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Nr. 4

1912

Hier würde es zu weit führen, die verschiedenen
Gewebsarten und Organe in ihrer Abhängigkeit
vom Elektrolytkreislauf auch nur flüchtig zr> skiz-
zieren oder gar m>f die konkurrierenden Fragen
der kollateralen Versorgung, der Enzyme und
Hormone, der Intoxikation und Immunität, der
ortsfremden Neubildungen, des Unterschiedes zwi-
schen Nekrose rmd Nekrobiose und der „Mit-
wirkung" von Mikroorganismen guter und schlim-
mer Art einzugehen. Uber diese und andre wich-
tigen Nebenfragen möge der sreundwillige Leser
mit seinem besteir Freunde, dem Hausarzt, sprechen,
der leider meistens erst gerufen wird, wenn das
Unheil schon im Gange ist. Bon alljährlich min-
dcstens einmaliger Prüfung des Nerven-, Herz-,
ölut- und Harnzustandes, sowie der wichtigsten
Organfunktionen ist keine Rede. Allst, der schein-
bar ganz Gesunde sollte sie von „seinem" Arzte
geradezu verlangen und dieseni folgen, wenn er
vor bestimmten Exzessen und Überanstrengungen
warnt. Was ich hier bieten kann, ist nur der

c,:-Itnent-

JUGEND

ie Ünent-
elektroly -

li,cyen Kreislaufs für alle Organe und
Lokale unserer Leiblichkeit, um sie vor Lähmung,
Atrophie, Brand, Schwüren und Furunkeln, per-
niziösen Entwärmungen, Neuralgien, Blinddarm-
und sonstigen Entzündungen, Anämien aller Art,
Sklerose und Cirrhose, Infarkten und Gangrän,
oder wie immer das Teufelszeug sich nennen
> mag, zu bewahren.

Wir dürfen eben nicht vergessen, daß in unserem
Körper jeder Kubikmillimeter einen Krankheits-

herd bilden kann, wen» ihm nicht die ortsübliche
Ionisierung zuteil wird. Diese zahlreich differen-
zierten „ortsüblichen" Bespülungen durch das Salz-
serum erfolgen normalerweise infolge einer wun-
derbaren Regulation, die im gesunden Menschen
niehrere Milliarden jener nur mikroskopisch sicht-
baren Kapillargefäße fortwährend pronipt arbeiten
läßt, ohne daß wir uns darum kümmern. Der
Entdecker des Blutkreislaufs, Harvey, hatte jene
zwischen die Arterien und die Venen eingeschobene
Kanalwelt nicht „gesehen". Trotzdem hat man
ihm seit 1628 bis zur Erfindung des Mikroskops
geglaubt. Möge man auch mir den elektro-
l y t i fch e n Kreislauf „glauben", obschon ich mich
nur auf grobe klinische und Tierexperimente und
nicht auf genaue mikrochemische Beobachtungen
berufen kann, von denen cs sehr fraglich ist, ob
sie jemals in vivo gemacht werden können.

Gewiß wäre es nicht nur Charlatanerie, son-
dern geradezu lächerlich, wollte nian alles und
jedes Ungemach, jedes Uebelbefinden mit Salz
Kurieren. Vieles läßt sich bamit machen, aber
nicht alles, und übrigens ist der elektrolytische
Kreislauf sanit seinen Immunitäten doch auch
ein Stück angeerbter Konstitution und erb-
licher Entlastung. Die Salzlösung kann nian oft
mit Erfolg infundieren, und gerade diese, bisher
rein empirischen Erfolge (z. B. bei der Bauchfell-
entzündung, bei zahllosen diarrhöischen, anämischen
und bakteriellen, selbst bei nervösen uiid geistigen
Erkrankungen) haben der Salztherapie zu neuem
Ansehen verholfen, — zum Kreislauf gehören
aber auch die Gefäße, die Zellen und Membranen,

auch die Nerven; alle diese Bildungen müssen
physiologisch und biochemisch in bester Ordnung
sein, wenn der Elekrolytkreislauf seine Künste
springen lassen soll. Ist, niaße mir nicht an, ärzt-
liche Ratschläge zu geben, sondern begnüge mid)
damit, der ärztlichen Empirie den elektrogenetischen
Kreislauf mit allen seinen Folgerungen als ätio-
logisches Priiizip allererster Ordnung vorgestellt
zu haben.*) 6-org Hirtk

*) Wer da meint, die Originalität meiner Lehre
bezweifeln zu sollen, der suche sic in der ausgezeichneten
„Physikalischen Chemie der Zelle und der Gewebe"
von Rud. Höher, 3. Auflage. Juni 1911. In
dieser Schrift, die man das Gewissen der modernsten
biochemischen Forschung nennen kann, heißt es S. 30:
„In vielen Fällen bleibt daher die Indifferenz für
einige Zeit gewahrt, wenn man die Blutflüssigkeit
durch eine reine Kochsalzlösung ersetzt, welche denselben
osnwtischen Druck hat, wie da§ Plasma." Obschon
der Verfasser selbstverständlich alles, was für die
elektrogenetische Bedeutung der Salzlösung im
Organismus spricht, genau kennt, —so die Nernfi-
schen Konzcutrationskettcn, die Ostwald'sche Mem-
braneuthcorie, überhaupt die ganze Joncnlchre, —
so unterläßt er es doch, meine Schlußfolgerungen,
die ihm gewiß bekannt waren, auch nur mit einem
Worte zu erwähnen. Er huldigt noch der veraltete»
Goltz'schcn Anschauung, wouach die Infusion die Auf-
gabe hatte „zu verhindern, daß das Herz mehr oder
minder leer schlägt und der Blutdruck zu stark sinkt."

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