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F. Heubner

Sommerfrische 1913

„XXanu, was ist denn bei Ihnen für 'ne kollosale Fete?" — „wir feiern heut
den ersten schönen Lag seit fünf Wochen!"

„Hier istverboten französisch zusprechen!

Dieser Ukas wider alle frechen
Reichsfeinde ist angeschlagen jetz
Auf der Pulverinsel zu Metz.

Erstens weil da mal drei Herren gesessen,
Die, nachdem sie zur Nacht gegessen
Zn einem Wirtschaftspavillon,

Riefen zuletzt: „L’addition, gargon!“

Zweitens weil einige deutsche Damen
Lernenshalber zusammenkamen
Und sich alldort — ich bin empört! —

Ihre französ'sche Lektion überhört!

Wegen einem solchen undeutschen Benehmen
Sollte sich auch ein Deutscher schänden.
Französisch parlieren auf deutschen: Grund
Ist nicht patriotisch und nicht gesund.

Herrschaften nur von hohem Adel
Dürfen das tun ohne Furcht vor Tadel,
Pappeln französisch, wo es geht,

Daß die Krapüle sie nicht versteht.

Bon der Palastdame bis zur Zofe
Tun es besonders die Weibsen bei Hofe —
Und wer da in eine Tischkarte guckt,

Findet sie meist französisch gedruckt!

Sie haben auch ihre Hüte und Roben
Meistens sich aus Paris verschroben,

Eine deutsche Fürstin aus besserem Haus
Zieht sich französisch an und aus.

Aber wenn bürgerliche Menschen
Unsere deutsche Sprache verfrenchen
Auf der Pulverinsel zu Metz,

Kriegt sie am; Wickel das Gesetz !

In Bezug auf den chauvinistischen Fimmel
War uns bis dato, das weiß der Himmel,
Frankreich weit über. — Kann aber sein,

Wir holen die Ludersch doch noch ein!

Hann»

-Liebe Jugend!

Hervorragenden Sammlerwert haben die Brief-
marken, welche demnächst in Adrianopel zur Aus-
gäbe gelangen. Sie haben in der mitte einen
Teilstrich, oben den türkischen Halbmond, unten
das bulgarische Wappen. Fe nach Bedarf wird
dann die eine oder die andere Hälfte bei der
Frankatur fortgestrichen. Die Postverwaltung von
Adrianopel empfiehlt in zweifelhaften Fällen bei
der Kommandantur telephonisch anzufragen, da-
mit dem Empfänger Strafporto erspart bleibt.

Ich stand vor einem Münchner Kunstsalon und
versenkte mich in das Bild eines Futuristen,
unter dem zu lesen war:

„Zwei Frauen."

Da hörte ich einen Dienstmann neben mir
nach einer weile intensiven Schauens sagen:
„Gestern Hab' i oane rausg'funden, heut is 's
wieder nix!"

Die ministeriellen bayrischen Fragebogen

„Froh bin i, Kathl, daß i koa Universitäts-
Professor net bin, sonst war's mit meiner
Karriere aus, wenn Du ins ,Formblatt eina
kamst!"

Langer Rock und kurze 4ofen

Es war ein schwarzer Don Juan
Zu Mülheim a. d. Ruhr Kaplan,

Der hat den Beichtstuhl frech und hnotia
Benützt zu Zwecken der Erotik:

Als eine Jungfer beichten ging,

Verstand er diesem jungen Ding,

Nach sündigem Vergnügen lüstern,
Verführung heimlich zuzuflüstern. '

Und als das Mägdlein zu ihm schlich,
Beruhigte er sie — väterlich:

Ich Hab ein Fläschlein da, ein feines,

Mit den: verhütet man was Kleines'!

Trotz dieser Hoffnung kam das Kind
In eine andere geschwind,

Worauf der Herr vor Wut entbrannte
Und sie ein „dummes Aas" benannte.

Ihr meint: als dieses ward publik,
Erreichte Jenen sein Geschick?

O nein! Der Biedre ging ganz kühl heim
Und ist noch heut Kaplan in Mülheim!

Sein Bischof weiß, was er pecciert —

Und wenn's den Bischof nicht geniert,

Ist von der Laienwelt, der schnöden,

Der Mann nicht weiter anzuöden!

Den Don Juan im langen Rock,

Man macht ihn nicht zum Sündenbock,

So lang er bloß kein Modernist ist
Und ein getreuer Zentrums-Christ ist!

* * *

Die Laienwelt weiß überhaupt,

Was sündig sei und was erlaubt,

Alleinig niemals zu entscheiden —

Man sehe bloß, wie sie ftdj kleiden!

Zum Beispiel läuft die Burschenschaft
Im Oberland — wie schauderhaft! —

Mit nackten Knien in sittenlosen,

In sündhaft-eitlen Lederhosen!

Das Knie, so nackt, zeigt wenig Takt —
Der Teufel weiß, wo er uns packt,

Er weiß mit Hosen kurz und ledern,

Die Mädchenseelen leicht zu ködern!

Das braungebrannte stramme Knie
Betört mit seinen Reizen sie
Und gänzlich wirft das Schuhgeplattel
Dann die Moral noch aus dem Sattel.

Die Lüsternheit und Sinnlid)keit
Sind Salz und Schmalz hier jederzeit:

Erst tanzen sie beim Klang der Musi
Und hinterher beginnt das Gschpusi!

Hub kraxelt aufwärts am Spalier
Der Kurzbehoste nachts zu ihr,

Muß ihre Tugend bald erliegen
Und später liegt was in der Wiegen!

„Drum weg mit solcher Wüsterei!" —
Schreibt Einer von der Klerisei
Im „Wendelstein", dem Zentrumsblattel,
Vom nackten Knie und Schuhgeplattel!

O Lasterpfuhl! O Sündennacht ! —

Doch, Gott sei Dank, der Klerus wacht
Und leud)tet sündigem Gefühl heim —

3. B. an der Ruhr in Mülheim!

*

Jm Jubiläumssommer

„Daß der Petrus jar so ville regnen läßt!
„Wahrscheinlich hat er keenen Orden jekriegt
von Berlin."
Register
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Hanns (Hans): Hier ist verboten französisch zu sprechen!
Pips: Langer Rock und kurze Hosen
Friedrich (Fritz) Heubner: Sommerfrische 1913
Theo Waidenschlager: Die ministeriellen bayrischen Fragebogen
 
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