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Täter dann in Frage außer ihm? Toll-
kühn war es, das Schicksal auf solche
Weise zu versuchen- lind doch trieb
es ihn dazu, und noch ein anderes
Gefühl trieb ihn- Man sagt, daß es
Verbrecher magisch zu dem Ort der Tat
zurückzieht; — ein schwaches Teilchen
solches Zwangs war auch in Walther-
Verrückt und toll! dachte er, — aber
ich kann nicht anders.

Eines Morgens machte er sich wirk-
lich auf den Weg- Unter Herzklopfen
läutete er an der Hofwohnung und trat
dann einige Schritte zurück- Der Ka-
stellan erschien, Walther beobachtete ihn
scharf und dachte: das müßte ein geni-
aler Schauspieler sein, der beim aller-
ersten Anschauen ohne irgend welche
gezeigte Überraschung eine solche Harm-
losigkeit des Gesichts zu stände brächte!
So trat er näher, hielt ein mitgebrachtes
großes Skizzenbuch empor, mit einem
abwartenden kleinen Lächeln in den
Zügen, das gleich darauf herzlich breit
und sorglos wurde, als ihm der Mann
ohne jedes Zögern den Schlüssel aber-
mals einhändigte.

Dann stand er wieder in dem chine-
sischen Zimmer: sein schneller Blick suchte
und fand sofort die Stelle, wo das Bild
herausgeschnitten war. Schweigend und
viereckig sah ein Stück Mauerwerk durch.
Er holte seinen Stuhl und zog das
Taschenmesser.

Und wenn er sich nun doch hatte
täuschen lassen? Wenn der Mann jetzt
rasch einen Polizisten holte und ihn hier
im Hause arretieren ließ? Sein Herz
klopfte schneller und für einen Moment
trieb es ihn lebhaft, alles im Stich zu
lassen und möglichst schnell zu flüchten.
3m nächsten schalt er sich töricht und
feige. Er setzte das Meffer an und schnitt.

Es war eine feingemalte Landschaft,
durch die sich ein zarter, seidengrauer
Bach schlängelte. Uber ihn hin spannte
sich ein Bambusbrückchen, darauf stan-
den zwei Knaben, von deren halbabge-
wendeten Gesichtern nur die feinen
Wangenflächen sichtbar waren.

Da stockte Walther mitten in der
Arbeit. Er hörte die Tür des an-
grenzenden Saales gehen, Männer-
tritte näherten sich schnell.

Ein Todesschreck durchfuhr ihn, er
ließ das Tapetenblatt fahren, langsam
neigte es sich vornüber; beim ersten An-
blick hätte es ihn verraten müssen.
Hastig tat er den letzten Schnitt, sprang
leise vom Stuhl herab, entfernte ihn
ein wenig von der Wand, rollte das
Blatt zusammen und wollte es unter
dem Mantel verbergen, aber da war
es schon zu spät.

Die Tür hat sich geöffnet, der Ka-
stellan und zwei fremde Männer traten
ein. — „Da ist er!" sagte der Kastel-
lan und deutete auf Walther.

Ihm wurde übel, es war, als be-
finde er sich in einem schrecklichenTraum.

„Ich muß Sie bitten, sich zu legiti-
mieren!" sprach jetzt der eine der beiden
Männer, und die Woge, die Walther
alles Blut zum Herzen trieb, flutete noch
jäher, als er trocken und geschäfts-
mäßig hinzusetzte: „Sie stehen unter
dem dringenden Verdacht des Dieb-
stahls I"



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Ofi

1-

t-VJas einer liebt, das steht für ihn vor sott.

Ob er in Nacht ging, ob er auch gekränkt
Die Snad' in aller weit und ungerührt
Sein Herr blieb von der Lieblichkeit der trde —
einst, in der Zeiten fülle wird er steh'n und staunen,
weiß wird fein stäupt fein und voll 6lanz fein flngel.

(Zeichnung von F- Staeger) lUiltjl’ltU llllttjt’l

Letzte Worte

Du liebfte Frau, Du kühle, ernste, herbe,

Wie roird Dein Leben kranken, wenn ich sterbe.
So tief haft Du Dich in mein Sein verirrt,

Daß es roie eine ßeffel um Dich klirrt.

Du andere, Du fuße, wirst verderben
Im Sturm der Lüfte, die Dich jäh umwerben . .
Du ahntest, was mein Wefen geben kann,

Auch Du, Begehrte, lagst in meinem Bann.

Ein Mädchen noch wird zu dem Grabe gehen,
Laßt zroifchen Euch die Allerärmfte stehen -
Sie gab steh ganz — die mich doch nie gekannt,
Sie liebte mich — und war mir nur ein Tand . . .

Otto Albert 5chneider

5tolz

Daß uns die Stürme peitschen
Und die Wellen schlagen
Und die Nebel ersticken
Und das Licht unsere Geißel ist.

Sollen sie nicht wissen.

Aber daß uns die Abendröte segnet
Und die Ströme heilige Weifen rauschen.
Daß uns die Sterne Erfüllung winken,

Daß alle Morgen neuen Sieg einläuten —
Wollen wir ihnen trotzig bekennen.

Eroald Sitaefter

Walther stand betäubt, dann ritz er
sich gewaltsam aus diesem Zustand;
alles war verloren, das sah er; so
wollte er sich wenigstens mit Anstand
dem Gesetze überliefern.

„Sie bitten mich um meine Le-
gitimation," sagte er, und es gelang
ihm seiner Stimme Gelassenheit zu ge-
ben, „ich muß Sie bitten, sich zunächst
selber zu legitimieren."

Der Mann lächelte nachsichtig und
wies seine Kriminalbeamtenmünze vor.

„Und auf wessen Veranlassung möch-
ten Sie mich nun verhaften?" fragte
Walter wieder.

„Das wissen Sie wohl selbst am
besten! Der Mann hier hat Sie vor-
hin wiedererkannt, wie Sie in's Haus
gingen!" Triumphierend wies er auf
jenen Dritten, der bis jetzt geschwiegen
hatte.

Wie ein Ruck ging die Überraschung
durch Walthers Seele. „Der??" fragte
er, vollkommen verblüfft, verwirrt, ver-
ständnislos; „den Mann habe ich nie
gesehn, ich kenne ihn überhaupt nicht!"

„Erkennen Sie mich wirklich nicht?"
Der Fremde trat etwas vor und sah ihn
durchbohrend an. Walther starrte auf
dies unbekannte Gesicht. Run war es
wieder ganz wie in einem Traum: die
handelnden Personen vertauschten ihre
Rollen, drohende, unbekannte Augen
wollten etwas von ihm.

„Herr Kastellan," sagte er nach einer
Pause, „ich bitte Sie, diese Sache auf-
zuklären."

„Der Herr Kastellan hat hier über-
haupt nicht mitzureden!" nahm der
Kriminalbeamte wieder das Wort, —
„Sie wissen ganz genau, worum sich's
handelt. Aber, um es deutlich auszu-
sprechen: Sie stehn unter dem dringen-
den Verdacht, am Sonntag vor drei
Wochen bei Ihrem Besuch im vater-
ländischen Museum eine große Vitrine
erbrochen und goldne Münzen und
Medaillen im Werte bis zu vierzig-
tausend Mark mitgenommen zu haben.
Am Montag darauf war ja gar nichts
mehr da von den Sachen! Wochen-
lang ist der Aufseher hier in der Stadt
herumgelaufen um Sie wiederzufinden,
bis ihm heute das enblid) gelungen ist.
Und nun ersuche ich Sie nochmals um
Ihre Papiere!"

Staunend hatte Walther zugehört,
mit einem wachsenden Gefühle der Be-
freiung. Diese ganze Verhaftung —
das sah er mit Deutlichkeit — mußte
sich in eine lächerliche Schildbürgerbla-
mage auflösen; von dem, was wirk-
lich geschehen war und wofür er selbst
gefürchtet, hatte keiner dieser drei Men-
schen eine Ahnung. Am liebsten hätte
er laut und frei herausgelacht, aber
mit neuem Schrecken dachte er: Sind
denn nicht oben in der Wand, vor ihrer
Rase, diese beiden Löcher? Halte ich
nicht noch immer, vor ihren Augen,
das entwendete Bild in meiner Hand?
Möglichst schnell mit ihnen diesen Raum
verlassen, — und alles konnte noch
gerettet werden.

„Sie sind auf einer falschen Fährte!"
sprach er jetzt, überreichte sein Militär-
papier und fuhr fort: „Mein Familien-
name dürfte Ihnen bekannt sein; ich
wohne bei meinem Onkel, dem Minister

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Register
Wilhelm Michel: Spruch
Otto Albert Schneider: Letzte Worte
Ewald Silvester: Stolz
Ferdinand Staeger: Titelzeichnung zum Text "Spruch"
 
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