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Am VXil

Dunkle Krokusblüten
Trug sie im Hoar,

Ihre sonnendurchglühten,

Grundlosen Augen sprühten
Wie ein Karfunkelpaar.

Mondschein lief an den glatten
Stromufern mit,

Aus den gespenstischen Schatten
Der Weiden, die Nachtkappen hatten,
Trat König Psamenith.

Sein Goldhut war wie ein Trichter
So spitz und breit,

Wundersame Gesichter,

Planeten und kreisrunde Lichter,
Überdeckten sein Kleid.

Er küßt sich an den Händen
Zu ihrem Mund hinauf —

Und wilde, wirre Legenden
Aus Pharaos Sonnengeländen
Sangen im Winde auf.

Sie sah die gebeugte Ähre
Im Korngefilde blühn,

Die Füße verloren die Schwere
Sie war eine Bajadere,

Und tanzte am Nile hin.

Mondtau blinkte im Kreise

Sie flüsterte: „Sag, wer ich bin . . . ?'

Und Psamenith lächelte leise:

„Du bist die törichte Weise-
Kind-Königin" . . .

Lothar Eisen

Ferdinand Staeger (München)

Einer Schwester -Liebe

Der Bruder hatte weiches, braunes Haar —

Sie fand, daß es aus lichter Seide war!

Sein Auge, freundlich blickend, nannte sie
Den reinen Spiegel aller Harmonie!

Sein einfach Wort, der jungen Stimme Klang —
Ihr waren sie nur Wohllaut und Gesang!

Und sprach er hart, sie fand: er schmeichelte!
Und tat er ihr ein Leid, sie fand: er streichelte!
Und ging er fehl — „'s ist recht!" — so meinte sie —
Und wenn er weinte, ach, dann weinte sie!

Doch wenn ihni eine Tat, ein Werk gelang,
Wenn er den Weg, wenn er die Last bezwang,
Den zähen Stoff zuletzt doch niederrang
Und, ganz befreit, das Lob des Lebens sang:
Aufjauchzte sie in Hellen Freudegluten
Und nannt ihn nur den Lieben, Treuen, Guten!
Was sie ihm war? — Sie war das schöne Licht,
Das in sein Dunkel liebeströmend brannte,

Sie war das Sein, darin er Gott erkannte
Wenn er in Menschenworten spricht.

Max Hayek

Oie Kingöroffel

Seit Wochen schon lebten sie nun in der
wundervollen Bergeinsamkeit des Tiroler Iagd-
hauses zusammen — der Baron, die Baronin
unb der Maler. Tag für Tag aßen sie in der
goldbraunen Zirbenholzswbe an einein Tisch und
verplauderten zusammen die Abende der wenigen
Regentage, die der Sominer brachte.

Im übrigen waren die Parteien einander
lange nicht näher gekoinmen. Das Ehepaar stieg
selten über die Sohle des Hochtales hinauf,
während der junge Maler den ganzen Tag und
bei jedem Wetter iit den Bergen weilte, dort
arbeitete, mit der Büchse hinauszog oder wohl
auch nur die Herrlichkeiten der Bergwelt als ein-
samer und unermüdlicher Bergsteiger genoß. Er
war als Gast dessen hier, dein das Jagdhaus
gehörte, eines reichen schlesischen Kohlenmagnaten,
dein seine Gicht heuer den Aufenthalt in der
schwer erreichbaren Höhe versagt hatte. Kurt
hatte den Auftrag, für dessen Berliner Palais
ein halbes Dutzend großer Jagd- und Landschafts-
bilder nach Anreguiigen aus diesem Revier zu
malen,' und genoß den Aufenthalt dort oben in
vollen Zügen. Wenn er bei Tische von Wundern
erzählte, die er auf solcher Bergfahrt geschaut und
dabei hin und wieder in einen schwärmerischen
Ton geriet, schämte er sich wohl plötzlich der Be-
geisterung seiner dreiundzwanzig Jahre und wurde
rot wie ein junges Mädchen. Der Baron mühte

sich dairn nach Kräften, ein spöttisches Lächeln
hinter dem Weinglase zu verbergen und über
das Gesicht der hübschen Frau glitt ein Abglanz
jenes Errötens — ganz leicht, ganz fein — welcher
Empfindung er Ausdruck gab, hätte keiner sagen
können. Auch sie selber kaum.

Der Baron war ein Verwandter des Haus-
herrn und mit seiner Frau ebenfalls dessen Gast.
Die Nerven seiner, um vieles jüngeren Gattin
sollten sich in der frischen Höhenluft erholen und
er selbst fröhnte hier der gleichen unruhigen und
geschäftigen Nichtstuerei, die ihn überall hin be-
gleitete. Er photographierte, las, schrieb an einer
sehr überflüssigen Geschichte seiner Familie, suchte
stundenlang mit dem Tubus die Felswände nach
Gemsen ab und trieb nebenbei etwas Ornitho-
logie, wie er's nannte. Er schoß auf alle Vögel,
die er sah, nützliche und Schädlinge und schickte
allwöchentlich die Bälge hinunter zu einem alten
Vogelausstopfer im Inntal. Allzuviele waren es
nicht, denn er schoß schlecht, trotzdem er ein ganzes
Arsenal teurer Iagdwaffen mit sich führte. Der
Förster verbiß kaum seinen Grimm über diese
Art kläglichen Weidwerks in einem Revier, das
die schönste Gelegenheit zur Jagd auf Gemsen
und Hochwild bot — aber er hatte den Auftrag,
den Vogeltöter gewähren zu lassen.

Auch des Letzteren Gattin verhehlte ihren
Widerwillen gegen die Schießerei nicht. Sie gab

sich auch sonst nicht viel Mühe, ihren Wider-
willen gegen die vielen Eigentümlichkeiten ihres
Mannes zu verbergen, eines langen, hageren
Menschen, der in allem ein wenig grotesk war,
in Kleidung, Barttracht, Bewegungen — in
seiner Sprechweise und seinen Anschauungen.

Sie mochte Dreißig nicht weit überschritten
haben und er steckte tief in den Fünfzig. Eine
leise, selten verschwindende Ärgerlichkeit lagerte
um ihren vollen Mund und erzählte Jedem, der
zu sehen wußte, von den Unerquicklichkeiten
dieser Ehe. Den Baron schienen sie nicht sehr
empfindlich zu berühren. Er wußte stets seinen
Willen durchzusetzen und das war ihm genug.
Die Zeit langweiliger Zärtlichkeiten war für ihn
vorbei — was er brauchte, war eine abhängige,
gut repräsentierende Frau, und die besaß er
ja. Er hatte _ sie vor acht oder neun Jahren,
als sie noch die sentimentale Liebhaberin einer
kleinen mitteldeutschen Hofbühne war, in recht
ärmlichen Verhältnissen kennen gelernt und sie
kurzentschlossen zu seiner Gattin gemacht, sobald
er einsah, daß sie zur Geliebten nicht zu haben
war. Um ihre Treue sorgte er sich nicht — er
wußte,_ sie fürchtete ihn, seit sie erfahren hatte,
daß er eininal einen Bewerber seiner ersten Frau
in: Duell erschossen.

„Das einzige Stück Großwild, das ich je auf
die Decke gelegt habe," sagte danmls der Vogel-
schießer, als er ihr, seines Zweckes wohl bewußt,
die Geschichte erzählte. Seitdem hatte sie Angst
vor ihm, aber sie fühlte auch von jener Stunde
ab einen quälenden und aufreizenden Drang, ge-
legentlich an ihren Fesseln zu zerren. Er lächelte
dann meist: überschritt sie aber in der Schärfe
ihres Tons die Grenze, die ihm paßte, so hatte
er eine so eigentümliche Art, sie in hartem, singen-
den Ton mit ihrem Pornamen „Thea" zu rufen,
daß sie sich, heiinlich knirschend, wieder ins Joch
fügte. Die dumpfe Sehnsucht nach einer Rache,
die wohl auch zugleich ein verbotenes Glück sein
konnte, schwoll dann um so mächtiger in ihr.
Aber betrogen hatte sie ihn bis jetzt nie.

Da war die Begegnung rnit dem Maler ge-
kommen . . .

Man saß wieder einmal um den Tisch in der
Eßstube, ungemütlicher, als sonst. Der Baron war
wütend, weil ihm ein Exemplar der schönen Ring-
drossel, die vereinzelt dort oben vorkam, trotz eines
wahren Schrothagels aus seiner englischen Repe-
tierflinte entkommen war. Seine Frau sagte ihm
einiges Boshafte und er war besonders empfind-
lich, weil just heute der Maler einen stattlichen
Gainsbock auf weite Entfernung über einen Graben
weg gestreckt hatte. Der Förster wurde nicht
nrüde, den Schuß zu loben. Auf ein Spottwoil
der Gattin hin ließ der Baron wieder gereizt und
verweisend jenes „Thea!" hören, das scharf und
demütigend klang, wie nur je.

Es wurde still in der Stube und an dem
Abend kam kein Gespräch mehr in Gang. Thea,
die stumm und zornblaß dasaß, bis man ausei-
nanderging, gab dann dem Maler die Hand und
sah ihn mit nassen Augen lange, wie bittend an,
Und er, der wie ein stattlicher Mann erschien, im
Grunde doch ein wenig reifer, guter Junge war,
spürte, wie ihm das Blut zu Herzen strömte.

Seit jenem Tag geschah es öfter, daß beim
Borübergehen, oder beim Gutenachtsagen der Blick
Theas nrit dem gleichen seltsamen Ausdruck das
Auge des jungen Hausgenossen traf, wenn sie
sich ohne Zeugen begegneten. War's eine Klage?
Eine Frage? Eine Verheißung? Verwirrung für
ihn war es auf jeden Fall und wenn Kurt noch
so todmüde war von einem Pirschgang oder einer
Kletterpartie — grüßte ihn ein solcher Blick am
Abend, so gab es eine schlaflose Nacht. Er hatte
nie in seinem Leben eines Andern Weib begehrt
und der Gedanke erschien ihni schlechthin furcht-
bar, so sehr es in ihni fieberte und gährte.

Ein wirkliches Alleinsein mit der Baronin
mied er trotz aller Sehnsucht — ja er brachte es
fertig, vier oder fünf Tage überhaupt alles Zu-
sammensein zu vermeiden. Als er dann eines
Abends zurückkam, fügte es sich, daß ihm die

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Register
Lothar Eisen: Am Nil
Ferdinand Staeger: Am Bache
Max Hayek: Einer Schwester Liebe
Fritz Frh. v. Ostini: Die Ringdrossel
 
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