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jüngere Generation .. . .! Und diese Person, die
er bei sich hatte!"

„Person ist das richtige Wort!" mischte sich
Frau Mühlenberg, Schöneberg ein. Sie war nicht
sonderlich beliebt bei den übrigen Güsten, weil sie
fünf Kinder bei sich hatte, von denen jede Nacht
mindestens eines schrie. Manchmal schrieen sie
auch guintettweise. Sieben weitere Kinder hatte
sie zu Hause gelassen. „Es war wirklich direkt
eine Person! Gertrud, stocher' nicht mit der Gabel
in den Zähnen!"

„Haben Sie bemerkt — ?" fuhr der Kanzlei-
rat auf, indem er auf den Ehering an seiner
rechten Hand deutete.

„Allerdings!" hauchte Fräulein Strohmeier
aus Hannover. „Ich dachte, wir wären hier in
einem anß-tändigen Hotel! Unter diesen Umß-
tänden freilich . . . ." Und sie rutschte sehr nervös
auf ihrem Sß-tuhl hin und her.

Herr Mühlenberg, der Vater von zwölf Kin-
dern, bemerkte einiges über die Reinhaltung des
deutschen Familienlebens. „Und Möpsin hat er
sie genannt! Haha, Selbsterkenntnis ist der erste
— Otto, Du sollst Dir die Nase nicht in die Ser-
viette putzen! Das nächste Mal bekommst Du
eine Ohrfeige!"

. „Und guten Tag hat er auch nicht gesagt!"
wiederholte Fräulein Sausewein weinerlich.

„Ich werde mit dem Wirt sprechen!" erklärte
der dicke Herr Kanzleirat energisch. „Wir werden
schon sehen!"

„Ja, tun Sie das! Keine S-tunde bleibe ich
länger unter einem Dach mit diesen — ich will
das Wort nicht aus-sprechen!"

Der Kanzleirat sprach mit dem Wirt.

Und der Wirt sprach mit Fritz und Thekla.
Er fand sie im Garten auf einer Bank, so dicht
nebeneinander sitzend, wie es nur unverheiratete
Leute tun.

„Wissen Sie, Herr Weidemann," sagte er,
„mir ist es ja ganz egal! Was geht's mich
an? Aber die Gäste sind nun mal so! Ich kann
sie nicht ändern, Gott sei's geklagt!"

„Dromedare sind sie! Nashörner! Hans-
wursten! Teppen! Affenpinscher!"

„Regen Sie sich nicht auf! Tun Sie mir
wenigstens den Gefallen und tragen Sie Ringe!
Drunten am Marktplatz kriegen Sie welche zu
kaufen! Was liegt denn an den Ringen? Sehen
Sie, ich bin ein Geschäftsmann, ich muß auf
mein Geschäft sehen — deswegen brauchen Sie
nicht zu weinen, Fräulein! Die Menschen sind
halt so!"

„Das sind überhaupt keine Menschen! Das
sind Rhinozerosse!"

„Ja, ja, nur nicht so wild, Herr Weidemann!
Also kaufen Sie sich halt die Ringe, damit ich
den Leuten sagen kann, Sie wären verheiratet!
Er tut ja nicht weh, so ein Ring: ich trag' meinen
schon siebzehn Jahre!"

Als Thekla sich ausgeweint hatte, fing Fritz
an, hinter den Humor der Angelegenheit zu
kommen. Und gegen Abend, nach einer über-
mütigen Kahnfahrt auf dem Gardasee, gingen
sie wirklich nach dem Marktplatz und kauften sich
zwei inschriftlose goldene Ringe.

* * *

„Hm! Hm!" räusperte sich der Kanzleirat,
als das Pärchen beim Abendessen erschien und sich
wieder abseits an das Nebentischchen setzte. Aber
es war kein kriegerisch herausforderndes Räuspern
mehr, sondern ein „hm, hm" wohlgefälliger Be-
friedigung.

„In der Tat!" lispelte Fräulein Sausewein
„Der Wirt hat Recht. Sie sind verehelicht! Und
guten Abend hat er auch mit dem Kopf genickt!"
Und sie sah mit dem Lorgnon wohlwollend nach
dem Seitentisch und fand auf einmal, daß die
junge Frau in der Waschbluse doch eigentlich
sehr hübsch aussähe.

„Gott, wie verliebt die Leutchen sind!" be-
merkte Frau Mühlenberg. „Ach ja, die süße Zeit
der Flitterwochen! Brünhilde, bohr' nicht in der
Nase!"

Herr Mühlenberg aber erhob sich, trat unter
allgemeinem beifälligen Nicken zu Fritz: „Nehmen
Sie doch bei uns Platz mit Ihrer Frau Gemahlin!
Weshalb wollen Sie so einsam sein?"

„Fritz Weidemann, meine Frau!" stellte sich
Fritz vor.

„Nicht wahr: Möpsin nennen Sie sie mit
Kosenamen? Wie zuckrig! Wie allerliebst!"

„Es gab mir gleich einen süßen Ss-tich ins
Herz, wie ich es hörte!" zirpte Fräulein Stroh-
meier aus Hannover. „Sie sind gewiß noch nicht
lange Zeit im holden Eheß-tande?"

„Blödsinniges Gansgetier!" dachte Fritz. Laut
aber sagte er: „Wir sind auf der Hochzeitsreise!"

Fräulein Sausewein errötete, als hätte jemand
etwas Unanständiges gesagt.

„Wir sind in München getraut!" sagte Thekla.

„Ach, da sind Sie gewiß Kunstmaler!" seufzte
der Kanzleirat. „Wie interessant! Nein, wie hoch-
interessant! Ich habe einen Neffen, der malt
auch. Blumen und solche Sachen. Theodor Kul-
butsch, wenn Sie den Namen schon gehört haben!"

Und jetzt sprachen sie über Malerei. Sie
schwärmten plötzlich sehr für die Kunst und hul-
digten gar weitherzigen Ansichten. Den Künstlern
sei alles erlaubt. Es gäbe freilich rückständige
Menschen, welche ..., aber die machten sich nur
selbst lächerlich. Und es wäre wirklich ein gar
zu entzückendes Zusammentreffen! Und was er
für ein allerliebstes Frauchen hätte! Ach, er müsse
doch sehr, sehr glücklich sein! Und nicht wahr,
Klavier könne er doch sicher auch spielen? Und
ein Autogramm müsse er unbedingt geben. Und
sie solle nur einmal den Reisauflauf auf diese
Art machen, noch alle Freundinnen seien ihr für
das Rezept dankbar gewesen! Und ob das wahr
wäre, daß Böcklins Frau ihrem lieben Mann
nie geß-tattet hätte, ein Modell zu nehmen?
Nein, so eine reizende Tischgesellschaft, das hätten
wir uns nie träume» lassen! Und wenn sie ein-
mal nach Bückeburg kämen, sollten sie doch ja
nicht versäumen — „Waldemar, man ißt nicht
mit den Pfoten!"

* * *

„Herr Wirt," sagte Fritz, als er drei Tage
später mit Thekla abreiste, „hier schenke ich Ihnen
zwei Eheringe. Beinahe echtes Gold. Ich ver-
mache sie Ihnen unter der Bedingung, daß Sie
sie durchreisenden Liebespärchen gratis leihweise
zur Verfügung stellen und ich taufe hiermit diese
Schenkung auf den Namen ,Fritz und Thekla
Mops - Stiftung*!"

So sprechend schritten sie durch das Hotel-
portal.

Thekla trug einen Blumenstrauß in der Hand,
den ihr die fünf Mühlenbergskinder im Auftrag
der Eltern hatten pflücken müssen.

Kanzleirats winkten von ihrem Zimmer aus
mit dem Taschentuch herzliche Abschiedsgrüße.

Fräulein Sausewein stilisierte die neue Be-
kanntschaft in ihr Tagebuch.

Und der Zimmerkellner machte vor den Schei-
denden eine tiefe, tiefe Verbeugung.
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