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H&KM je 15/

Die Munderheilung in München

Trostepistel an den Herrn Stadtpfarrer in Isny
von A. De Nora

Mein herzlichstes Beileid, lieber Herr Pfarr!
Nein, so ein Pech! Solch ein Prachtexemplar
Von einem Lourdeswundermann zu besitzen —
Und dann selber dasteh'n und Blut zu schwitzen!
Das ist schon bitter! Gott ja, der Mann
Tat, was er kann:

Hieß Müller, war im Glauben so stark
Als schwach in Reichsmark und Rückenmark,
Hatte etwas Schwindel, viel Hysterie,

Zwei schöne Stöcke, noch mehr Phantasie,

Und ließ sich so gut gegen diesen elenden
Lourdes-Antidoktor in München verwenden!

Das war' doch Sünd' gewesen und schad',

Hätte den man nicht vorgeführt in Parad'!

Ja, lieber Herr Pfarrer, so geht es eben!

Man kann schon seine blau'n Wunder erleben,
Aber nicht in Lourdes, sondern in der Au!

Und „Schwindelheilungen" gibt 's da, genau
So schöne und außerordentlich schnelle
Als jemals an der „heiligen Quelle".
„Hineingetunkt" wurden ja allerdings Sie!

Aber es wirkt doch wunderbar kühlend, wie?
Und es hat Sie doch sicher riesig ergriffen,

Wie Ihr Freund Müller plötzlich gekniffen
Und alle „Krücken" geworfen hin,

Als ihm die heilige — Justitia erschien!

Ja, ganz entschieden, es giebt noch Wunder!!
Drum geh'n Sie ruhig nach Haus jetzunder,
Herr Pfarr, und trinken Sie Lourdesgewüffer!
Vielleicht wird wenigstens Ihnen dann besser!
Adiöh! Sagen S' einen schön'n Gruß und Knix
Daheim in Isny: Diesmal war 's nix!

Zwang

Auf der Versammlung der Ortsgruppe Danzig
der deutschen Mittelstandsvereinigung behauptete
ein Redner, der Fürst Bülow habe den Vermerk,
in dem der König von Preußen eine Reforni des
Landtagswahlrechts forderte, ohne dessen Wissen
in die Thronrede hineingeschmuggelt.

So keck war Bülow denn doch nicht. Aber
es ist richtig, daß die Stelle der Thronrede nicht
dem freien Willen des Monarchen entsprach.
Bülow versuchte nämlich zuerst, ihn zur Aufnahme
der Stelle durch Überredung zu bewegen, aber
vergeblich. Dann drohte er für den Fall der
Nichtaufnahme, daß er seine Demission geben
werde. „Nun, wen» schon?" erwiderte kühl der
König. Dann zog Bülow einen geladenen Re-
volver heraus, setzte die Mündung dem König
auf die Brust und drohte zu schießen, wenn sein
Vorschlag nicht angenommen würde. „Ein Hohen-
zoller fürchtet sich vor keiner Kugel," antwortete
lächelnd der Monarch und blieb fest. Da griff
der sknipellose Bülow zum letzten verzweifelten
Mittel und sagte: „Gut, lassen wir die Stelle
weg!" Bekanntlich will nun aber Wilhelm II.
manchmal anders als sein Kanzler will. Er er-
widerte deshalb: „Nein, die Stelle konimt hinein
und damit basta! Ich heiße Wilhelm!"

Und so hatte Bülow sein Ziel erreicht.

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6 au n erfrech beit A- schmidhammer

„was, erst betteln Sie im Ort als Rrüppcl und jetzt trcff' ich Sic als völlig gesunden
Menschen?!" — „Aber, Hochwürden, ich Hab' ja Lourdeswasser getrunken!"

Berichtigung

Der englische Parlamentsuntersekretär Acland
äußerte sich im Unterhause zur Balkanfrage: „Man
kann die amtlichen montenegrinischen Stellen nicht
weniger in ihrem eigenen Interesse, als in dem
Europas sehr beglückwünschen, daß sie, wenn ich
dieses Bild gebrauchen darf, von dem Baume
heruntergeklettert sind, bevor er durch eine Ex-
plosion in die Luft gesprengt wurde, welche ganz
Europa in Mitleidenschaft Hütte ziehen können."
Ganz so verhält sich die Geschichte denn doch
nicht: Die Montenegriner sind nicht von dem
Baume heruntergeklettert, ehe er durch eine Ex-
plosion in die Luft gesprengt wurde, sondern sie
sind im Gegenteil auf die Spitze eines Aussichts-
turms hinaufgesprungen, ehe er von einer Dampf-
walze überfahren wurde. Solche Sachen machen
die Montenegriner öfters: neulich haben sie einen
Bratosen uni den kleinen Finger gewickelt, ehe
er gehißt wurde, und vor rund drei Wochen haben
sie einen Hosenknopf bei lebendigem Leibe auf-
gespießt, ehe er sein Doktorexamen um die eigene
Achse gedreht hatte. — Warum enthält Sir Acland
diese so wenig gewagten Bilder den künftigen
Geschichtsschreibern vor? Kai-ichen

Tierkampf in Berlin

In einem Berliner Warenhause ist eine Ab-
teilung eingerichtet, in der Tiere, wie Angora-
ziegen, Lamas, Strauße, Pfauen, Schwäne, Störche
zu Kaufen sind; die Tiere bewegen sich nach dem
Hagenbeck'fchen System frei.

Selbstverständlich ist diese Tierausstellung im-
mer von vielen Neugierigen belagert. Neulich
Kam es aber zu einein wütenden Kampfe, in
dem Bliit floß. Ein Löwe und ein Hirsch waren

aneinander geraten und kämpften. Der Löwe
brüllte wie Liebknecht, und der Hirsch, der schon
aus verschiedenen Wunden blutete, schrie nach
frischein Wasser. Die Zuschalicr flüchteten ent-
setzt. In dieser verzweifelten Not tat man, was
der preußische Untertan in seiner Verlegenheit
immer tut: man schickte nach der Polizei. Be-
waffneten Schutzleuten, die heraneilten, gelang es
endlich, die beiden wütenden Kämpfer von einan-
der zu trennen. Die sofort eingeleitete Unter-
suchung ergab über den Grund des blutigen
Kampfes das Folgende: Der Löwe behauptete,
von dem Hirsch bei dem Einkauf von Luise-Tief-
bau-Aktien übervorteilt worden zu sein, während
der Hirsch, der eine junge Frau hatte, behauptete,
sein Geweih rühre von dem Löwen her. Die
beiden Herren Löwe und Hirsch sehen ihrer ge-
richtlichen Bestrafung entgegen.

Frido

*

Liebe fugend!

Wie in anderen kleinen Städten so ist es
auch hier in X. in unseren Kinos üblich, daß die
ohnehin schon allzusehr verständlichen Filme durch
einen Erklärer („Rezitator") erläutert werden.
Ein solcher leistete sich in dem Film von der
Königin Louise „Aus Preußens schwerer Zeit",
als die geschlagenen Truppen nach „Jena" und
„Auerstädt" bei deni verzweifelten Königspaare
vorbeiziehen, die folgende schöne Wendung: Da
tröstete der König von Preußen seine hohe Ge-
mahlin mit den Worten: „Na, weine nur nicht,
Luise, wenn wir auch die Schlacht bei Jena und
Auerstädt verloren haben, wir haben ja noch die
Völkerschlacht bei Leipzig vor uns, da wird der
Kaiser Napoleon schon seinen verdienten Lohn
bekommen."
Register
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Khedive: Zwang
Karlchen: Berichtigung
A. De Nora: Die Wunderheilung in München
Arpad Schmidhammer: Gaunerfrechheit
Frido: Tierkampf in Berlin
 
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