A. Schmidhammer
3m pattionsdorf
„VT«, liebes Rind, geh'n Sie nicht auch in die Vorstellung?" — niüaßt ja dennerscht lacha, i kenn
ja den Christus z' guat!"
Reden verboten
(Wie der Pariser „Figaro" versichert, wird die
Westbahn Wagen für „Nichtsprecher" einführen.)
Im Nichtsprecher-Wagen fuhr ich einmal,
Den Wert dieser Neuheit zu messen.
Es hat gegenüber mir, völlig neutral,
Ein reizendes Fräulein gesessen.
Wie gerne hätte ich zärtlich und mild
Mit ihr geplaudert nach Noten,
Doch, ach, überm Fenster prangte ein Schild,
Das Kündete drohend, das Kündete wild:
Reden verboten!*
Ich rückte bald her, ich rückte bald hin,
Ich seufzte melodische Töne,
Ich sandte ihr Blicke voll zärtlichem Sinn,
Es lächelte leise die Schöne.
Und endlich faßte ich Mut mir: es gilt,
Mit Flüstern zerhau' ich den Knoten,
Ich öffne den Mund — mein Eifer er schwillt,
— Da deutet sie sanft mit der Hand auf
das Schild:
Reden verboten!
Ich frug mich verzweifelt: was fang' ich nur an?
Zum Stununen kann ich nicht taugen!
Ich rückte ganz nah' an die Schöne heran
Und blickte ihr tief in die Augen.
Da glänzte mir freundlicher Widerschein,
Schnell küßt' ich die Lippen, die roten.
Im ersten Schrecken wollte sie schrei'n,
Ich aber wies auf das Schildchen klein:
Reden verboten!
Ich Hab' sie gefreit, die liebliche Maid,
So reizend war sie, so schnippisch!
Wie schön war die Ehe in erster Zeit,
Doch langsam ward sie xanthippisch.
Jetzt schilt sie, jetzt keift sie ganz schauderbar,
Ich ringe verzweifelt die Pfoten:
Wie schön war die Zeit — jetzt wird mir's
erst klar —,
Als noch das Schildchen in Geltung war:
Reden verboten!
*
Bim
Mffiziersqualifikation
Mit einer peinlichen Angelegenheit beschäftigt
sich augenblicklich das Kriegsministerium in Ber-
lin. Ein ehrengerichtlicher Bericht stellt aus den
Personalakten des am 4. Februar 1695 als
Generalfeldmarschall verstorbenen Reichsfreiherrn
Georg von Derfflinger fest, daß dieser der Sohn
eines österreichischen Bauern gewesen ist und in
seiner Jugend das Schneiderhandwerk als Geselle
betrieben hat. Der Bericht fügt hinzu: Diese An-
gelegenheit eigne sich nicht zum Gegenstände einer
ehrengerichtlichen Untersuchung,' die ehrengericht-
liche Untersuchung habe aber ergeben, daß die
Herkunft und Vergangenheit des p. v. Derfflinger
sich mit den gesellschaftlichen Anschauungen seiner
Kameraden in einem bedauerlichen Gegensatz be-
finde, und daß er sich deshalb zum Offizier nicht
eigne.
Was nun tun? Daß der p. v. Derfflinger
in den Reihen des Offizierskorps nicht mehr ge-
duldet werden kann, unterliegt natürlich keinem
Zweifel. Es lag nahe, seine Erben und Rechts-
nachfolger aufzufordern, nachträglich die ehren-
volle Verabschiedung des Genannten zu bean-
tragen. Aber dann hätte man auch die von ihn:
erfochtenen Siege rückgängig machen müssen, was
vom Standpunkte der Weltgeschichte aus mit er-
heblichen Komplikationen verbunden gewesen wäre.
Aus diesem Labyrinth hat der Kriegsminister einen
glücklichen Ausweg gefunden. Er hat entschieden:
ein ehemaliger Schneidergeselle, der auch noch der
Sohn eines Bauern sei, eigne sich allerdings nicht
zum Reserveleutnant, aber Generalfeldmarschall
könne er noch werden.
Rhedive
*
Zur gefl. Beachtung I
Mit dieser Nummer beginnt die „Jugend“ das
dritte Quartal des Jahrganges 1912. Wir richten
an unsere verehrl. Abonnenten das höfl. Ersuchen
um sofortige Erneuerung des Abonnements, damit
im Fortbezug der Zeitschrift keine Störung eintritt.
Verlag der Münchner „Jugend“
797
3m pattionsdorf
„VT«, liebes Rind, geh'n Sie nicht auch in die Vorstellung?" — niüaßt ja dennerscht lacha, i kenn
ja den Christus z' guat!"
Reden verboten
(Wie der Pariser „Figaro" versichert, wird die
Westbahn Wagen für „Nichtsprecher" einführen.)
Im Nichtsprecher-Wagen fuhr ich einmal,
Den Wert dieser Neuheit zu messen.
Es hat gegenüber mir, völlig neutral,
Ein reizendes Fräulein gesessen.
Wie gerne hätte ich zärtlich und mild
Mit ihr geplaudert nach Noten,
Doch, ach, überm Fenster prangte ein Schild,
Das Kündete drohend, das Kündete wild:
Reden verboten!*
Ich rückte bald her, ich rückte bald hin,
Ich seufzte melodische Töne,
Ich sandte ihr Blicke voll zärtlichem Sinn,
Es lächelte leise die Schöne.
Und endlich faßte ich Mut mir: es gilt,
Mit Flüstern zerhau' ich den Knoten,
Ich öffne den Mund — mein Eifer er schwillt,
— Da deutet sie sanft mit der Hand auf
das Schild:
Reden verboten!
Ich frug mich verzweifelt: was fang' ich nur an?
Zum Stununen kann ich nicht taugen!
Ich rückte ganz nah' an die Schöne heran
Und blickte ihr tief in die Augen.
Da glänzte mir freundlicher Widerschein,
Schnell küßt' ich die Lippen, die roten.
Im ersten Schrecken wollte sie schrei'n,
Ich aber wies auf das Schildchen klein:
Reden verboten!
Ich Hab' sie gefreit, die liebliche Maid,
So reizend war sie, so schnippisch!
Wie schön war die Ehe in erster Zeit,
Doch langsam ward sie xanthippisch.
Jetzt schilt sie, jetzt keift sie ganz schauderbar,
Ich ringe verzweifelt die Pfoten:
Wie schön war die Zeit — jetzt wird mir's
erst klar —,
Als noch das Schildchen in Geltung war:
Reden verboten!
*
Bim
Mffiziersqualifikation
Mit einer peinlichen Angelegenheit beschäftigt
sich augenblicklich das Kriegsministerium in Ber-
lin. Ein ehrengerichtlicher Bericht stellt aus den
Personalakten des am 4. Februar 1695 als
Generalfeldmarschall verstorbenen Reichsfreiherrn
Georg von Derfflinger fest, daß dieser der Sohn
eines österreichischen Bauern gewesen ist und in
seiner Jugend das Schneiderhandwerk als Geselle
betrieben hat. Der Bericht fügt hinzu: Diese An-
gelegenheit eigne sich nicht zum Gegenstände einer
ehrengerichtlichen Untersuchung,' die ehrengericht-
liche Untersuchung habe aber ergeben, daß die
Herkunft und Vergangenheit des p. v. Derfflinger
sich mit den gesellschaftlichen Anschauungen seiner
Kameraden in einem bedauerlichen Gegensatz be-
finde, und daß er sich deshalb zum Offizier nicht
eigne.
Was nun tun? Daß der p. v. Derfflinger
in den Reihen des Offizierskorps nicht mehr ge-
duldet werden kann, unterliegt natürlich keinem
Zweifel. Es lag nahe, seine Erben und Rechts-
nachfolger aufzufordern, nachträglich die ehren-
volle Verabschiedung des Genannten zu bean-
tragen. Aber dann hätte man auch die von ihn:
erfochtenen Siege rückgängig machen müssen, was
vom Standpunkte der Weltgeschichte aus mit er-
heblichen Komplikationen verbunden gewesen wäre.
Aus diesem Labyrinth hat der Kriegsminister einen
glücklichen Ausweg gefunden. Er hat entschieden:
ein ehemaliger Schneidergeselle, der auch noch der
Sohn eines Bauern sei, eigne sich allerdings nicht
zum Reserveleutnant, aber Generalfeldmarschall
könne er noch werden.
Rhedive
*
Zur gefl. Beachtung I
Mit dieser Nummer beginnt die „Jugend“ das
dritte Quartal des Jahrganges 1912. Wir richten
an unsere verehrl. Abonnenten das höfl. Ersuchen
um sofortige Erneuerung des Abonnements, damit
im Fortbezug der Zeitschrift keine Störung eintritt.
Verlag der Münchner „Jugend“
797