenen Reich!
Lache mit mir, Pierrot, das war dein bester
Witz!-
Doch dein Gesicht bleibt mumienstarr ver-
eist und das schmerzliche Grinsen um den ver-
derbten Knabenmund spricht ernst und stumm:
Ich hasse dich! Dich und deine Zunft,
die mir daS Herz vergiftete. Was holtet ihr
mich von den Brettern meiner Jahrmarkt-
bude, wo ich Possen riß und glücklich war,
solange ich keine Seele hatte? Was bliest
ihr mir die eure ein, eure Jammerseele voll
der entsagungsvollen Pose selbstgefällige»
JUGEND
Nr. 2
Er lachte kurz, erhob sich und trat an das
neuster.
Der tote Novcmberhimmel stand in einem
^rau über dem ruhigen, trüben Meer. Kein
7^'nd ging, es war ganz still und während
wir schwiegen, kamen unsichtbar aus der Luft
oie schreie von ziehenden Vögeln.
Da schrak Vintler auf.
»Haben Sie die Zugvögel gesehen!"
".bin", sagte ich „nur den Schrei gehört.
Brachvogel waren es."
er cSa'- ^ i«f) sie, ein ganzer Trupp — —,"
ich wieg ein paar Sekunden lang „bis sie
schkch kowiuen, brauche ich auf keinen mehr zu
Er trat vom Fenster zurück.
^ ^Verstehen Sie, Herr, es ist im Grunde doch
z,, l ganz genau so, wie zur Zeit der alte»
» "5gen. Man eröffnet die Fehde, ein Anlaß
-."k freilich gefunden werden, — dann aber
^ es dasselbe, es geht diesmal um keinen
Weinberg, um keinen Hof, ach, was, das ist
Nebensache, aber um die Frau-"
®eine Stimme bekam mit einemmale eine»
,,, wenden Ton, seltsam hilflos, beinahe erschöpft
g sie. Und so, als wäre im Augenblicke
a»k ^chchen Kraft mehr in ihm, ließ er sich
weinen niederfallen und begann zu
„ anderen Tage schon war er vollkommen
„ , genüchtert und rührte auch kein Glas mehr
j,j 0 gingen noch einmal zusammen auf
w Zagd. Vintler gab über ein Dutzend Schüsse
r'H. von denen keiner versagte. Er schien zu-
>neoen, zeigte wieder sein ruhiges Gesicht, seine
Zuversichtlich beherrschte Art und bereitete alles
sUr Abreise.
Wir vereinbarten, uns im Frühjahr wieder
uer zu treffen. Wir schieden als Freunde.
-I- * *
Ich kam in den ersten feuchten Apriltagen
r nach Holland, als die Völker der Zug-
jnKf! auf dem Heimweg durch die stür-
Icken, regennassen Nächte waren.
»irr* ItIer war noch nicht zur Stelle. Ich hatte
'"gts von ihm gehört, aber ich dachte keinen
Augenblick, daß er sein Versprechen ver-
gaffen hätte.
Ill) wartete.
Mitte des Monats kam er. Er erzählte
^ uichts, sondern machte sich gleich auf zur
^ago. Draußen auf den Dünen und am
wände flog, kreischte und kreiste Wild genug,
einer Sandbank, vielleicht hundert Schritte
L.außen im Wasser, hockte ein Trüppchen
^'randläufer.
»Zu Ehren unserer Bekanntschaft," sagte er
"welchen wollen Sie haben?"
»Den vorletzten zur linken."
Er schoß, und als der Schwarm emporstob,
sappelte der Verurteilte nur mehr sehr wenig
ud legte sich.
(,> „Schön", fuhr Vintler fort und warf das
"ewehr über: „Sie sehen, es sind hundert
schritte und ein verteufelt kleines Ziel. Und
w Hamburg waren es dreißig Schritte und
"Ne breite Brust."
.Ich sah ihn ungläubig an. Er blickte weg
sagt erregter: „Die Art und Weise wäre
weselbe, jetzt und zur Zeit der alten Burgen,
«ver vielleicht hat unsere Generation nicht niehr
ruhige Blut. Ein Strandläufer und ein
wcensch der dem Glück eines anderen im Wege
J, ~~-man möchte meinen, das kleine,
magere Brüstchen sei vielleicht doch schwerer
»a treffen-".
Er schwieg, ging neben mir her, sah zu,
0le ich den und jenen Bvgel herunter holte,
lab a6et sollst keinen Schuß mehr ab. Am
ffbend trank er, sprach kein Wort dazu, und
^lieb die nächsten Tage ohne einmal zur Jagd
wszurücken, im Dorfe.
Die Zugvögelschwärme wurden seltener. Fast
alle der vielen Völker hatten unsere Küste schon
passiert und waren durch die lauer werdenden
Nächte heimgezogen. Ende April strichen noch
die Brachvögel. Sie schrieen ihre Reiserufe
aus lichten, feuchten Himmeln nieder, voll In-
brunst und Sehnsucht nach fernen, braunen
Mooren. Ich hatte es auf sie abgesehen und
stand Abendelang im Sande, um auf die Nieder-
vorüberziehenden zu feuern. Und oft wenn ich
fehl schoß, verfluchte ich meine Ungeschicklichkeit
und wünschte nur die ruhige Sicherheit meines
Freundes.
Er kam nie. Einmal brachte ein Mädchen
aus seinem Dorfe eine Botschaft und bestellte
nur mit seinem Gruße einen Zettel. „Ich habe
das dumme Uebungsschießen aufgegeben. In
Hamburg habe ich doch gefehlt."
Ein paar Tage später — die letzten Zug-
vögel waren schon verflogen — kam er selbst,
um mir Adieu zu sagen.
Er mußte die letzte Zeit sehr stark getrunken
haben; denn er ging unsicher, und mehr als
einmal redete er stockend. Wir gingen ohne
Gewehr noch einmal durch die Dünen.
Kein einziger Zugvogel war mehr auf der
Reise.
Abends setzten wir uns in die Kate.
Es war ein Maiabend, warm, mit einem
lichten, föhnigen Himmel, gegen den mau jeden
feinsten Zweig, jede Knospe scharf und klar
unterschied. In der Stube, im Hause, und drau-
ßen in der weiten, nächtigen Landschaft war
cs ruhig, ganz totenstill.
Vintler sprach fast nichts.
Nur dann und wann — es wiederholte sich
dies mehrmals während des Abends — horchte
er mit einemmale auf, wies durchs Fenster und
sagte mit einer demütig weichen und doch ganz
sicheren Stimme: „Hörst Du die Zugvögel?
Siehst Du den Schwarm?"
Der Himmel war licht und hoch, in all der
Stille war nicht ein Geräusch. Meine Sinne
sind durch lange Iagdjahre wie blanke Messer
geschärft. Aber in dieser Nacht konnte ich von
den Zugvögeln nichts sehen und nichts hören.
Der Chlmpanse
Du lockst ihn heut vergebens zum Narrenspiel,
Er will nicht tanzen, schmausen und
scherzen, fast
Wie Menschen, — sinnend und versunken
Hockt er im Winkel auf falt'gem Tuche.
Sein braunes Menschenauge umgeht
dich fremd,
Zuweilen zerrt ein Lächeln, verachtungsfein,
Den dünnen Mund, und plötzlich, hastvoll.
Hüllt er das Haupt in des Teppichs
Falten.
Erika Rhciiisch
Arnold Haag
Pierrot
(Ein kNondschcintraum)
Mit halbem Auge, darin lüstern noch das
Gestern verflackert und gähnend schon das
Heute lauert, schlummert Paris. Hoch über
Montmartre hängt der gute Mond wie ein
verlockendes Fünffraukcnstück und blinzelt durch
die Ritzen der Wolken, die wie Kulissen
wechselnder Szenerien über das Possenspiel
des Lebens gleiten. Und hinterdrein, ein
strenger Hirte toller Lämmer, braust der Föhn.
Wo führtest du mich her, nachtwandelude
Phantasie? Und du, Pierrot, mondsüchtiger
Pierrot an meiner Seite?
Horch: wie durch gewundene Orgelpfeifen
die schmalen Gassen herauf braust der wilde
Atem der erwachten Ebenen, der eisbefreiten
Flüsse und der tief aufrauschenden Wälder.
Wird dir nicht bang, Pierrot? Daß er
dir die Seele zerreiße, die blütenweiße,
schlotterige, lächerliche Knabenseele, die du
nach außen gewendet am schmächtigen Leibe
trägst wie ein Narrenkleid, und die wie ein
Panier einiger Sorglosigkeit in allen Winden
flattert.
Vorsicht, Pierrot, das Wetter frommt dir
nicht. Schau, selbst Frau Luna, deine alte
ungelöschte Flamme, scheint verschnupft und
träufelt ihr bleiches Licht wie eine müde
Kerze. Sie, die du einst durch stille, sanfte
Dichternächte am Silberstrahl ewigen Heim-
wehs hinter dir herzogst, wie eine gefügige,
stets bereite gute Muse.
»Bonsoir, Madame la Lune, bonsoir!»
Sing mir, Pierrot das alte Lied. Nur ein-
mal noch das leichtflatternde Lied aller trun-
kenen Glücksucher auf Montmartre.
Vergessen? Auch du, Pierrot, hast es
vergessen! Du verwöhnter Liebling Wattcaus
und Beardsleys, Verlaines und Laforgues,
Heiland unserer harrenden Dichterjahre, du
im Weihrauch unserer Zigaretten traum-
haft bleicher Apoll, still ergebener Märtyrer
im Heiligenscheine der Erbsünde, die Jugend
heißt!-
Freund, mir scheint, ich sah dich lange
nicht. So lange, daß ich dich schier ver-
gaß, wie meine tolle, tote Jugend. Sag
mir, wo kommst du plötzlich her?
Verlaufen hast du dich? Verirrt auf
diesen fremden Berg herauf?-Pierrot
auf Montmartre verirrt! Der Montmartrekönig
fremd und heimatlos im eigenen Reich!
Lache mit mir, Pierrot, das war dein bester
Witz!-
Doch dein Gesicht bleibt mumienstarr ver-
eist und das schmerzliche Grinsen um den ver-
derbten Knabenmund spricht ernst und stumm:
Ich hasse dich! Dich und deine Zunft,
die mir daS Herz vergiftete. Was holtet ihr
mich von den Brettern meiner Jahrmarkt-
bude, wo ich Possen riß und glücklich war,
solange ich keine Seele hatte? Was bliest
ihr mir die eure ein, eure Jammerseele voll
der entsagungsvollen Pose selbstgefällige»