Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

WM


Rus dem ßeorg Grth - schrein

Spruch auf einen ^Zecher

Wie ein Aug im Abend leuchtet
Deines Kelches alte Zier.

Der Dich vormals angefeuchtet,

Gab, der Wein, die Seele Dir.

Was Du hieltst, ward Dir verwoben,

Zn die Hülle drang die Kraft —

Daß Dich hell die Zecher loben,

Birgst Du noch so trüben Saft.

Reicher noch, wenn einer Fraue
Lippen Deinen Rand geweiht,

Schäumst Du immerzu im Taue
Frischer, junger Seligkeit.

Schäum nur, deutscher Kelch, und künde
Kampf dem Zweifel, Kampf der Pein!
Daß das Werk zum Kranz sich winde,
Muß die Freude Mundschenk sein.

An Georg Hirkh, den Aufrechten. Starken, Jungen,
in dankbarer, inniger Verehrung
Wien, April 1911

Hans Müller

*

Ja, sc» ein Siebziger —

Mein Großvater selig war siebzig Zahr,
Fünfzig davon war er Schulmeister gar,

Da kam das Zubiläumsessen.

Links von ihm ist der Pastor gesessen
Und rechts der Inspektor. Die

beiden Herrn

Hätten nun für ihr Leben gern

Dem wackern Mann gewünscht, er würde

Zetzt niederlegen der Amtes Bürde.

Doch der will davon gar nichts merken.
Der Pastor spielt drauf an beim Tisch;

Der Alte, nicht ohne sich vorher

zu stärken,

Strahlt da: Herr Pastor, ich fühle

mich frisch,

So frisch, wie's einer sich wünschen

kann. —

Der Znspektor versuchts alsdann

beim Braten;

Doch lustig nickt der alte Mann:

Der leßte Jahrgang! Wie? Geraten! —
Und wieder der Pastor: Es ist doch eigen,
Wie die Kinder uns unsere Wandlungen

zeigen.

Zeßt sagen sie: Za, unser alter Lehrer,
Früher ein rechter Hosenkehrer,

Einer vom allerstrammsten Orden,

Wie ist er die letzte Zeit milde

geworden! —

Da sprüht der Alte: Das ist nicht wahr!
Das heißt, Herr Pastor — ich will

nicht streiten.

Aber soviel ist sicher: Die nächsten

zehn Zahr

Werd ich die Kerls ouf Kandare reitein
Lübeck, im April 1911.

Otto Anthes

s ....,,

~ fe W

r:-;. .

: - M

• •''" ja.

- SEP»v

<

E-ch ;vr'.
In» . S" H


E. Knüppelholz

Der starke Mann

Bon Raul Hans Strobl

Als Peter Wessel in seiner Vaterstadt Dront-
heim in Norwegen Ratsherr geworden war, rich-
tete er den Blick auf sein nächstes Ziel; das war,
Bürgermeister zu werden. Dazu aber war es
notwendig, seinen Namen noch mehr in der Leute
Mund zu bringen und auch noch etwas mehr zu
Wohlstand zu konimen, damit man dann umso
gastfreier hausen könnte.

Wohlstand und Ruhm waren aber damals in
kurzenr nirgends leichter zu erlangen als auf dem
Meere. Denn der spanische Erbfolgekrieg hatte
die Staaten Europas so durcheinander geworfen,
daß das Mein und Dein auf der See zum leeren
Schall geworden war und daß ein tüchtiger und
entschlossener Mann sich auf einer einzigen kühnen
Fahrt zu größeren: Reichtum bringen konnte als
in zehn arbeitsreichen Zähren auf dem Lande.

Peter Wessel warb also zwei Dutzend braver
Burschen an, rüstete sein Schiff, die „Anna Ka-
tharina" mit Waffen und Proviant aus und nahm
Abschied von Weib und Kindern.

„Und bring mir auch einen Franzosen mit,"
sagte die stattliche Anna Katharina, nach der
Wessels Schiff geheißen war, „ich möchte mir so
ein zappliges Männlein wohl anschauen."

Peter Wessel versprach es und stach in See.
Auf der Höhe von Ostende nahm er den ersten
französischen Kauffahrer weg. Aber es war ein
armseliger Fang, das Schiff ein alter, wurm-
stichiger Kasten, die Ladung bestand bloß in
Häuten, so daß der Kapitän nur einen Teil davon
wegnahm. Weniger des Gewinnes wegen, als
un: nicht ausgelacht zu werden, daß er nüt leeren
Händen abziehen nmßte. Dann ließ er das Schiff
wieder frei und setzte seine Fahrt weiter fort.

Vor Dieppe aber sichtete ihn eine französische
Korvette und machte sogleich auf ihn Jagd.

„Kapitän", sagte sein erster Steuerniann, nach-
dem sie eine Weile vor dem Winde gesegelt
waren, „ich glaube, das Ding nimnit ein böses
Ende. Die haben mehr Leinwand als wir. Es
sollte nach nicht wundern, wenn sie uns erwischen.
Wie ich an Bord gegangen bin, ist mir eine
schwarze Katze über den Weg gelaufen."

„Geh in die Kajüte und nimm Dir einen
Aquavit," sagte Peter Wessel und stellte sich selbst
ans Steuer.

Aber es half nichts, daß der Kapitän selbst
steuerte, Zohannesen sollte Recht behalten. Nach
einer Weile löste die Korvette einen Schuß und
die Bramstange stürzte krachend auf das Deck.
Da gab auch Petter Wessel aus einer seiner drei
Karthaunen einen Schuß auf den Feind ab. Da-
rauf antwortete das Kriegsschiff aus drei Ge-
schützen, so daß der Fockmast draufging und Abel
Garborg aus Gudvangen die Mütze vom Kopf
gerissen wurde.

Peter Wessel war nicht nur ein kühner, son-
dern auch ein kluger Mann und zog die weiße
Flagge auf. Die Korvette kam heran und legte
sich neben die „Anna Katharina", aus acht Rohren,
an deren Ende die Kanoniere mit brennenden

Lunten standen, hinüberdräuend, tVlonmsur
-Vnnibal d’Estafette ließ sich hinüberrudern
und teilte Peter Wessel im Namen des Königs
nüt, daß er gefangen sei und über ihn und
sein Schiff vom Prisengericht entschieden wer-
den würde.

So kam Peter Wessel in einen dicken,
runden Turm am Meer, dessen Oberstock er
bezog, während seine Leute im Erdgeschoß
untergebracht wurden. Er war über sein Ge-
schick gar nicht verwundert oder erzürnt, denn
als ein kluger Kaufmann hatte er von vorne-
herein auch diesen Ausgang in Rechnung ge-
zogen. Es galt jetzt nur, wieder frei zu wer-
den, der Verlust würde schon später einzu-
bringen sein.

Um nicht eine unziemliche Eile an den
Tag zu legen, ließ er zunächst zwei Wochen
verstreichen. Dann bat er seinen Wächter,
ihn: die Erlaubnis zu erwirken, an seine Frau
schreiben zu dürfen, damit sie inzwischen daran
gehen könne, das Lösegeld zusammen zu bringen,
das ihm das Prisengericht auferlegen würde.

Nicolas, der Turniwächter, war seit kurzer Zeit
verheiratet und sehr glücklich mit seiner jungen
Frau und daher wirkte die Vorstellung einer trau-
ernden Gattin sehr mächtig auf sein biederes Gemüt.

„Du wirst sie Wiedersehen", sagte er tröstend,
„niach Dir nichts daraus. Wenn Du eine Frau
hast und Freunde, so wirst Du bald frei sein."
Dann fiel ihm ein, daß er seit acht Tagen um ein
seliges Geheimnis wußte, und er fragte voll An-
teil: „Hast Du auch Kinder?"

„Oh ja! Zwölf Söhne und sechs Töchter."
Zuerst sah ihn Ricolas ganz erstarrt an, dann
schlug er sich mit beiden Händen auf die Schenkel
und tanzte unter einem brüllenden Gelächter in
der Stube herum. „Du bist ein Spaßvogel", sagte
er endlich, keuchend, nüt halb erstickter Stimme,
„Du bist der lustigste Gefangene, der mir noch je
vorgekommen ist."

„Zch weiß nicht, was es daran so Lächerliches
gibt," antwortete Peter Wessel ernsthaft. „Kinder
sind große Mühe und Sorge."

„Und gar gleich achtzehn . . . Danüt kannst
Du ja ein ganzes Dorf bevölkern . . . wie viel
Söhne sind es doch?"

„Zwölf Söhne und sechs Töchter," antwortete
der Norweger, „und vier sind uns gestorben."

„Höre Du, Kapitän," sagte der Kerkermeister
kopfschüttelnd, „bist Du selbst ein Narr, oder
willst Du Dir aus mir einen Narren niachen?
Das gibt es doch nicht, das läßt die Natur nicht
zu. Zn der ganzen Bretagne — ach was, in
ganz Frankreich gibt es niemanden, der achtzehn
Kinder hätte. Wenn es einer bis zu Bieren
bringt, dann verwundert man sich in der ganzen
Gegend."

„Du brauchst es mir ja nicht zu glauben,
wenn es Dir nicht paßt," sagte Peter Wessel
ärgerlich und wandte sich ab.

Monsieur Nicolas ging. Aber am Abend,
zu einer Zeit, zu der der Wächter sonst nicht zu
kommen pflegte, rasselte es an der Türe, so un-
gewöhnlich lange und mühsam, als versuche jemand
daß Schloß zu öffnen, der nüt dieser Arbeit nicht
recht vertraut war. Endlich ging die Türe auf
und eine junge Frau kam herein. Der Norweger
hatte sie schon einigemale unten im Hof gesehen.
Es war die Frau des Wächters; sie war sehr
rot im Gesicht und blieb verlegen an der Türe
stehen.

Peter Wessel sah sie freundlich an und wartete
schweigend, was sie wohl von ihm wünschen
würde.

Eine rote Abendwolke warf ihren Schimmer
in die Stube, so daß die Röte auf den: Gesicht
der hübschen, jungen Frau noch höher zu steigen
schien. „Verzeihen Sie," sagte sie endlich, „ist es
wahr, daß Sie zwölf Söhne und sechs Töchter
haben? Mein Mann hat mir gesagt ..."

„Er hat Ihnen die Wahrheit gesagt, Madame,"
antwortete Wessel so freundlich, als es die Ver-
wirrung und das reizende Gesicht der jungen Frau
zu verdienen schienen, „es sind achtzehn im Ganzen
— und vier sind uns gestorben."

I
Register
Erich Knüppelholz: Vignette
Karl Hans Strobl: Der starke Mann
Hans Müller: Spruch auf einen Becher
Otto Anthes: Ja, so ein Siebziger -
 
Annotationen