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Das üied

3n der Buchenftfiaffen weiches Dämmern
Zft ein Weiher heimlich eingefckloffen.

Soldne Uropfen find durchs Srün vergoffen»
Aus dem üannichf fchullt des Spechtes Hämmern.

Kommt ein blondes Kind zum Schilfgeffade.
Wie ein üraum von tiefffen 6infamkeifen
Bullt der Kuckuckruf aus grünen Weifen;

Und das ITlädchen rüftet [ich zum Bade.

ßorcfi, da zieht ein Wanderburfch die StraHe,
Die im Ualgrund ihre Bogen schlingt,

Singt ein liied, das hell vom sieben klingt,
Und das Ulädchen lauTcfif im Ufergrafe.

Von der ffillen Sommerluft getragen
3rrf am Weiher hin das fremde liied;

Bis der üag auf ferne Bähen flieht,

Wo die Abendglocken um ihn klagen.

Franz hangheinrich

Der Tambour

Mein Freund ist kein Schwärmer. Er
boxt. Als wir noch gemeinsam zum Examen
paukten, hatten wir unsere Zeit organisiert:
je eine Stunde Arbeit, je zehn Minuten Er-
holungsboxen, beides in dreimaligem Wechsel.

Einnral wurde nrein Freund nachdenklich
und meinte: „Glaubst Du auch, daß man
mit Körperkraft-gestraft sein kann?"

„Nanu!" sagte ich, „Dich sticht wohl
der Hafer?"

„Hör zu," begann er ohne Umstände,
„Du weißt, wir stammen aus dem Thürin-
gischen und nach Lena und Auerstädt hielt
Napoleon das ganze Land besetzt. Einer
von uns wohnte damals bei Lobeda, eine
Stunde unterhalb Jena. Er hieß Peter
Munck, war früher als sehr stark bekannt
und dann Schneider geworden; man er-
zählte sich, zuvor habe er einem Müller,
der ihn betrog, nüchternerweise drei Rippen
zerdrückt. Jedenfalls war er Schneider ge-
worden und feine zarte Frau war ihm früh
gestorben; aber eine Tochter, die ganz ihrem
Vater glich, hatte er Johanna taufen lassen.
Er rief sie mit dem Jungennamen: Hans.
Zwischen den beiden bestand ein seltsames
Verhältnis. Der alternde Mann, der ganz
für sich lebte und, wie man behauptete, in
studierten Büchern las, hatte in seinem
Kinde einen Kameraden gefunden, mit dem
er alles teilte. Wenn sie, was selten ge-
schah, Arm in Arm ausgingen, dann war
er auf sein schönes Mädchen so stolz, wie
ein Bräutigam auf seine Braut. Vielleicht
glich es einer — Vorsicht, wenn er sie
Hans nannte.

Der Krieg begann. Doch Peter Munck
lebte noch stiller wie bisher.

Max Moser

In Jena lag ein stärkeres Detachement:
ihm war auch jener Tambour attachiert, von
dem Du hören sollst. Dieser Kerl muß mit
einer besonders gut geratenen Revolver-
schnauze begabt gewesen sein. Denn gleich
am dritten Tage, als die Besatzung ein Ge-
lage abhielt, forderte er „jeden deutschen
Bären" zu einem Zweikampf heraus, um
ihm einen Ring durch die Rase zu ziehen.

Du magst dabei an die Erbitterung im
Lande denken, wenn trotz der Gefahr einige
junge Leute sich meldeten, darunter auch
zwei Studenten. Aber jedesmal warf sie
der schlanke Tambour auf die Planken des
Tanzsaals im „Löwen", daß es krachte, und
verprügelte sie dann. Er tat dies alles mit
einer fast liebenswürdigen Geschmeidigkeit
und Grazie. Dem einen Jenenser Studenten
zerbrach er den Arm, obwohl er es hätte
vermeiden können; doch sah es so aus, als
erweise er ihm damit eine Höflichkeit.

Die Mädels waren rein vernarrt in ihn.

Auch Hanna Munck hatte mit ihrem
Vater einem dieser schon berühmt gewor-
denen Kämpfe zugeschaut.

Es läßt sich schwer feststellen, weshalb
der alte Munck seine Tochter auf einmal so
streng im Hause zurückhielt, und ob die
Leute mit ihrem Gerede recht hatten.

Jedenfalls muß Peter Munck dem fran-
zösischen Tambour bekannt gegeben haben,
er wolle dann und dann etwas mit ihm ver-
handeln. Denn schon am nächsten Tage
trafen sich die beiden wie auf eine Ver-
abredung auf dem „Marktplan".

Was dann geschah, lief eigentlich ganz
wie von selber ab, mit einer gewissen Pünkt-
lichkeit und Logik. Ein weiter Ring war
schnell gebildet: der Alte wartete noch am
Rande, als der Tambour sein kurzes Jackett
mit leichtem Schwung einem befreundeten
Chasseur zuwarf: er stand hoch und sehnig
gewachsen und prüfte mit schnellem Blick
seine Kameraden, die Bürger, den Mann.
Roch ein eiliges Aufstreifen des feinblauen
Hemdes, aus dem ein brauner Arm wie von
Bronze sich löste, er klatschte in die Hände:
,En avant‘, und sprang in die Mitte des
Ringes. Auf seiner gelbseidenen Weste
schwang ein Emblem auf und nieder, welches
in Silber eine Adlerklaue darstellte — —
,En avant!‘

Peter Munck war unmerklich vorgetreten
und ging ohne Eile auf die Mitte zu. Er-
trug seine gewöhnliche dunkle Wolljacke.
Sein gesamnreltes, ernstes Gesicht war heute

verschlossen und wie Stein. Erst drei Schritt
vor dem Tambour hob er seinen Blick und
blieb stehen. Auch seine Arme hatte er lang-
sam erhoben. Wie eine Aufforderung.

Dem Tambour war keine Bewegung ent-
gairgen: auch die kleinste griff er mit ge-
spanntem Auge auf, er maß sie, wog sie,
man sah, daß er sogar grübelte. Die Blöße^
die sich der Alte da gab, war auch zu un-
wahrscheinlich. Munck staird noch immer mit
erhobenen Armen und der herausfordernden,
freigegebenen Brust. Die Zunächststehenden
wollen in seinen gemeißelten Zügen beinahe
ein stummes Lächeln bemerkt haben.

Endlich griff der Tambour zu und gleich
mit ganzer Wildheit. Er hob den stämmigen
Mann, schwang ihn, kippte ihn, drehte ihn
ab in aller Form des geschulten Favoriten.
Umsonst. Er ward erregt, unbesonnen, zu
heftig, die Adlerklaue blitzte nur so in der
zitternden Lust: aber es gelang ihm nicht,
Peter Munck zu Boden zu bringen. Der
hielt noch immer wie untätig seine Arme
erhoben.

Der sehnige Körper des Tambours bebte
vor Erregung und Überspannung; er wollte
Atem holen, zu einer Pause erstaunt frei-
geben, da senkten sich bedächtig die Arme
des Alten. Und man konnte seinen Körper
durch die schwere Jacke hindurchsehen, bei
dieser einzigen Bewegung. Fast regungs-
los wuchsen die beiden Gegner ineinander:
sollen sich ganz nah mit ihren Köpfen be-
gegnet sein, mit unheimlichen Augen ge-
messen und danir ein paar Worte mitein-
ander geflüstert haben. Verstanden hat es
niemand. Rur, daß noch zweimal hinter-
einander ein kurzes Knacken kam, der
Tambour schloß wie im Schmerz die Augen
und ließ den Kopf hintenüberfallen, ein seiner-
roter Faden rieselte aus seinen Mundwinkeln
über die gelbe Weste, die Adlerklaue-

Eine Rippe hatte sein Herz durchbohrt.

Drei Tage später ist Peter Munck er-
schossen worden.

Übrigens entsinne ich mich nicht, daß mein
Freund und ich wieder einmal geboxt hätten.
Er liebte sein Cello, und darauf spielte er
mir in den Pausen vor.

Fr. Wolf

Stirb nicht

Und daß du weiht, wie lieb ich dich hob,

So bleib dem lieben und gib mir dein Srab
Und bette mich ein.

Aus deinem fierzen nimm den Schrein,

Zn dem du mich frugff, und lenk mich hinab,

Und Knaben fingen. Und Slocken klingen.
Und der Weihrauch ffeigf.

Mein ßerz will noch einen Schlag erzwingen —

Du half dich über mein Srab geneigt.

ßeorg Queri

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Register
Friedrich Wolf: Der Tambour
Georg Queri: Stirb nicht!
Max Moser: Vignette
Franz Langheinrich: Das Lied
 
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