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Nr. 4

H rni'nerlied

Das ist meine Melodei,

Wenn die Funken blitzend springen,

Wenn an roter Glut die zwei
Eisernen Gesellen singen.

Durch das Zimpern lau und leis,

Durch der Aengstlichen Gejammer
Dringt es hallend, hell und heiß,

Wenn den Amboß trifft der

Hammer.--

Gruß der Ehrlichkeit und Kraft,

Lockst mit deinem mächtigen Schlage
Mir aus des Vergessens Haft
Her die alte Wielandsage!

Zauberst in der Esse Hort
Vor niein Aug' die Flammengeister,

Zeigst, mir am Gebläse dort
Wieder ihres Reiches Meister,

Schaffend in dem alten Zorn,

Der sich in den Fesseln windet.

Schaffend mit dem Blick nach vorn,

Der die Freiheit sucht und findet!

Und ich schau' ihn, schweigend, zäh
Hämmernd in das Erz die Seele,

In das Zanberwerk sein Weh,

Daß es dessen Schwungkraft stähle;

Seh' das stolze Adlerkleid
Fertig, ihn zum Flug zu führen,

Ueber Fernen hoch und weit

Neu die Heimat sich zu küren; — —

— — Und ich schau' den lahmen Schmied
Lachend zu den Höhen schweben, — —
Dring ihm nach, du Hammerlied,

Als ein Freiheitssang ins Leben! — —

Friedrich Wolf

„Mein Rosengarten!"

Von Albert von Trcntini

Sie hieß Marie Therese, aber zuhause nannten
sie sie Danny; weiß nicht, warum. Die Gärten
unserer Eltern standen nebeneinander, die Väter
waren Iugendbekannte, und so ist es selbstver-
ständlich, daß Donny und ich schon als Kinder
gute Freunde waren. Auch selbstverständlich,
daß ich mich in die Donny verliebte, als sie an
die fünfzehn kam, und daß ich damals wunder-
schöne Stunden verlebte, weil ich gar nicht
fragte, ob sie mich wieder liebte. Nur ich selber
wollte lieben, während ich den Schiller las oder
die Lateinaufgaben machte, denn gerade das
war so schön, ein Knabe zu sein, sich das ge-
demütigt vorwerfcn zu müssen, und dennoch zu
fühlen: Donny, Donny, — wenn es möglich
wäre, dich möchte ich heiraten!

Aber als ich mir einbildete, die Donny habe
ein Faible für Klaus Grote, einen viel feineren
Burschen, der noch dazu Graf war, trat das-
jenige ein, was am evidentesten beweist, wie
fest unsere Freundschaft war: ich begrub meine
Liebe mit unanfechtbaren Vernunftgründen und
wurde Donnys Vertrauter.

Und das blieb ich.

Donny hatte weder Bruder noch Schwester
zuhause und war so feinfühlig, daß sie ihrer
Gouvernante um keinen Preis was verraten
hätte. Und so kam Alles zu mir, eine Reihen-
folge von Liebesgeschichten, jede vom ersten
Kuß; und von dem bis zum zweiten . . . und
inimer bis zum letzten. Denn, wenn sie mir

Paul Scgieth

auch nie einen Namen nannte, die Donny war
entweder ein Pechvogel in der Liebe, oder sie
suchte nur ewig vergeblich den Richtigen.

Einmal gab es einen kleinen Skandal, das
heißt, sie fanden zuhause ein Liebesgedicht von
ihr. Damals schwur ich — Gott verzeih mir's! —
einen schwachen Meineid vor Donnys Eltern,
denn ich war's doch sicher nicht, dem das Ge-
dicht galt, und das vergaß mir die Donny nie.
Sie war mit neunzehn wunderhübsch geworden,
und sie hätte mir für die vielen treuen Dienste
gewiß gerne einen Kuß gegeben, . . . aber ich
bat sie nicht darum, denn unterdeß hatte auch
ich ein Mädchen gefunden.

Was mir die Donny bisher verheimlicht
hatte, das anvertraute sic mir jetzt, da sie wußte,
auch ich bin verliebt. Ströme von Liebe kamen
mir zu und ich verstand sie alle. Und das ist
nur logisch, den Verliebten versteht nur der Ver-
liebte, und das steigert sich noch, wenn beide
unglücklich verliebt sind.

Und damals waren wir's beide. Es lag
das schon in der Zeit, da ich auf Universität
war und Donny sich schrecklich auf meine Ferien
freute. Sie war wirklich ein treues Geschöpf,
denn Ostern und Weihnachten, da tat sie jedes-
mal vier Wochen lang so, als gäbe es über-
haupt nichts Interessanteres, Lieberes und Kom-
petenteres als mich auf der Welt, und ich ge-
noß das zusammen mit der komprimierten cltcr-
licken Zärtlichkeit wie ein Sultan.

Am schönsten aber war es allemal im Sommer,
die beiden Nachbarhäuser gingen nämlich stets
auf denselben Landplatz; einmal dahin, einmal
dorthin. Damals, zur Zeit, als die Donny und
ich so unglücklich verliebt waren, war der Karer-
see an der Reihe. Vom Hotel noch keine Spur,
irgend ein bescheidener Gasthof stand oben.

Gleich in der ersten Tagen merkte ich, mit
der Donny war etwas Besonderes los. Erstens
zog sie sich so schik an, daß man gleich treu-
los werden konnte, wenn man sie sah. Dazu
die Augen ganz außer Rand und Band, der
Mund immer halboffen, und im Gang etwas
ungewiß Wartendes, Sehnsüchtiges. Und zwei-
tens schwärmte sie in einer ganz ungewohnten
Weise die Natur an. Wir gingen zum Bei-
spiel in den Wald und saßen ein paar Stunden
darin, und sie sagte nichts, gar nichts. Wie
wir aber schon im Heimweg waren, drehte sie
sich plötzlich, dehnte sich fast den Bäumen ent-
gegen, die so still sonnenschwül standen, — und
rief ihnen mit einem sonderbaren Timbre zu:
„Mein Wald 1"

Als sie das mit einer Wiese, auf der wir
einen sonnigen Nachmittag durchgeträumt hatten,
ebenso machte, — „Meine Wiese!" — lachte

1912

ich. „Oho", sagte ich, „Donny, 0«;
hört Dir wirklich die ganze Welt?
Sie lachte nun auch, in süßer Ver-
schwiegenheit, und schaute mich prü'
send an.

Schon nächsten Abend kam ich
darauf. Ich stand tief herunten in den
Almen, netzen einer Schwaige, und
sehe plötzlich den Engländer, der mir
so zuwider ist, weil er mit den Kiefern
redet, von den Felsenwiesen herab-
steigen. Und ganz bald darauf kommt
zwischen mir und ihm ein rosenfar-
biges Persönchen aus einer Zirbel
heraus, ihm entgegen .. . und wird
sichtlich verlegen. „Öd?" höre ich ihn
sagen: „Miss Donny, how do you
do?“

Erst am Abend hernach ging mir
die Donny wieder zu. Wir saßen dann
am Seeuser, oben glühte der Rosen-
garten, und ich dachte, nun wird sie
gewiß beichten. Aber wir reden uw
lauter dicke Breie herum, alles Liebe,
natürlich, — und mit einem Male springt die
Donny auf, ihr Gesichterl wird im Wider-
schein des glühenden Felsens und des Glühens
im Wasserspiegel unendlich herzig, — und breitet
die Arme aus und ruft: „Mein Rosengarten!"

Jetzt verstand ich Alles I Wald und Wiese
und Rosengarten, alle diese Dinge waren Schau-
plätze einer lodernden Passion gewesen, der
Rosengarten aber, der unvergeßlichste von allen,
denn da hinauf, auf den Hauch von Schnee,
der über die Berge weithin grüßte, hatte der
zuwidere Engländer sie gebracht, — am Seil-
Am Seil, das vielleicht zitterte vom Pochen in
Donnys junger Brust I

„Ach sol" sagte ich, „Donny" — und mir
wurde eigentümlich mild zu mute. Ich begriff
jetzt dies .Mein Rosengarten' so gut, als ob ich
gerufen hätte Mein Salzkammergut' — denn
dort steckte meine Lilly, — und Donny mußte
das fühlen, denn nun plauderten wir uns diesen
Abend noch all unsere süße Schwere von den
Herzen.

Schon bald darauf wurden wir vernünftig.
Wenn auch nicht gerne. Donny machte in
Wien den Karneval mit und ich begann in der
Provinz einen Berus. Und als Donny nach
fünfjährigem Karneval müde in die Provinz
einrückte, kam ich nach Wien. Es geschahen
nun viel bedeutsamere Dinge, als die Liebes-
geschichten gewesen waren. Donnys Vater starb
und hinterlieb nur Reichtum. Meine Mutter
starb und hinterließ ein ganz leeres Haus. Und
auch Anderes geschah, Donny und ich hätten
uns viel zu sagen gehabt. Aber es ist immer
so. Wir waren noch die gleichen Freunde wie
früher, aber einmal kommt unwiderruflich die
Zeit, da man die Gefühle nimmer zu Papier
bringt. Wenn ich die Donny wiedersah, merkte
ich, da ist etwas nicht in Ordnung; und von
mir konnte sie sich's ohnedies denken. Das
Einzige aber, womit ich nun den zerschnittenen
Faden wieder anknüpfen wollte, war ein necken-
des Erinnern an einfältige Vergangenheit, —
„Mein Rosengarten!" sagte ich nun und sah sie
von der Seite an.

Aber, merkwürdig! Mich ließ der Scherz
mit seiner -eingestandencn Wehmut kalt, und
sie goutierte ihn nicht. Sie schüttelte den Kopf,
machte die Augen groß nach einer anderen
Richtung, als in der ich saß, und schwieg.

„Donny," sagte ich nun ganz ernsthaft, „was
ist denn?"

Aber sie schüttelte nur nochmals den Kopf
und sagte wieder nichts. Und sie ließ mich,
ohne sich anvertraut zu haben, nach Wien zu-
rückkehren.

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Register
Albert v. Trentini: Mein Rosengarten
Paul Segieth: Vignette
Friedrich Wolf: Hammerlied
 
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