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Abend am Ammersee

Es hat der See den Tag durchglänzt.

Nun kommt die Nacht, die seinen Schimmer
Mit Bergesschatten schwarz umkränzt.

Und wie die Fluten sich verdunkeln,

Fühlt schon das Herz den Stern am Hügel
Vom finstern Wald ins Wasser funkeln.

Sein Bildnis muß, ein Flöckchen Licht,

Auf kantig hohlem Spiegel schaukeln,

Der zärtlich schwankend es zerbricht

Und spielend es verstärkt, ergänzt,

Bis hoch das Urbild strahlt am Bogen,
Das Abbild tief in feuchten Wogen
Fremd wie aus andern Welten glänzt.

Wilhelm Michel

Oer Ooppeinebel

Line Seemannsgeschichte von Paul Langnickel

In einer verschwiegenen Ecke der goldenen
Sonne zu Rostock saßen an einem nebligen
Novemberabend drei alte verwitterte Blauröcke,
die sich „Käpten" Bohnsack, Käpten Knarrmast
und Käpten Bratbors nannten. Sie tranken
Grog und „dröhnten" von „olle Tieden" und
vom Wetter. Ihre Sprache war das gemütliche
Missingsch, denn Hochdeutsch war zu der Zeit,
wo diese Geschichte spielt, in Kapitänskreisen noch
nicht üblich, und Plattdeutsch? — Nee! — das
sprechen Matrosen und Fischer, das ist denn doch
für einen Kapitän zu ordinär! — Und darum
müssen echte Kapitänsgeschichten auch auf Missingsch
erzählt werden.

„Tja! Tja!" sagte Käpten Bohnsack, „lern
mich einer mit die Wittrung umgehn. Heute
Newel, morgen Frost und übermorgen Sturm,
und der Prometer rührt sich nich vom Fleck und
die Rostocker Zeitung schreibt: ,Teils Nebel, teils
Frost, teils Sturm, auch sind Niederschläge nicht
unwahrscheinlich? und dann wissen wir ja nu
genau Bescheid!"

„Sie wissen all' nicks," sagte Bratbors, „äwer
mit dem Nebel dat stimmt, und so 'ne stickige
nahe Newel wie heut Abend Hab ich all' mein
Tag' noch nich' in die Nas' gehabt."

„Man kann ihm bald sneiden wie Sweizer-
käs," meinte Knarrmast.

„Tja! Was der heutige Newel is, is stark,"
sagte Käpten Bohnsack, „awerst es is doch ümmer
noch keinen Doppelnewel, wie ich ihm anno 52
in Ollenfähr mitgemacht habe. Das war 'ne
Geschicht, die is beinah so ,lögenhaft to verteilen*
wie Haas und Swinegel. Dessentwegen Hab ich
auch nie davon verzählt und will's auch heut for
mich behalten."

„Grad' dessentwegen verzähl sie uns man,"
meinten die Andern. „Wir haben von Wetter-
sachen die nötigen Insichten, und dann können
wir auch noch 'ne lütte Grog dabei trinken."

Der letzte Grund war durchschlagend und Käpten
Bohnsack erzählte:

„Also, ich komm von Tilsit mit Käs', was in
die Lina reingeht, und Hab in Stettin gelöscht
und sitz da im Anker und trink Grog. Denk ich:
Rach Rostock kommst noch ümmer früh genug,
fahr nial 'n paar Tag' nach Ollenfähr zu deinem
Freund Petersen, und denn fahr ich auch los
uach Ollenfähr. Ich bin ja denn da und geh an
Land und Petersen wär 'n bischen nach Stralsund
und käm deil annern Tag erst trüg. Gehst in
’n swarzen Adler bei Mutter Kunkelsch und läßt
dich mal gut kochen und besuchst Petersen den
annern Tag, denk ich, und tu so. Abends also

Max Frey (Dresden)

Geleit

Wenn eine Möwe eng Dein Schiff umkreist,
Taglang, und unablässig wiederkehrt:

Denk, es wär meine Seele.

Wenn Dir ein Hündchen in dem fremden Land
Auf allen Wegen unablässig folgt —

Denk, es wär meine Seele.

Wenn sich auf Deine Hand ein Schmetterling
Mit dunkelsamtnen Schwingen niederlüßt —
Denk, es wär meine Seele.

Martina Wied

frische Flunuern und Flickhering' und 'n lütt
Böffstück und denn natürlich 'ne herrliche Grog,
und verzähl mich mit Kunkelsch von olle Tieden,
wie das denn ümmer so geht.

Kunkelsch war nu auch schon an die siebzig
und wollt denn nachher bald slafen gehn.

,Oll Fründ? sagt sie zu micf), ,das is heut so
'ne olle stickige Newel in die Luft und das flögt
mich den ümmer gleich auf die Bost, nimm mich
das nich för ungot, wenn ich mich absentiren tu,
ich will im Bett gehn. Wenn du noch nicht slafen
kannst, rühr dich noch 'ne lütte Grog an oder
nimm dich die Rumbuddel und den Waterkettel
mit nach oben, denn kannst du ja im Bett noch
einen drinken. Äwer verbrenn rni nich dat Bett-
tüg mit dien Piep! — Na denn gon Nacht ok!‘
sagt sie noch und wrampelt raus.

Kinners? Ich Hab schon in alle möglichen
Lagen Grog getrunken. Worüm sollt mich der
nich auch in Kunkelsch ihre Betten smecken? Ich
zieh also mit die ganze Apthek' in meine Koje,
verinleibe nach denn noch verschiedene Mischungen
im Bett, bis mich das örntlich warm wird, und
ich behaglich einslummre. Träum' auch wohl 'n
bischen.

Gegen morgen zu wach ich denn auf, weil
ich mein, es hält' was an mein' Tür gebuddert.
Mein Kopp war mich 'n bischen beswonunen.
Da butzt was gegen meine Fensterruten, als wenn
die Jungs da mit Sneekluten anstneißen tun.

Willst mal feh'n, was das bedeuten soll?
Denk ich, und grabbel mir aus die Federn 'raus.
Das kratzt auch im Hals, daß ich in einen Husten
bleib, die ganze Stub' riecht nach Rum.

Hast wohl die Flasch' aufgelassen und nu is
die Aroma in die Luft gegangen, denk ich, und
war auch richtig.

Nee, wie war mir denn blos! So 'ne Luft
hat ich ja mein Lebtag noch nich in 'n Lungen

gehabt, die war ja so dick wie Wasserdampj,
blos noch 'n bischen dicker.

Wie ich inich recht besetz', bin ich naß an 'n
ganzen Leib, und ich denk, ich Hab geswitzt; aber
der Fußboden und alle Möbel sind glittschig, und
siebt allens ganz verswommen aus.

Bums! geht das wieder an mein Fenster,
und ich mach' die Flügeln auf und will schimpfen^
oberst ich fall' bemal} auf'n Rücken, so drückt
das von draußen 'rein, grad' wie 'ne Waffer-
ftrom und ich kann die Fenstern erst wieder zu-
kriegen, als die ganze Stub' voll ist — nämlich
von dem dicken Newel, der draußen war.

So was hatt' ich noch nie nich' mitgemacht.
Erft war ja wohl nur 'ne lütte Prob' durch die
Kamin' und Fensterritzen zu nach 'rein gekommen,
oberst nu? Nu swomm ich beinah. War das
im noch Luft oder war das Wasser?

t Kinnings, hat schon mal einer von Euch Up-
drift gehabt? Ich mein' regelären Auftrieb? —
Ich merkte als seebefahrenen Mann, was mit
mir los war. — Ich hatte ihm nämlich, und
wenn ich am Abend nich' so swer geladen hätte
und denn noch 'n Dalerner fünfzig Preußsch-
Kurant in der Tasche, denn swömm ich ja nu
wohl in meinem eigen Zimmer an der Deck 'rum
wie 'ne vergnäugte Pogg (vergnügter Frosch).
Nämlich mein Stiebelknecht lag all an der Deck
und verschiedene Stühl und Holzsachen auch.
Is dat nich doll? Mir war nu ganz ramm-
dösig in 'n Kopp.

Bums! geht das wieder gegen mein Fenster.
Ich kuck hin und seh, daß mir da so 'n dick-
schnäuziger Kabeljau mit seinen plumpen Freß-
kopp ins Zimmer glotzt! Könnt Ihr Euch das
denken! Selbst die Fisch' hatten den Übergang
verloren und wußten nich' mehr, was Wasser
und was Luft war, so 'ne dicke Newel war
draußen. Nu swommen die Flunnern und Ka-
beljaus in der Luft 'rum, wie sonst im Wasser
und rämmsen mir mit ihre dicken Snauzen
gegen die Fensterruten.

Hab all' mein Tag' nich recht an spöken ge-
glaubt, äwerst jetzt war mich doch unheimlich zu
Mut, und ich kriegt' den Beber in die Bein.

Mein' Uhr liegt auf 'n Tisch, und ich will
mal nach die Zeit sehn, äwer kaum daß ich ihr
umn blos nüt 'n Finger berühr', flutscht sie auch
schon vom Tisch 'runter und fällt auf die Erd'.
Ja! fiel sie man, aber sie flitscht in der Luft —
ich sag all Luft — zickzackig hin und her, als
wenn man 'n Teller ins Wasser gesmissen hält'
und ich kann ihr noch wieder snappen, eh' daß
sie auf die Erd liegt.

Nu kömmt es noch immer döller! Sollst 'n
lütten Rum drinken, denk ich, daß dich was
menschlicher zu Mut' wird, und lang' mich die
Büddel-Kuck mal einer an! — Is die ganze
Flasch bis baben hin voll, wo ich ihr doch am
Abend so ziemlich umgekrempelt hatte! — Ich
setz' sie an 'n Kopp und drink eins. — Pfui
Deubel! — Reines Wasser!

Dat fall de Düwel supen! sag ich auf ornör
Plattdeutsch, und will ihr in ein gewisses unehr-
liches Gefäß ausgießen. Es lief oberst kein Drop-
pen 'raus, obschonst ich ihr auf 'n Kopp stellte.

Das oll Wasser is vernünftiger wie du! sagt
ich mir; wenn all die Luft Wasser is, wie kann
man denn da noch Wasser drin ausgießen!

Ich weiß nu überhaupt nich mehr, wann ich
Luft und wann ich Wasser sagen soll, denn das
war allens eins.

Auch in die Zuckerdos' war keinen Zucker
mehr in, blos Wasser, und nu wurd mich das
klar, worüm mich das so im Hals' kratzt. Der
Zucker hatte sich in die Luft aufgelöst rmd der
Rum hatte sich da mang geflüchtigt, und so hatt'
ich die ganze Nacht in kalten Grog ge-
slafen!! — Da slaf nu mal einer in! — Ärger-
lich smeiß ich die Buddel in 'n Eck. Meine Klock
war halber sieben und ich denk, geh man 'runter,
Kunkelsch wird wohl all Kaffich gekocht haben.
Hier oben is das ja allens verhext.

Ich geh denn, nee, ich swimm, an die Tür
und an die Trepp und will runter gehn, aber das
ging nich', von wegen der Aufdrift. So muß ich
mir denn mit große Muskelkraft an dem Geländer
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Paul Langnickel: Der Doppelnebel
Wilhelm Michel: Abend am Ammersee
Martina Wied: Geleit
Max Frey: Im Sommerhaus
 
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