haben meine Landsleute wie ich vor Jahren las, das Gym-
nasium in ein neues Gebäude verlegt? Kann es einen größeren
Frevel geben? Was mag der Steinhändler in der Klostergasse
dazu gesagt haben? Ja, der Stcinhändler!
Der Steinhändler! das sagt sich so einfach. Für mich,
den zehnjährigen Buben, der fünf Kreuzer in die Schule mit-
bekam, damit er sich in der Zehnuhrpause dafür beim Metzger
gegenüber dem Kloster ein Würstchen und eine Semmel kaufe
und der sich manchen Tag diesen Genuß versagte, um zum
Steinhändler zu schleichen und aus seinen Schätzen irgend ein
wertvolles Stück — er hatte nur Unika! — zu erstehen, für
mich war es bald klar, daß er gar kein gewöhnlicher Mensch,
sondern ein Zauberer war! Denn er wohnte wie in einem
Märchen, in einem ganz kleinen, wackeligen Häuschen in der
Klostergasse, wir Kinder mußten über eine dunkle Holztreppe
leise, leise hinaufsteigen, denn er stand oben vor seiner Tür
lind dämpfte mit geflüsterten Zurufen unsere Hast und Auf-
regung und führte uns dann in fein Zimmer, das nicht größer
war als eine Hutschachtel und darin auf dem Tische die große
schwarze Katze saß oder mit gekrümmtem Rücken stand und
mit der er so sprach, wie nian eben mit einer verzauberten
Prinzessin sprechen muß.
„Nehmen Sie nur wieder Platz," beruhigte er sie, „dieser
Herr ist ein Steinsammler und guter Freund!" Er fuhr der
Prinzessin über den Rücken und sie schloß ihre müden Augen
und träumte weiter. Aber der heimatliche Steinhändler rieb
sich die Hände, er kicherte, wie nur Zauberer im Märchen
kichern, und fragte nach unseren Wünschen. Dann zog er
die Schublade aus dem Tische hervor, darin lagen die Schätze,
jeder Stein, jeder Quarz, jedes Marienglas, jeder Rauchtopas
in ein Papier eingewickelt, die streichelte er auch, eh er sie aus
den Fingern gab. Und einmal, da ich wieder zu ihm ge-
kommen war, da schnripperte er an mir herum und sagte etwas,
was mir ihn eben ganz sicher als Zauberer verriet! Ich hatte
nämlich an diesem Tage mein Würstchen gegessen; aber ich
hatte vom vorigen Tage nieine fünf Kreuzer in der Tasche,
da zog er feinschmeckerisch und begehrlich deir Metzgerduft,
der mich umgab, in seine Nase: „Pf, pf, trehbieng!" hauchte
er und machte große Naseirlöcher. „Das glaube ich!" Und
er schaute mich seitlich aus den Augenwinkeln zärtlich an
und sagte: „Sie habeir es gut, junger Herr! Aber wir leben
nur von den Steinen. Deshalb sind wir so mager, das Fräu-
lein und ich!" Und kicherte und seufzte.
Da wußte ich doch ganz genau, daß er ein Zauberer war!
Ich sah ihn gleich mit der Königstochter mittags beim Tische
sitzen und aus der Schublade die Steine herausnehmen und
essen. Denn er hatte sich verraten! Herrgott, was mag ich
nach dieser Entdeckung für Augen gemacht haben, so etwas
sollte ich, gerade ich erleben! Ein richtiges Märchen mit einer
echten verzauberten Königstochter und einem lebenden Zauberer!
Das war einmal ein Erlebnis! Er aber lachte wieder leise
auf, dann packte er einen flachen, aber ganz glatten Stein
aus seiner Umhüllung, es war scheinbar ein ganz gewöhnlicher
Kieselstein, wie wir ihn beim Baden fanden, den hielt er gegen
das Fenster und bewegte ihn hin und her: „Der hat ein
Feuer!" lobte er den Stein, „was, junger Herr? Ein über-
irdisches Feuer!"
Da schämte ich mich vor ihm einzugestehen, daß ich gar
nichts von dem Feuer bemerkte, und als er nun gar seufzte:
„Bon solch einem Steine muß ich mit dieser Dame hier" —
er wies auf die Katze, die bestätigend dazu nickte — „einen
ganzen Tag leben" — da war es um mich geschehen und ich
fragte andächtig nach dem Preise. Da sagte er:
„Junger Herr," sagte er, „das ist ein sogenannter Heimat-
stein, locus mirocu8; die wachsen nur hier in unserer Heimat.
Er ist eigentlich auch gar nicht zu verkaufen; denn den ver-
stehen nur ganz besondere Kenner! Und Sie dürfen aud)
Niemandem verraten, daß ich Ihnen einen solchen Heimatstein
abgelassen habe! Denn," — er flüsterte mir dies ins Ohr — „er
ist ein Zauberstein, Ioeu8 miroLU8! Dame," zwinkerte er die
Katze an, „wir haben heute beide noch nichts gegessen; soll ich
den Stein verkaufen?"
Da nickte die Prinzessin wieder mit ihrem Kopfe, sie
steckte ein rosiges Zünglein aus den: Munde und nickte wieder.
Ich gab niein ganzes Vermögen her, ich barg den Heimatstein
in meiner Tasche, und dann schob mich der Zauberer sachte
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nasium in ein neues Gebäude verlegt? Kann es einen größeren
Frevel geben? Was mag der Steinhändler in der Klostergasse
dazu gesagt haben? Ja, der Stcinhändler!
Der Steinhändler! das sagt sich so einfach. Für mich,
den zehnjährigen Buben, der fünf Kreuzer in die Schule mit-
bekam, damit er sich in der Zehnuhrpause dafür beim Metzger
gegenüber dem Kloster ein Würstchen und eine Semmel kaufe
und der sich manchen Tag diesen Genuß versagte, um zum
Steinhändler zu schleichen und aus seinen Schätzen irgend ein
wertvolles Stück — er hatte nur Unika! — zu erstehen, für
mich war es bald klar, daß er gar kein gewöhnlicher Mensch,
sondern ein Zauberer war! Denn er wohnte wie in einem
Märchen, in einem ganz kleinen, wackeligen Häuschen in der
Klostergasse, wir Kinder mußten über eine dunkle Holztreppe
leise, leise hinaufsteigen, denn er stand oben vor seiner Tür
lind dämpfte mit geflüsterten Zurufen unsere Hast und Auf-
regung und führte uns dann in fein Zimmer, das nicht größer
war als eine Hutschachtel und darin auf dem Tische die große
schwarze Katze saß oder mit gekrümmtem Rücken stand und
mit der er so sprach, wie nian eben mit einer verzauberten
Prinzessin sprechen muß.
„Nehmen Sie nur wieder Platz," beruhigte er sie, „dieser
Herr ist ein Steinsammler und guter Freund!" Er fuhr der
Prinzessin über den Rücken und sie schloß ihre müden Augen
und träumte weiter. Aber der heimatliche Steinhändler rieb
sich die Hände, er kicherte, wie nur Zauberer im Märchen
kichern, und fragte nach unseren Wünschen. Dann zog er
die Schublade aus dem Tische hervor, darin lagen die Schätze,
jeder Stein, jeder Quarz, jedes Marienglas, jeder Rauchtopas
in ein Papier eingewickelt, die streichelte er auch, eh er sie aus
den Fingern gab. Und einmal, da ich wieder zu ihm ge-
kommen war, da schnripperte er an mir herum und sagte etwas,
was mir ihn eben ganz sicher als Zauberer verriet! Ich hatte
nämlich an diesem Tage mein Würstchen gegessen; aber ich
hatte vom vorigen Tage nieine fünf Kreuzer in der Tasche,
da zog er feinschmeckerisch und begehrlich deir Metzgerduft,
der mich umgab, in seine Nase: „Pf, pf, trehbieng!" hauchte
er und machte große Naseirlöcher. „Das glaube ich!" Und
er schaute mich seitlich aus den Augenwinkeln zärtlich an
und sagte: „Sie habeir es gut, junger Herr! Aber wir leben
nur von den Steinen. Deshalb sind wir so mager, das Fräu-
lein und ich!" Und kicherte und seufzte.
Da wußte ich doch ganz genau, daß er ein Zauberer war!
Ich sah ihn gleich mit der Königstochter mittags beim Tische
sitzen und aus der Schublade die Steine herausnehmen und
essen. Denn er hatte sich verraten! Herrgott, was mag ich
nach dieser Entdeckung für Augen gemacht haben, so etwas
sollte ich, gerade ich erleben! Ein richtiges Märchen mit einer
echten verzauberten Königstochter und einem lebenden Zauberer!
Das war einmal ein Erlebnis! Er aber lachte wieder leise
auf, dann packte er einen flachen, aber ganz glatten Stein
aus seiner Umhüllung, es war scheinbar ein ganz gewöhnlicher
Kieselstein, wie wir ihn beim Baden fanden, den hielt er gegen
das Fenster und bewegte ihn hin und her: „Der hat ein
Feuer!" lobte er den Stein, „was, junger Herr? Ein über-
irdisches Feuer!"
Da schämte ich mich vor ihm einzugestehen, daß ich gar
nichts von dem Feuer bemerkte, und als er nun gar seufzte:
„Bon solch einem Steine muß ich mit dieser Dame hier" —
er wies auf die Katze, die bestätigend dazu nickte — „einen
ganzen Tag leben" — da war es um mich geschehen und ich
fragte andächtig nach dem Preise. Da sagte er:
„Junger Herr," sagte er, „das ist ein sogenannter Heimat-
stein, locus mirocu8; die wachsen nur hier in unserer Heimat.
Er ist eigentlich auch gar nicht zu verkaufen; denn den ver-
stehen nur ganz besondere Kenner! Und Sie dürfen aud)
Niemandem verraten, daß ich Ihnen einen solchen Heimatstein
abgelassen habe! Denn," — er flüsterte mir dies ins Ohr — „er
ist ein Zauberstein, Ioeu8 miroLU8! Dame," zwinkerte er die
Katze an, „wir haben heute beide noch nichts gegessen; soll ich
den Stein verkaufen?"
Da nickte die Prinzessin wieder mit ihrem Kopfe, sie
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