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„Nur einen Augenblick, mein liebes Rind I

Ich will berichten noch geschwind

A» unsere liebe Staatszeitung in Bayern,

was die Liberalen hiev am Ovt für Orgien feiern!“

Lob und Tadel der Wissenschaft

Der in Berlin verurteilte Hoteldieb LewY erklärte
vor Gericht, er habe die Anregung zu seinem ersprieß-
lichen Wirken aus einem Artikel empfangen, in dem
ein Züricher Gelehrter ausführte: „Für einen ge-
wandten Dieb sei es ei» Kinderspiel, in Hotels nam-
hafte Werte zu stehlen/'

Die Kraft der Wissenschaft zu preisen
Ist niemals nicht so hell gelungen,

Als durch das Wort des schweren Jungen
Aus dunklen Kreisen.

Mit schlicht ergebner Seele hing er
An des Gelehrten kluger Rede ...

Nicht, daß er deutelte — er drehte
Gleich kräftige Dinger!

richt der historische Sinn besonders geweckt wird,
muh die Feier der Jubiläen beginnen; Schüler
müssen ihre künftigen fünfzigjährigen Jubiläen als
Professoren, Offiziere, Generalintendanten u. s. w.
feiern. An einem solchen prünumernnäo-Jubi-
läum gratuliert der Direktor und das Lehrerkol-
legium dem pränumernnäo-Fubilar in einem
Festakt: selbstverständlich füllt an allen solchen
Fubeltagen der Unterricht aus.

Aus diesen pränumeranäo-Fubiläen
werden sich allmählich die Enibryonal-Jubi-
läen entwickeln, die vor der Geburt des Ju-
bilars gefeiert werden. Und wie nett wird cs
sein, wenn das zehnjährige Licschcir mit seinen
Freunden und Freundinnen das fünfzigjährige
Generalintendantenjubiläum des Sohnes feiern
wird, den sie in einer etwaigen künftigen Ehe
gebären wird. Khedlve

Schuld und Unschuld

Fm Elsaß wirkte ein orthodoxer Zentrums-
niann als Lehrer, der sich sittliche Verfehlungen
gegen seine Schülerinnen zu Schulden kommen
ließ. Als eine Lehrerin dies den: Pfarrer an-
zeigte, erwiderte dieser: „Wenn der Lehrer weg-
kommt, so wird vielleicht ein Liberaler daher ge-
setzt und was habe ich dann?" Als sodann der
Pfarrer gegen einen Bruder dieser Lehrerin, der
ihr beigestanden hatte, wegen Beleidigung Straf
antrag stellte, sprach das Schöffengericht Rappolts-
weiler de» Angeklagten frei.

Als wir nach den Gründen dieser Freisprechung
forschten, wurde uns eröffnet, sie sei deshalb er-
folgt, weil der Angeklagte unschuldig war. Ist
dies ein Grund? Hat das Gericht nicht erwogen,
daß der Angeklagte ein Liberaler war? Bei
einem Liberalen ist seine Unschuld ebensowenig
ein Grund zur Freisprechung, wie bei einem
Zentrumsmann die Schuld ein Grund zur Ver-
urteilung ist. Aber freilich, wie weltfremd sind
unsere Gerichte! Sie wissen natürlich nicht, daß
im Himmel über hundert schuldige Zentrums-
leute mehr Freude ist als über einen unschul-
digen Liberalen. Frido

»

Liebe Jugend!

Der Bankier Löwenstern ist Kommerzienrat
geworden, und in einer Museviertelstunde sucht
er Rang und Hoheit dieser seiner neuen Würde
seinem sechsjährigen Söhnchen Moritz begreiflich
zu machen.

Aber Moritzchen begreift sehr schlecht.

„Kommerzienrat ist sogar noch mehr als Schutz-
mann?" fragt er seinen Vater.

„Viel mehr, Moritzchen!"

„Roch mehr als Rabbiner?"

„Aber viel, viel mehr, Moritzche, bedenke doch,
daß nicht mal der liebe Gott Komnierzienrat ist."

Mit faustisch aufgeregtem Drange
Stieg Lewy mitten ins Exakte,
Wobei er teils per Dietrich knackte,
Teils mit der Zange.

Doch plötzlich hört man ihn verdrösset!
Und anderweit gefesselt klagen:

Die Wissenschaft hat sozusagen
Hier fehlgeschlossen!

Eft* Kg*

*

Iubiläenreichrum

Der Graf Hülsen hat mit einem
festlichen Akt sein zehnjähriges Jubi-
läum als Generalintendant der König-
lidjcii Schauspiele gefeiert.

Es ist ein großer Fortschritt in der
Kultur der Menschheit, daß die Groß-
vätersitte, nur alle fünfzig Fahre ein
Fubiläum zu feiern, einer modernen
Auffassung Platz gemacht hat. Die Sta-
tistik lehrt, daß die Wahrscheinlichkeit,
ein zehnjähriges Jubiläum zu erleben,
größer ist als bei einem fünfzigjährigen
Fubiläum. Und Jubiläen, die man
nicht erlebt, haben ihren Beruf zum
größeren Teil verfehlt. Darum empfiehlt
es sich, auf dem Fubilicrungswege noch
einen Schritt weiter zu gehe» und die
Jubiläen pränumerando zu feiern.
Auf der Schule, wo durch den Unter-

Wilcbkrieg R-Rosl

„Tust jeyter d' Milli nimm« wassern, Bäuerin?" — „Was glaubst
denn?I Jeyter inüass'n ma's selber saufal"

Teufelskünste

In Mecklenburg ist noch heute der
mit dem Allergnädigsten Privilegio des
Herrn Großhcrzogs vom 16. November
1717 gedruckte Katechismus im Ge-
brauch, der jetzt endlich abgeändert
werden soll. In ihm findet sich fol-
gende Frage: „Sind das Teufels- oder
Zaubereikünste, wenn man da» Sieb-
laufen, Stillen, Böten, Kristallsehen,
Feuerbesprechen, Festmachen und der-
gleichen gebraucht?" Die Antwort
lautet: „O ja!"

In dem neuen Katechismus soll
auch diese unmoderne Frage reformiert
werden. Sie soll jetzt lauten: „Sind
es Teufels- oder Zaubereikünste, so
man die Vorrechte derer landtagsfähigen
Grafen, Freiherrn und Ritter wohl kon-
servieret und schützet?" Die Antwort
soll lauten: „O, nein sondern dieses ist
ein gutes, Gott wohlgefälliges Werk."

— lind weiter: „Sind das Teufels-
oder Zaubereikünste, so man die Frohn-
dienste, das Steuerzahlen, den Gehor-
sam und das Maulhalten der Bürger
und Bauern und dergleichen abschafft?"

— „2 ja!" Kliedlve

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Eff Ess: Lob und Tadel der Wissenschaft
Khedive: Teufelskünste
Erich Wilke: Ein Faschingsscherz des Pfarres Scheuer
Frido: Schuld und Unschuld
Khedive: Jubiläenreichtum
Richard Rost: Milchkrieg
 
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