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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 18.1913, Band 2 (Nr. 28-53)

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https://doi.org/10.11588/diglit.4210#0709
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AUSFLUG Ferdinand Sfaeger (München)

sondern setzte sich auf den Herdrand, und da blieb
er ganz ruhig sitzen.

Aber das Mädchen kicherte und schrie leise.

Da sagte der Alle:

„Rührst Du das Mädel an?"

„Sei nur ruhig, Alter!" antwortete der Bursche,
und dann flüsterte er dem Mädchen etwas ins
Ohr, und sie lachte.

Und nach einer Weile gingen die beiden Bur-
schen wieder, und das Mädchen schlummerte ein,
und der Alte schlummerte, und die Alte schlief
immer weiter, sie war ja nicht aufgewacht.

Und es war so stumm und still, als wäre die
ganze Welt unter ein Fell gekrochen, um auch
einmal ordentlich zu schlafen.

Als die Nacht vorüber war und die Sonne
wieder schien, standen alle drei in der Hütte auf,
und das Mädchen sang, denn sie war so froh
wie nie zuvor. Zum erstenmale waren Burschen
bei ihr gewesen, jetzt war sie also ganz erwachsen,
und es konnte nicht lange dauern, so war sie
verheiratet.

Nun versteht es sich ja von selbst, daß der,
der an ihr Bett gekommen war, auch der wurde,
der ihr Herz gewann. Mit ihm tanzte sie, mit
ihm wanderte sie durch den Wald, und mit ihm
saß sie still und stumm da, wenn der Mond sie
besäßen.

Aber der andere war auch in ihrer Nähe, und
er sah sie manchmal an, als ob er nicht wüßte,
was er tat.

So hatten diese beiden sie wirklich aus ihres
Vaters Hütte herausgehoben und sie mitten unter
die andern geführt.

Die Jahre gingen, und jede Samstag Nacht
kamen jetzt Burschen zu ihr, wie zu all den andern
Mädchen, aber sie wartete vergeblich, daß der
Erwartete komme. Er, der der erste gewesen
war, er schien ihr am allermeisten dem Erwarteten

Die Schweller

Die Wolken ziehn am himmelsplan entlang
3n Seidenschleppen und beschwingtem 6ang.

3tt meine Scf>weiter in der 5char vielleicht,
Dah sie mich küht und mir die Stirne streicht?

Der junge wind singt mir ein Lied von ihr:
„Dergih, o Herz, Dein heute und Dein hier,

Daß Du aus Deiner Schwere schweben kannst
Und bald mit uns im leichten Ueigen tanzlt!"

Arthur Silbergleit

*

Stückchen Blau

Dies Hab ich ja vom Anbeginn gewußt:

Am Unzulänglichen muht ich verlohen
Und meine Träume, meine hohen,

Sie kommen still zurück zur müden Drust.

Diez Hab ich ja vom Anbeginn gewußt-

Und dennoch war es schön; der karge Schein,
Lr war schon 6lanz auf harten Wanderwegen,
Und selbst die Täuschung wird zum Segen—
Lin Stückchen Blau muß mir der ganze

Himmel sein!
Louile Koch-Schicht

zu gleichen, der doch irgendwo sein mußte, und
um ihn kreisten auch ihre Gedanken am häufigsten.

Und eines Nachts sprachen sie sich miteinander
aus und machten ab, daß sie sich heiraten wollten.

Der Tag, der nun kam, war ein sonniger
Tag, und die Sonnenstrahlen waren weich und
warm und wiegend. Sie spannen gleichsam ein
flaumiges Netz um ihr Gesicht, und die ganze
Welt war so warm und gut.

Aber als ihr Bräutigam vom Vater kam,
blieb er mitten in diesem warmen, lieblichen Son-
nenschein stehen und sagte, indem er langsam den
Kopf schüttelte:

„Wir heiraten nicht! Wir heiraten nicht!"

Sie sah es ihm am Gesicht an, daß die Worte
wahr waren, nicht nur aus seinem Munde, son-
dern auch aus seinem Herzen kamen. Sie sah
ihn an. Er sah sie an. Und als er sich umwen-
dete, und mit schleppendem Schritte nach seiner
Seite ging, kehrte sie um und ging wie ein ge-
brochener Mensch nach ihrer Seite.

Hinter der Scheune sank sie zu Boden, das
Gesicht in den Händen, und so lag sie ein par
Stunden regungslos.

Es war nicht der Vater, der ihre Freiheit zu
nichte gemacht hatte, es war ihr Bräutigam. Er
war kein Ritter und war also auch nie einer ge-
wesen. Denn wenn er einer gewesen wäre, dann
hätte er sie dem Vater wie einen kostbaren Schatz
geraubt. Und wie leicht wäre das doch gegangen.

Auch dieser Tag fand seinen Abend, einen
langsam erlöschenden Abend mit blassen Schatten
und großen, durchsichtigen Sternen, die zu betrach-
ten, ganz unbeschreiblich weh tat.

„Sagt, Vater", sagte das Mädchen in der
Dämmerung der Herdecke, „warum habt Ihr
nicht in die Hochzeit eingewilligt, Ihr kennt doch
meinen Sinn?"

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Register
Arthur Silbergleit: Die Schwester
Ferdinand Staeger: Ausflug
Louise Koch-Schicht: Stückchen Blau
 
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