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Bauernkraft

Der Koggen rauscht in reifer Schwere,

Der Bauer gehl durch Korn und Klee,

JI!s ob er ßott und Schöpfer wäre,

Der sich sein (Tagewerk besah.

Die Halme nicken, wo er schreitet,

Die Blüten duften, wo er steht,

(Die seine Hand durch lehren gleitet:

Auch das ift stilles Dankgebet!

Den 5luch, den )ahve einft gesprochen
Zu Adam über Seid und Korn,

Er hat den alten Bann gebrochen:

Es ward ein Segen aus dem Zorn.

Des Sommers Schweiß, der Hände Schwielen
Zermürbten jenen Zauberspruch,

Die Arbeit segnet Hof und Dielen
Und gibt ihm Brot, — das ift genug!

Er hat den alten ßott bezwungen,

Er schuf sich feine eigne (Delt,

Und was er Stück für Stück errungen,

Hat er auf feine (Tat gestellt.

Das gilt ihm eins: ßott und das Werden,
Auch was er schuf, ift ßottes (Tat;

Ein König fühlt er sich auf Erden,

Ein Schöpfer zwischen Korn und Saat.

tt). Eennemann

örmfenau

Von Rar! Bleibtreu

„Mein Plan geht dahin, dem Kriege einen
iitfuiTehtionellert Charakter zu geben und alle
Streitkräfte des Landes zu entwickeln. Lähmt
uns nicht die Schwäche, so soll die Welt erstaunen,
mit welchen Kräften wir auftreten werden." So
schrieb der gefeierte Held von Kolberg, der Mann
von zweifellos bürgerlicher Herkunft, der als
Lunge die Gänse hütete, im Luli 1811. „Wenn
unser König sich nur entschließen möchte, sogleich
jetzt zu seiner Verteidigung die passendsten Mittel
anzuwenden, so wären wir in glänzender Lage.
Wir. . . können hoffen, das ganze Land unter
die Waffen zu bringen." So schrieb Gneisenau
im August an Graf Münster. Doch am 10. März
1812 hieß es: „So ist alles vergeblich gewesen.
Wir haben einen Unterwerfungsvertrag unter-
zeichnet, welcher Blut und Vermögen des Volkes
fremder Willkür preisgibt. Und wenn man weiß,
durch welche Personen dies Unglück über uns
kommt! Ein kindisch gewordener Feldmarschall,
ein altes Weib von üblem Ruf, ein durch Stu-
pidität ausgezeichneter General, ein Hofpfaff,
und was sich sonst noch für Hundepack von den
höheren Ständen an diese Koryphäen schloß, diese
haben den armen geängstigten König u. s. w."

Man sieht, dieser Mann nahm kein Blatt
vor den Mund . . . außerdem nahm er den Ab-
schied, um nicht unter den Franzosen dienen zu
müssen/ Was der König damals zum scheidenden
Scharnhorst äußerte: „Verdenk's Ihnen nicht,
treuer Freund, aber mtd) nicht ganz verlassen, auf
die Zukunft hoffen!", hätte auch für Gneisenau
gepaßt. Aber den mochte der bedächtige Hohen-
zoller nie recht leiden. Wenn Scharnhorst ihm

Richard Pfeiffer

1809 ruhig schreiben durfte: „Ich will nicht ent-
ehrt in das Grab steigen," so schrieb der König
an den Rand der Gneisenauschen Denkschrift über
ein Milizsystem: „Recht hübsch als Poesie!"

Das feurige Ungestüm dieses Blücher-Ver-
trauten, dem jener greise Berserker schon am
6. Juli 1809 brieflich sein Herz ausschüttete, miß-
fiel ihm. Rach der Bautzener Schlacht stichelte
er bitter auf ihn: „Da haben wir die Herrn
Poeten!"

Wenn damals Gneisenau über den russischen
Hochmut klagte: „Man hörte gar nicht auf uns!",
so besserte sich im August 1813 seine neue Stellung
als Stabschef Blüchers nur wenig. „Die Korps-
kommandanten halten mich für einen ehrgeizigen
Verwegenen, mein Oberfeldherr aber will immer
Angriffsdispositionen von mir haben." Der rus-
sische Korpschef Langeron verweigerte inehrfach
den Gehorsam: „Wir bedürfen für unfern Feld-
zug der vernünftigen Einsicht und das ist gewiß
nicht der Fehler des Herrn Gneisenau."

Während also die Mittelmäßigen in ihm einen
Phantasten und Wagehals sahen, schien er dem
Haudegen Blücher noch zu bedächtig. Und es
müssen hier gleich zwei Dinge gesagt werden, von
denen mindestens das eine nicht zur landläufigen
Auffassung stimmt. Eingeweihte wissen ja freilich,
daß Blücher jeder militärischen Bildung entbehrte.
Der Unterstabschef Müffling hat in „Aus meinem
Leben" unverhohlen seiner Geringschätzung Aus-
druck gegeben, Blücher sei nicht im Stande ge-
wesen, die einfachste Operation zu begreifen. Dem
widerspricht allerdings die Charakteristik, die
Müffling in „Zur Kriegsgeschichte von 1813"
von dem Alten früher entwarf. „Ohne alle
wissenschaftliche Ausbildung" habe er gleichwohl
„mit scharfem durchdringenden Verstand sich leicht
in jedes Verhältnis gefunden." „Er ließ sich Ent-
würfe zu Märschen, Stellungen, Schlachten vor-
legen, faßte Alles schnell auf, und hatte er die
Vorlagen gebilligt, so nahm er keinen fremden
Rat an." Dies bezieht sich auf sein Verhältnis
zu Gneisenau und hieraus entsprang das har-
monische Zusammenwirken Beider. Sein un-
sterbliches Verdienst lag darin, daß er, seiner stra-
tegischen Unfähigkeit bewußt, mit seinem seltsam
genialen Instinkt doch Gneisenaus Pläne sofort
erfaßte und ihnen durch seine gewaltige Persön-
lichkeit dann den gehörigen Nachdruck gab. Das
Reue aber, was wir hier äußern, besteht in der
Erkenntnis, daß Gneisenau selber durchaus Blü-
chers bedurfte, um handeln zu können. Nicht
nur, daß dieser auch im Äußern imponierende

Held, eine hochgewachsene Gestalt mit einem Im-
peratorgesicht wie der leibhaftige Kriegsgott, nie
fortreißend auf Truppen und Umgebung wirkte,
sondern sein Feuergeist hüllte sich in kalte Ruhe
und geradezu schüchterne Zurückhaltung. Ja, noch
mehr: wie er selbst 1814 im Brief an Radetzky
bekannte, neigten seine Bescheidenheit und das
Gefühl seines mangelhaften theoretischen Wissens
zu übergroßer Vorsicht und zauderndem Maß-
Halten, wie wir noch sehen werden. Die Legende
er habe die Kühnheit des Genies besessen, ent-
behrt jeder Begründung, wohl aber bekam er
unterm Ansporn des Brausekopfs Blücher geniale
Eingebungen und der Alte steifte ihm das Rück-
grat dafür. Alle Prahlsucht lag ihm so fern wie
Scharnhorst. Rach der Katzbachaffäre schrieb er
bescheiden an Münster: „Wir haben heute einen
Sieg erfochten," seine klare knappe Darstellung
schlägt der späteren Aufbauschung dieses Husaren-
streichs ins Gesicht. Gleichwohl dürften Blüchers
Tagesbefehl und sein Brief vom 31. August an
Pork ein wirkliches Diktat Gneisenaus sein, der
hier jenen Grundsatz unaufhaltsamer Verfolgung
ausstellte, wobei es nicht „geschlossener Brigaden
und nur Bataillone" bedürfe, dessen Durchführung
bei Waterloo Napoleon den Todesstoß gab. Nach-
dem er dann Blücher, als Napoleon sich auf ihn
stürzen wollte, zu lavierendem Ausweichen be-
wog, setzte er plötzlich den berühmten Rechts-
abmarsch zur Elbe durch, den wir als seine be-
deutendste Strategentat betrachten.

In den folgenden Kämpfen trat er ganz in
den Hintergrund und wir können bis Februar
1814 seine emsige Arbeit hinter den Kulissen nur
ahnen. Seine Wahrheitsliebe bekundet sein Brief
an Prinzeß Luise nach der Leipziger Schlacht, wo
er ehrlich die unerhörten Verluste eingesteht.

Seine Leitung des Blücherheeres 1814 erregt
aber schwere Bedenken, überkühne Sorglosigkeit
wechselte mit übervorsichtigem Zaudern. Erstere
führte zu den argen Februarniederlagen, wo sich
der völlig verfehlte getrennte Vormarsch durch
nichts beschönigen läßt. Bülow spottete nachher
öffentlich: „Ein General, der sich dreimal im De-
tail schlagen läßt, versteht nicht zu kommandieren."
Er nannte dabei Blücher, meinte aber den „hirn-
verbrannten Gneisenau," gegen den er in Laon
gradezu Pork und Kleist zum Ungehorsam auf-
forderte.

Daß dies zerschlagene Heer nach zwei Wochen
wieder kampfbereit neben Schwarzenberg stand,
daß es sich dann von diesem ganz losmachte und
die Billigung des Königs zu erneuter Trennung
und Vormarsch zur Marne fand, war wohl Blü-
chers und Gneisenaus gemeinsames Werk. Auch
gegen diese Operation läßt sich viel einwenden,
denn da Napoleon unmittelbar in Flanke und
Rücken nachfolgte, würde man zweifellos an die
Aisne geklemmt und zerschmettert morden sein,
wenn der Fall von Soissons nicht raschen Ufer-
wechsel erlaubt hätte. Gneisenaus Plan, Napo-
leon bei Craonne mit der ganzen Reiterei und
den Preußen in den Rücken zu fallen, war dann
gewiß groß und kühn, die Disposition aber so
mangelhaft, daß Porks Reiterstabschef Graf Ka-
nitz murrte: so schlecht sei noch nie Reiterei ge-
führt worden. So wurden die Russen vom Craon-
ner Plateau frontal auf Laon zurückgestoßen, das
dreifach überlegene Blücherheer dort in wirrer Un-
ordnung passiv zusammengedrängt.

Gneisenau schwärmte davon, die dortigen
Ebenen würden seiner Reiterübermacht Erfolge
verheißen, man merkte aber bei Laon nichts da-
von außer dem von Pork auf eigene Kappe ge-
nommenen Athis-Uberfall, dessen materiellen Ge-
winn man zwar legendär übertreibt, dessen Aus-

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Register
Wilhelm Lennemann: Bauernkraft
Karl Bleibtreu: Gneisenau
Richard Pfeiffer: Vignette
 
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